Würfel auf Bauplattform (c) Cubicure GmbH
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Cubicure hat den 3D-Druck von Kunststoff-Bauteilen auf Industrie-Niveau gebracht. Um die erforderliche Qualität und Präzision zu erreichen, adaptierte der TU Spin-off der TU Wien sowohl das Material als auch den Fertigungsprozess.

Der 3D-Druck von Kunststoff-Bauteilen birgt große Möglichkeiten – speziell in Anwendungen, die Maßanfertigung oder Kleinserien erfordern. Die vorhandenen Technologien sind zahlreich – jedoch nach wie vor mit technischen Mängeln behaftet. Eine industrielle Anwendung war zuvor noch kaum möglich. Problematisch waren insbesondere die unzureichende Oberflächenqualität und die Herstellungspräzision. Cubicure, das Spinoff der TU Wien, hat dies geändert.

Das Team um Prof. Dr. Jürgen Stampfl, dem Leiter des Forschungsbereiches Additive Fertigung am Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie der TU Wien, entwickelte sowohl das Material als auch den Prozess für einen industriefähigen 3D-Druck von Kunststoff-Bauteilen und meldete gleich mehrere Patente an. Das System eignet sich für den Einsatz in Luft- und Raumfahrt sowie in Maschinenbau und biomedizinischen Technologien.

Stereolithographie

Die Forscher sehen im Stereolithographie-Verfahren die beste Eignung für die Herstellung von Bauteilen mit exzellenter Oberflächenqualität. Bei dem Verfahren werden flüssige Materialien durch Photopolymerisation – das heißt selektives Aushärten mittels Lichtquelle – schichtweise in feste Teile umgewandelt.

Der große Nachteil des Stereolithographie-Verfahrens liegt in den konventionellen Materialsystemen. Verfügbare Photopolymere sind wegen ihrer Molekülstruktur spröde und besitzen eine geringe Wärmeformbeständigkeit – weshalb diese nur bedingt für technische Anwendungen geeignet sind. Für industriell einsetzbare Komponenten sind jedoch gute thermomechanische Werkstoffeigenschaften und geometrische Eigenschaften gefordert. Bei letzteren geht es insbesondere um eine geringe Oberflächenrauigkeit, welche an die Qualität von Spritzgussteilen heranreicht.

Molekulararchitektur

Inspiriert von technischen Thermoplasten wie Polypropylen (PP) und Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymerisat (ABS) entwickelten die Forscher eine neue Molekulararchitektur. Die entstandenen Hochleistungspolymere sind bei Raumtemperatur höchstvisköse bis feste Substanzen. Diese sind stark temperaturabhängig und konnten in den bis dato verfügbaren Stereolithographie-Anlagen nicht verarbeitet werden. Um die Substanzen verarbeitbar zu machen, entwickelte Cubicure parallel zur Materialentwicklung einen beheizten 3D-Strukturierungsprozess. Dieser sollte außerdem eine mögliche unkontrollierte thermische Polymerisation der Harze verhindern.

Beheizungs- und Beschichtungsmechanismus

Ergebnis dieser Forschungsarbeit war ein Beheizungs- und Beschichtungsmechanismus, der die präzise Verarbeitung von Kunststoffen ermöglicht. Dessen technische Umsetzung gelang durch die Kombination mit dem in Stereolithographie-Anlagen vorhandenen Belichtungsprozess durch Laser. Der Beheizungs- und Beschichtungsmechanismus ist für höchstvisköse Pasten und Harze geeignet und arbeitet bei Temperaturen bis zu einhundertzwanzig Grad Celsius sehr präzise. Die technische Lösung – und einzelne Schritte darin – wurden patentiert.

Prozesskontrolle

Hohe Temperaturen wirken sich auf die Viskosität der genutzten Harze aus, können aber auch deren Stabilität und Reaktivität gefährden. Um eine ungewollte Polymerisation der Harze und damit Schädigung des Materials zu verhindern, ist eine sorgfältige Durchführung des Prozesses erforderlich – und eine Temperaturkontrolle. Die Temperatur aller Prozesselemente ist präzise regelbar.

Die größte Herausforderung meisterte das Team mit der Beheizung der aufgetragenen Dünnschicht des Rohmaterials während des Strukturierungsprozesses. Die eingesetzten Materialien dürfen nur bestimmten Temperaturfenstern ausgesetzt werden. Temperaturspitzen beziehungsweise lokale Überhitzung sind strikt zu vermeiden. Die in dem Zusammenhang entwickelte Heißschicht-Technologie wurde auch patentrechtlich geschützt.

Funktionalisierung der Kunststoffe

Zur Belichtung werden hochpräzise Laser-Scanner-Systeme eingesetzt. Verfügbare Lichtwellenlängen sind dreihundertfünfundsiebzig Nanometer im Ultraviolett-Bereich und vierhundertfünf Nanometer im sichtbaren, Blau-/Violett-Bereich. Die eingesetzten Wellenlängen ermöglichen die Verarbeitung gefüllter, eingefärbter und transparenter Materialsysteme.

Durch spezielle Füllstoffe ist eine Funktionalisierung der Hochleistungskunststoffe, etwa im Bereich elektrischer, magnetischer und brandhemmender Eigenschaften realisierbar. Zudem können hochgefüllte Kompositmaterialien angeboten und im Hot Lithography-Prozess verarbeitet werden.

Anpassbare Parameter

Mit der Technologie Hot Lithographie gelang den Forschern von Cubicure der 3D-Druck von Kunststoff-Bauteilen mit ausgezeichneter Schlagzähigkeit und Wärmeformbeständigkeit bei gleichzeitig höchster Oberflächenqualität. Durch die dreidimensionale Strukturierung der hergestellten Photopolymere können diese Stoßenergien durch plastische Deformation abbauen. Um den anwendungsspezifischen Anwendungen gerecht zu werden, können die Materialparameter auch angepasst werden – oder gänzlich neu entwickelt.

Über Cubicure

Cubicure wurde im März 2015 von Professor Dr. Jürgen Stampfl und Dr. Robert Gmeiner gegründet. Der Spin-off der TU Wien ist auf den 3D-Druck von Hochleistungspolymeren mit der Methode der Stereolithographie spezialisiert. Die ersten Stereolithographie-Anlagen konnten bereits bei Forschungpartnern und Wirtschaftsunternehmen platziert werden. Zuletzt gewann Cubicure den zweiten Platz des von der B&C Privatstiftung verliehenen Houska Preis in der Kategorie Forschung & Entwicklung in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Mit einem Preisgeld von insgesamt 500.000 Euro ist der Houskapreis der höchst doierte Forschungspreis Österreichs.

 

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