Die Behandlung von Krankheiten geschieht größtenteils noch immer nach Schema F. Sei es von chronischen Krankheiten oder von akuten Beschwerden. Ebenfalls zum großen Teil ist das mit hohen Kosten verbunden, sowohl für lange Krankenhausaufenthalte als auch für Medikamente. Von deren Nebenwirkungen ganz zu schweigen, die von Patient zu Patient beträchtlich variieren können. Zur Behandlung von Krankheiten wie rheumatoide Arthritis, chronische Kopfschmerzen, Asthma oder auch Parkinson greifen Ärzte deshalb seit einigen Jahren immer mehr auch auf Neuromodulation zurück, d.h. die Stimulation von Nerven durch elektrische Impulse.
Diese personalisierte Behandlungsmethode reduziert nicht nur Krankenhausaufenthalte und Kosten im Gesundheitswesen, sie bringt auch wichtige Vorteile für den Patienten. Neben speziellen Medikamenten werden hierzu in erster Linie sogenannte Elektrozeutika eingesetzt, also Mikroimplantate, die mit Strom personalisiert und lokal behandeln und dabei keine Nebenwirkungen im Körper auslösen. Forscher des Fraunhofer IZM entwickeln nun im Rahmen des europaweiten, EU-geförderten Projekts Moore4Medical eine neue Generation von Mikroimplantaten, die anstelle von Strom auf Ultraschall setzen. Dadurch können die neuartigen Implantate auch komplett kabellos geladen werden.
Implantate nicht nur in Hautnähe
Ultraschallwellen dringen von außen in den Körper ein, wodurch sie auch das Mikroimplantat erreichen. Anders als herkömmliche batteriegeladenen Geräte können solche Implantate daher auch von außen geladen werden. Das macht Operationen zum Batteriewechsel oder eine kabelgebundene Ladung überflüssig. Außerdem können die neuartigen Mikroimplantate, da keine zusätzliche Batterie nötig ist, auch viel kleiner konzipiert werden. Sie können so sogar winzige, nur 20 Mikrometer kleine Nerven präzise stimulieren. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Implantate, im Gegensatz zu batteriebetriebenen Lösungen, auch weit im Körperinneren eingesetzt werden können. Herkömmliche Implantate können nur in Hautnähe eingesetzt werden.
Und auch die Funktionsweise unterscheidet sich etwas. Während batteriebetriebene Implantate direkte Stromimpulse aussenden, werden die neuartigen Implantate durch hochfrequenten Schall in Schwingung versetzt, wobei diese Bewgung dann in elektrische Energie für das Mikroimplantat umgewandelt wird. Eine Herausforderung besteht laut Aussagen der Wissenschaftler darin, die schwingenden Mikrostrukturen optimal auszurichten, um hohe Verluste bei der Energieübertragung zu vermeiden. Eine weitere Hürde ist, dass die Gesamtgröße des Implantats einige Millimeter nicht überschreiten darf. Das heißt, Ultraschallwandler, Elektroden zur Aufzeichnung neuronaler Aktivitäten sowie alle anderen Komponenten müssen auf wenige Millimeter miniaturisiert, integriert und langlebig aufgebaut werden.
Grundbausteine für zahlreiche Anwendungen weiterentwickeln
Zur Zeit arbeiten die Forscher daran, die richtigen Materialien für den Prototypen zusammenzustellen. Diese müssen biokompatibel sein und gleichzeitig auch für die Verkapselung und Energieübertragung durch Schallwellen geeignet sein. Als nächstes würden mehrere Schallwandler auch in Gruppen aufgebaut, “so dass eine Kombination der elektronischen Komponenten und dadurch ein konzentrierteres Ausstrahlen der Ultraschallwelle erreicht wird”.
Das Projekt läuft noch bis Juni 2023. Bis dahin soll eine Art Toolbox entstehen, durch die schnellere, kostengünstigere und leistungsfähigere Medizintechnik möglich wird. In Zukunft könnten die im Rahmen von Moore4Medical entwickelten Grundbausteine in weiteren Forschungen weiterentwickelt werden, glauben die Wissenschaftler. Zum Beispiel für spezialisierte Anwendungen in den Bereichen kabellose Mikroimplantate, Organ-on-Chip, 3D-Ultraschall, dauerhaftes Monitoring mittels Sensoren, Medikamenten-Adhärenz durch intelligente Verabreichung und auch röntgenfreie Chirurgie mit optischer Erfassung.
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