Setae Jacket by Julia Körner 2019 (c) Ger Ger
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Die Architektin und Designerin Julia Körner und der 3D-Drucker Stratasys haben  3D-Druck erstmals direkt auf Stoff aufgebracht. Das Ergebnis der Kollaboration ist die Jacke Setae, die einem Madagascan Butterfly nachempfunden ist. Die Jacke wird in der Ausstellung Designs for Different Futures im Philadelphia Museum of Art (22.10.2019 bis 08.03.2020) präsentiert.

Bedingt durch die rasch aufeinanderfolgenden Innovationszyklen, ist die Modeindustrie auf Effekte ausgerichtet. Nur so kann die unmittelbare Medienaufmerksamkeit erreicht werden, die es braucht, um den Verkauf in kurzen Zeitfenstern zu sichern. Allerdings sind auf 2D-Schnitten und Nadel und Faden basierende Methoden weitgehend ausgereizt.

Mit dem 3D-Druck könnte die Modeindustrie dreidimensional designen – und komplexe neue Strukturen schaffen, die mit traditionellen Methoden unmöglich wären. Bisweilen scheitern die Ambitionen aber noch an den technischen Möglichkeiten: Modekreationen aus dem 3D-Drucker sind unflexibel und bieten kaum Hautkomfort. Aufgrund ihrer spektakulären Art gehen diese noch vorwiegend in Kunstsammlungen ein.

Im Streben, 3D-gedruckte Kleider flexibler und hautfreundlichen zu machen, gibt es unter anderem den Ansatz, 3D-Druck auf Stoff aufzubringen. Bisher war dies nur durch das Zusammensetzen von Stoff und 3D-gedrucktem Material zu erreichen. Jetzt gelang es dem belgischen 3D-Druck-Pionier Stratasys, den 3D-Druck direkt auf den Stoff aufzubringen. Um die neue Technologie zu demonstrieren, ging Stratasys eine Kollaboration mit der 3D-Druck-Designerin Julia Körner ein. Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist die Jacke Setae, deren Dessin und Oberflächenstruktur den Flügeln des Madagascan Butterfly nachempfunden ist. Das Projekt lässt die Vision von Kleidung aus dem 3D-Drucker näher rücken.

Julia Körner im Interview:

Julia Koerner (c) Pia Clodi 2017

Warum fiel die Motiv-Wahl auf den Madagascan Butterfly?

Stratasys kam auf mich zu und bot mir an, ein Design für dessen neue Kollektion Chro Morpho zu entwickeln. Das Design sollte ihr neues Herstellungsverfahren – das direkte 3D-Drucken auf Stoff – in Kombination mit der Farbdruck-Technologie demonstrieren. Das Thema Schmetterling kam von Stratasys Creative Direktor Naomi Kämpfer.

Ich habe mich dann für den Madagascan Sunset Butterfly entschieden – wegen seiner einzigartigen Farbvielfalt und außergewöhnlichen Geometrie. Bei mikroskopischer Betrachtung ist die Flügeloberfläche des Schmetterlings ein optisches und architektonisches Phänomen. Sie besteht aus Membranen, die von Tausenden von bunten Schuppen und Haaren bedeckt sind, die man Setae nennt.

Uns, also JK-Design, ist es gelungen, einen Algorithmus zu entwickeln, der es ermöglicht, die Farbvielfalt aus einer Fotografie in eine Geometrie umzuwandeln. Wir haben den Algorithmus soweit adaptiert, dass es möglich war, die Oberfläche des Schmetterlingsflügels bis ins kleinste Detail zu imitieren.

Was hat man verändert, damit 3D-Druck nun doch direkt auf Stoff erfolgen kann – und welches Material wurde verwendet?

Der Durchbruch gelang durch die technologische Weiterentwicklung des Drucksystems von Stratasys. Mit dem Stratasys J750 TM 3D konnte das Polyjet Material direkt auf den Stoff gedruckt werden. Wir testeten mehrere Stofftypen und entschieden uns letztendlich für weißen Denim, der sehr gute Druckeigenschaften zeigt. Die Farbe weiß unterstützt sowohl die einzigartige Farbvielfalt als auch die ebensolchen Strukturen.

Die Jacke wiegt etwa ein Kilogramm. Das ist vergleichbar mit einer pailletten- oder perlenbesetzten Jacke. Das Video, das wir produziert haben, demonstriert die Tragbarkeit der Jacke – und auch die Lebendigkeit. Die Form und Farbenvielfalt der Jacke verändert sich mit jeder Bewegung des Models.

Wie verlief der Herstellungsprozess der Jacke Setae?

Alleine die Recherche-Arbeiten dauerten über ein Jahr. Wir haben im August 2018 mit den ersten Skizzen begonnen und die ersten Prototypen gedruckt. Der 3D-Druck der Jacke hat dann ein paar Tage gedauert. Die Jacke wurde in mehreren Teilen gedruckt, die mittels versteckten Nähten zusammengefügt sind. Dadurch entsteht ein dreidimensionales Erscheinungsbild.

Was bedeutet die neue Technologie im Hinblick auf die Modeindustrie?

Die Leute fragen mich oft: Wie fühlt es sich an 3D-gedruckte Kleidung zu tragen? Womit ist es vergleichbar? Ist es Kunst oder tragbare Mode? Ich würde sagen, mit der Jacke Setae haben wir es geschafft, tragbare Kunst zu schaffen. Mit dem neuen 3D-Drucksystem lässt sich die außergewöhnliche dreidimensionale Ästhetik mit dem Tragekomfort von angenehm auf der Haut liegenden Stoffen verbinden. Die Tragbarkeit wird im Video demonstriert, das wir produziert haben. Unter diesem Link finden Sie das Video Setae.

Was fehlt noch, um mit der Technologie in Serie gehen zu können?

In meinem nächsten Projekt Digital Vogue – Between Synthetic and Organic Processes, an dem ich im Rahmen des EU-Projekts Re-Fream arbeite, konzentriere ich mich darauf, wie man die Designs für diesen neuen Herstellungsprozess optimieren kann.

Danke für das Gespräch.

 

Über Julia Körner

Die in USA lebende österreichische Architektin und Designerin Julia Körner ist eine der wenigen Expertinnen im 3D-Druck von Modeobjekten. Unter ihrem Label JK Design arbeitete sie bereits mit renommierten französischen Modehäusern wie Chanel und der amerikanischen Filmindustrie. Die Filmproduktion Black Panther, zu der sie mit einem 3D-Kostümdesign beitrug, erhielt 2019 den Oscar für das Beste Kostümdesign.

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