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Hubschraubergetriebe haben eine konstante Drehzahl. Das äußert sich in einem hohen Treibstoffverbrauch und fixierten Flugeigenschaften. Vari-Speed, ein neuartiges Getriebe mit variabler Drehzahl, soll das ändern.

Hubschraubergetriebe unterliegen anderen Konzepten als Getriebe von Fahrzeugen. Beim Automotor ermöglicht die Gangschaltung den Betrieb bei möglichst geringem Treibstoff-Verbrauch. Durch das Schalten von einem Gang in den anderen kann der Motor im vorgesehenen Drehzahlbereich bleiben und verbraucht so möglichst wenig Treibstoff. Bei Hubschraubergetrieben gibt es keine Gangschaltung. Die Rotordrehzahl bleibt konstant und der Treibstoff-Verbrauch kann nicht reguliert werden.

Konstante Drehzahl

„Würde man mit Hilfe einer Kupplung den Rotor plötzlich vom Antrieb trennen, würde das Fluggerät sofort gefährlich absacken, daher muss der Leistungsfluss auch bei einer Drehzahländerung aufrecht bleiben“, erklärt der Projektleiter Hanns Amri vom Institut für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung der TU Wien. Auch seien Doppelkupplungsgetriebe, wie man sie aus der Automobilindustrie kennt, für Hubschrauber nicht geeignet. Aufgrund des Drehzahlunterschieds bei sehr hohen Drehmomenten zwischen Antriebsseite und Rotorseite wäre der Verschleiß am Kupplungselement extrem hoch, so der Experte.

Fixierte Flugeigenschaften

Charakteristisch für den Hubschrauberantrieb ist, dass Motor und Rotor fest miteinander verbunden sind. Die Drehzahl ist auf ganz bestimmte Aufgaben ausgelegt und die Flugeigenschaften sind fixiert. Amri forschte schon in seiner Dissertation an der TU Wien an einer Lösung für ein flexibleres System. Das Fazit seiner Forschungsarbeit war ein Hubschraubergetriebe mit variabler Drehzahl. Das Übersetzungsverhältnis von Antrieb und Rotor kann stufenlos variiert werden. Das Getriebe besteht aus zwei gekoppelten Planetengetrieben und benötigt keine Kupplung.

„Die Hubschrauber können dadurch höhere Geschwindigkeiten erreichen, der Lärmpegel wird reduziert und die Leistungsgrenze wird erhöht, sodass die Hubschrauber für ein breiteres Spektrum an Missionen einsetzbar sind“,

erklärt Professor Michael Weigand, Vorstand des Instituts für Konstruktionswissenschaften und Produktentwicklung und Leiter der Abteilung Maschinenelemente und Luftfahrtgetriebe an der TU Wien.

Konstruktion der Rotorblätter

Um diese flexiblen Drehzahlen zu ermöglichen, reichte es nicht, ein neues Getriebe zu entwickeln. Auch die Konstruktion der Rotorblätter musste verändert werden. Die Eigenfrequenz der Komponenten nicht zu berücksichtigen, wäre gleichbedeutend mit einer Resonanzkatastrophe bei bestimmten Drehzahlen. Unterstützt wurde das Forschungsteam in dieser Aufgabe von den Spezialisten für Gestaltung und Auslegung von Rotorblättern von der Technischen Universität München.

Österreichischer Entwicklungspartner

Die Forscher der TU Wien brachten ihre Kompetenz in Getriebekonzept sowie Tribologie und Optimierung von Getriebeschmierung ein. Der Begriff Tribologie bezeichnet die Wissenschaft von Reibung, Verschleiß und Schmierung gegeneinander bewegter Körper. Entwicklungspartner war der österreichische Spezialist für Hubschraubergetriebe Zoerkler, der seine Erfahrung in Fertigung und Betrieb von Getrieben einbrachte.

Expertise für Drehflügler

An der TU Wien verbinden sich eine Reihe von Expertisen für den Bau von Drehflüglern. Diese reichen von der Massenabschätzung des Antriebsstrangs im Vorentwurf über die Konzeption und Entwicklung des Antriebsstrangs bis hin zu Qualifizierung und Zulassung.

Zertifizierung und Marktstrategien

Die Sicherheitsstandards bei Fluggeräten sind extrem hoch. Die Zertifizierung spielt eine wichtige Rolle im Konstruktionsprozess. An der TU Wien stehen wichtige Prüfmaschinen und Messgeräte zur Verfügung. Kooperationspartner können also auch bei der Zulassung von Geräten unterstützt werden, erklärt Weigand. Dinge, die nicht im Haus geprüft werden können, werden in Kooperation mit der Technischen Versuchs- und Forschungsanstalt (TVFA) getestet. Diese wird  vom TÜV Austria und der TU Wien gemeinsam betrieben wird.

Hubschrauber sind die einzigen kommerziell verbreiteten Luftfahrzeuge, die senkrecht starten und landen können. Das macht sie besonders für zukunftsweisende Luftmobilitäts-Konzepte in städtischen Ballungsgebieten interessant. Weigand und Amri schätzen die Marktchancen für das neue Hubschraubergetriebe mit variabler Drehzahl hoch ein. Bis die neue Generation Drehflügler marktreif und zertifiziert ist, könnten allerdings noch sieben bis zehn Jahre vergehen.

Erstmals in Fachkreisen zu sehen ist die Technologie im Rahmen der Internationalen Luftfahrtmesse Salon International de l’Aéronautique et de l’Espace (SIAE) in Paris Le Bourget vom 17. bis 23. Juni 2019 in Halle 4 Stand G17. Zoerkler, der Spezialist für Luftfahrt wird dort übrigens das komplette Antriebssystem präsentieren, das er für den russischen Helikopter Ka-62 entwickelte.

Mehr über die TU Wien auf der SIAE lesen Sie unter diesem Link

 

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