Die Frage, wie es mit unserem Universum unmittelbar nach dem Urknall weiterging und wie sich im Laufe der Zeit Leben entwickelte, beschäftigt die Menschen seit Urzeiten. Daher war die erste chemische Verbindung seit dem Big Bang das Objekt jahrelanger Suche. Aus Laboruntersuchungen kannten Forscher das Molekül Heliumhydrid-Ion (HeH+) bereits seit fast 100 Jahren, im Weltall war es bisher trotz aufwendiger Suche nicht auffindbar. Das hatte zur Folge, dass sämtliche damit verbundenen chemischen Modellrechnungen angezweifelt wurden. Bis jetzt.
Mit Hilfe des Flugzeugobservatoriums SOFIA (Stratosphären Observatorium für Infrarot-Astronomie) ist es einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Rolf Güsten vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) nun geglückt, HeH+ in Richtung des Planetarischen Nebels NGC 7027 eindeutig nachzuweisen. Die Ergebnisse wurden im aktuellen Magazin Nature veröffentlicht.
„Im vergangenen Jahrzehnt setzte man große Hoffnungen in die Weltraumobservatorien ‚Spitzer‘ (NASA, gestartet 2003) und ‚Herschel‘ (ESA, gestartet 2009), aber keines der Teleskope war in der Lage, dieses Molekül zu detektieren“, sagt Anke Pagels-Kerp, Abteilungsleiterin Extraterrestrik im DLR Raumfahrtmanagement in Bonn. „Mit SOFIA haben wir den Nachweis erbracht, dass dieses Molekül sich tatsächlich in Planetarischen Nebeln bilden kann. Derzeit gibt es kein anderes Teleskop, welches in diesen Wellenlängen beobachten kann. Das macht diese Beobachtungsplattform noch für viele Jahre einzigartig.“
Jahrzehntelange Suche erfolgreich abgeschlossen
HeH+ war eines der ersten Moleküle, das rund 300.000 Jahre nach dem Urknall entstand, als die extrem hohen Temperaturen im jungen Universum absanken, und die ersten chemischen Reaktionen in Gang kamen. „Das Molekül erzählt uns vom Beginn der Chemie in unserem Universum“, so Bernd Klein vom MPIfR. Nachdem die Verbindung bereits 1925 im Labor nachgewiesen werden konnte, begann die Suche im Weltall in den 1970er Jahren. „Mit dem Nachweis im All ist nun eine jahrzehntelange Suche erfolgreich abgeschlossen. Mit diesem Fund erhoffen wir uns, die Frühphase des Universums besser zu verstehen“, so Klein weiter.
Astrochemische Modelle deuteten schon Ende der 1970er Jahre darauf hin, dass HeH+ innerhalb unserer Milchstraße vorhanden sein könnte. Die Wissenschaftler gingen damals davon aus, dass es am ehesten in Planetarischen Nebeln gefunden werden könnte, die sonnenähnliche Sterne in der letzten Phase ihres Lebenszyklus ausstoßen. „Die energiereiche Strahlung, die dabei vom Zentralstern erzeugt wird, treibt Ionisationsfronten in die ausgestoßene Hülle“, erklären die Forscher des DLR. Gemäß der Modellrechnungen sollte sich das HeH+-Molekül genau dort ausbilden.
Gefunden werden konnte es bis jetzt trotzdem nicht. Ein Grund dafür ist, dass das Molekül am stärksten in einer Spektrallinie bei einer charakteristischen Wellenlänge von 0,149 mm strahlt (entsprechend einer Frequenz von 2,01 Terahertz), die Erdatmosphäre für alle bodengebundenen Observatorien in diesem Wellenlängenbereich aber komplett undurchlässig ist. Erst Dank des fliegenden Observatoriums SOFIA, das in einer Flughöhe von 13 bis 14 Kilometern und somit oberhalb der störenden Atmosphäre operiert, kamen die Wissenschaftler dem Molekül nun auf die Spur.
„SOFIA bietet die einzigartige Möglichkeit, jederzeit neueste Technologien einzusetzen“, erläutert Heinz Hammes, SOFIA-Projektleiter im DLR Raumfahrtmanagement. „Mit der aktuellen Weiterentwicklung des deutschen Instruments GREAT wurde dieser Nachweis von Helium-Hydrid nun ermöglicht. Dies unterstreicht die Wichtigkeit und Chance, auch in Zukunft neue Instrumente für SOFIA zu entwickeln.“
Beginn der Chemie in unserem Universum
Die herausragende Bedeutung des HeH+-Moleküls ergebe sich laut DLR aus seiner Rolle bei der Entstehung des Universums: „Ungefähr 300.000 Jahre nach dem Urknall erfolgte der Beginn aller Chemie“, erklären die Wissenschaftler. „Die Temperatur im noch jungen Universum war zu diesem Zeitpunkt bereits unter einen Wert von zirka 3.700 Grad Celsius gefallen. Die im Urknall entstandenen Elemente wie Wasserstoff, Helium, Deuterium und Spuren von Lithium waren zunächst aufgrund der hohen Temperaturen ionisiert. Sie rekombinierten sich im abkühlenden Universum wieder mit freien Elektronen, um so die ersten neutralen Atome zu erzeugen.“
Als erstes fand dieser Prozess bei Helium statt, während Wasserstoff zu diesem Zeitpunkt noch ionisiert war und in der Form von freien Protonen oder Wasserstoffkernen vorlag. Mit der Verbindung der Heliumatome zum Heliumhydrid-Ion HeH+ entstand so eine der ersten molekularen Verbindungen im Universum. Mit fortschreitender Rekombination habe das HeH+ dann mit den nun vorhandenen neutralen Wasserstoffatomen reagiert und so einen Pfad zur Entstehung von molekularem Wasserstoff und damit dem chemischen Beginn unseres Universums gebildet, erklären die Wissenschaftler.
„Mit den jüngsten Fortschritten in der Terahertz-Technologie ist es nun möglich, hochauflösende Spektroskopie bei den erforderlichen ferninfraroten Wellenlängen durchzuführen”, sagt Projektleiter Rolf Güsten. Als Ergebnis von Messungen mit dem GREAT-Spektrometer an Bord der fliegenden Sternwarte SOFIA könne das Team jetzt den eindeutigen Nachweis des HeH+-Moleküls in Richtung der Hülle des Planetarischen Nebels NGC 7027 bekannt geben.
SOFIA
Das Stratosphären Observatorium für Infrarot Astronomie ist ein Gemeinschaftsprojekt des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Die fliegende Sternwarte für den Empfang von Terahertz-Strahlung ist eine umgebaute Boeing 747, aus deren Rumpf in 12 bis 13 Kilometern Flughöhe ein Teleskop mit 2,7 Metern Durchmesser schauen kann.
„In dieser Höhe umgehen wir den störenden Einfluss der Erdatmosphäre“, betont Bernd Klein. Erst in dieser Umgebung sei es möglich, den „Fingerabdruck“ des Helium-Moleküls im fernen Infrarotbereich, seine charakteristische Spektrallinie, zu beobachten. Ausschlaggebend bei der jüngsten Entdeckung war die Technologie des GREAT-Empfängers (German Receiver at Terahertz Frequencies) an Bord von SOFIA, der in Zusammenarbeit von mehreren deutschen Forschungsinstituten entwickelt wurde.
Im Juni 2019 wird SOFIA in Neuseeland mit einem verbesserten upGREAT-Empfänger zu einer weiteren Entdeckungsreise starten. „Wir gehen erneut auf Jagd nach wichtigen Elementen zum besseren Verständnis des Universums“, so Bernd Klein.
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