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Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute, die oftmals über Leben und Tod entscheidet. Eine verlässliche Diagnose ist aufgrund der Symptome mitunter aber nicht immer einfach. Mitunter ist auch das EKG, d.h. die Messung der Herzstromkurve, nicht aussagekräftig genug, um einen Infarkt eindeutig festzustellen oder auszuschließen. Nicht immer ist nämlich ein bestimmter Abschnitt der EKG-Kurve, die so genannte ST-Strecke, angehoben. Bei einem solchen Nicht-ST-Hebungsinfarkt kann nur dann die Diagnose „Herzinfarkt” getroffen werden, wenn spezielle Laborwerte bei der Blutuntersuchung positiv sind.

Bei dieser Untersuchung geben in erster Linie die Biomarker Troponin I und T einen Hinweis darauf, ob ein ST- Hebungsinfarkt oder Nicht-ST-Hebungsinfarkt vorliegt. Troponin ist ein Proteinkomplex, der ausschließlich im Herzmuskel vorkommt und nur bei Schädigungen der Muskelzellen ins Blut gelangt. Das Ergebnis des Tests dauert in der Regel etwa 60 Minuten und wird bei unzureichender Aussagekraft 6-9 Stunden und dann nochmal 12-24 Stunden nach der ersten Abnahme wiederholt. Eine Ewigkeit bei einem akuten Infarkt.

Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Universitären Herz- und Gefäßzentrums des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)hat nun einen Risiko-Kalkulator für Patienten mit Verdacht auf Herzinfarkt entwickelt, mit dessen Hilfe eine Diagnose schneller und sicherer möglich sein wird. Mit dem sogenannten „Compass MI“, einem neuen, auch online verfügbaren, Risiko-Kalkulator ist es Kardiologen schneller und sicherer möglich, abzuschätzen, ob tatsächlich ein Infarkt vorliegt.

Herzinfarkt
v.l. Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums und Studienleiter Dr. Johannes Neumann, Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie vor der Zentralen Notaufnahme des UKE © UKE

Sichere Diagnose innerhalb von einer Stunde

Grundlage der Diagnosehilfe seien moderne Tests, die auch sehr geringe Troponin-Konzentrationen feststellen können, erklären die Wissenschaftler. „Mithilfe der gemessenen Troponin-Werte und der genauen Zeit zwischen den Messungen kann man nun unter Berücksichtigung der Art des verwendeten Bluttests ausrechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der betreffende Patient einen akuten Herzinfarkt hat. Das ist ein Novum“, erklärt Dr. Johannes Neumann, Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie des Universitären Herz- und Gefäßzentrums.

Entscheidend für die Diagnose sei nicht, wie bisher, ein fester Grenzwert der Troponin-Konzentration im Blut, sondern das Ansteigen der Troponin-Werte während des Messzeitraums. „Wir haben das in den medizinischen Leitlinien niedergeschriebene Konzept zur Diagnose eines akuten Herzinfarkts aufgebrochen“, sagt Prof. Dr. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums. Genau gesagt heißt das, die Ärzte können, auch wenn das EKG keine eindeutigen Zeichen für einen Infarkt zeigt, trotzdem innerhalb von rund einer Stunde zu einer gesicherten Diagnose kommen und die notwendigen Therapiemaßnahmen einzuleiten. Bisher kam es immer wieder vor, dass Ärzte aufgrund ungenauer Ergebnisse bis zu zwölf Stunden warten mussten, um einen Infarkt sicher zu diagnostizieren oder auszuschließen.

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Weltweite Studie mit 22.000 Patienten

Die neuen Erkenntnisse sind das Ergebnis einer Datenauswertung von mehr als 22.000 Patienten aus 13 Ländern weltweit. Dazu maßen Ärzte bei allen Patienten, die mit Verdacht auf einen Herzinfarkt in eine Notaufnahme kamen, sofort bei der ersten Untersuchung die Konzentration von Troponin I oder Troponin T im Blut. Weitere Untersuchungen mithilfe hochsensitiver Bluttests folgten bis zu dreieinhalb Stunden später. „Wir haben hier in Hamburg den Algorithmus entwickelt. Dazu haben wir die weltweiten Daten harmonisiert und dann als gemeinsamen Datensatz für die Analyse verwendet“, erklärt Dr. Neumann, einer der beiden Erstautoren der Studie.

Bei der Analyse kam ebenfalls heraus, dass lediglich 15 Prozent der Patienten tatsächlich einen Herzinfarkt hatten. „Geringe Ausgangskonzentrationen an Troponin und ein geringer Konzentrationsanstieg waren mit einer geringen Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt verknüpft“, schreiben die Forscher. Außerdem hatte diese Patienten ein geringes Risiko für weitere Herz-Kreislauf-Komplikationen in den kommenden 30 Tagen. „Mit einer Ausgangskonzentration an Troponin I von unter 6 Nanogramm pro Liter (<6 ng/L) und einem nur geringen Anstieg (<4 ng/L) innerhalb von 45 bis 120 Minuten gehörte insgesamt mehr als die Hälfte aller Patienten (57%) zu dieser Niedrig-Risiko-Gruppe.“

Die Studie lieferte den Wissenschaftlern nach eigener Aussage wertvolle Daten zur Erstellung des Algorithmus. Im zweiten Schritt konnten sie daraus einen Risiko-Kalkulator entwickeln, der den Ärzten künftig bei der Diagnose und der Entscheidung zu weiteren therapeutischen Maßnahmen hilft.

Das Ergebnis der Studie wurde in der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.

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