Professor Bernd Bickel und PhD Student Ruslan Guseinov IST Austria (von links) (c) IST Austria
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In einem länderübergreifenden Forschungsprojekt testete man erfolgreich selbstfaltende Materialien. Das Material kam 2D aus dem Drucker, und ging unter Einwirkung von Wasser und Wärme in einen selbstfaltenden Prozess über. Der Mechanismus ermöglicht selbst komplexe Formen und könnte noch nie dagewesene Objekte in Medizin, Luftfahrt und Möbeldesign ermöglichen.

Die Experten sprechen von einem selbstständigen zeitlichen Morphen von Objekten. Zeitlich, weil der Zeitablauf eine wesentliche Rolle spielt, wenn bei der Faltung komplexer Formen Kollisionen vermieden werden sollen. Die Gewährleistung eben dieses Zeitablaufs bildete das zentrale Forschungsproblem. Die Faltgeschwindigkeit der einzelnen Teile des Objekts musste vorab definiert werden.

Selbstfaltende Materialien

Die Technologie für selbstfaltende Materialien besteht aus

  • einem Mechanismus, der sowohl Zeit als auch Geometrie berücksichtigt;
  • einem Algorithmus, der die Information von Zeit und Geometrie im intelligenten Material kodiert und im 3D-Drucker ausdruckt;

Das selbstfaltende Material ist membranartig. Dessen Kodierung erfolgt über dessen kleinste Funktionseinheit, die Zelleinheit. Die Bestandteile dieser Zelleinheiten übernehmen bestimmte Rollen und dienen der Erzeugung einer Betätigungszeit-Landschaft, welche die Faltung ermöglicht.

Die Zelleinheiten sind durch Elemente verbunden, die von Klammern gebildet werden. Diese Klammern haben unterschiedliche Stärken und ermöglichen so die Umsetzung des zeitlichen Ablaufs der Selbstfaltung: Je dicker eine Klammer ist, desto langsamer faltet sie sich unter Wärmeeinwirkung.

Definition des Zeitablaufs

Die Vermessung der Faltgeschwindigkeit der verschiedenen Klammerstärken lieferte die Daten für den Algorithmus, der den Forschenden die Definition des Zeitablaufs ermöglicht.

Ergebnis dieser Programmierung sind dünne, flache Gitter, die im 3D-Drucker gedruckt werden. An den Gittern wird eine vorgedehnte Membran befestigt, die den Faltungsprozess steuert.

Die Forschenden entwickelten eine Software, mit der man die Betätigungszeit-Landschaften direkt auf das Zielobjekt malen kann. Wenn das Objekt zum Beispiel eine Blume ist, dann wird die Zeitabfolge der Faltung der Blütenblätter durch Markierungen am Computermodell bestimmt. So werden Kollisionen vermieden.

Die Produktion

Der Verformungsprozess wird von der Software simuliert und bestätigt, bevor es zur Herstellung der Membran im 3D Drucker kommt. Anschließend wird das 2D-Objekt in ein 56° Celsius warmes Wasserbad gegeben, wo das selbstfaltende Material aktiv wird. Der Vorgang benötigt – je nach Dicke der Klammern – zwischen 30 und 80 Sekunden. Wenn das vollendete Objekt aus dem Wasser genommen wird und trocknet, versteift es sich irreversibel und die Struktur wird belastbar.

Der neuartige Mechanismus erzeugt stabile Strukturen, wie etwa ein Stativ für ein Mobiltelefon, welches das doppelte seines Eigengewichts tragen kann ohne sich zu verformen.

Das Forschungsprojekt wurde in einer länderübergreifenden Kooperation von IST Austria, dem California Institute of Technology (Caltech) und der Rey Juan Carlos Universität in Spanien entwickelt. Erstautor war der Doktorand Ruslan Guseinov aus der Gruppe Computergrafik und Digitale Fabrikation des IST Austria. Er sieht im neuen Konzept für selbstfaltende Materialien einen bedeutenden Schritt in Richtung Industriedesign von Produkten, die sich dann bei Bedarf selbstständig zusammensetzen können.

Weitere Anwendungen für das selbstfaltende Material könnten in der Medizin, in der Luft- und Raumfahrt sowie im Möbeldesign liegen.

Publikation

Ruslan Guseinov, Connor McMahan, Jesús Pérez, Chiara Daraio & Bernd Bickel. 2020. Programming temporal morphing of self-actuated shells. Nature Communications. DOI:10.1038/s41467-019-14015-2

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