Author profile picture

Diese Woche erreichte die Europäische Weltraumorganisation ESA in punkto Raketentriebwerk einen wichtigen Meilenstein. Denn am Prüfstand P8 in Lampoldshausen absolvierte das BERTA-Triebwerk am 18.2.2018 erfolgreich seinen ersten Testlauf. BERTA (Biergoler Raumtransportantrieb) wurde ganze 560 Sekunden mit einem auf 2,45 Kilonewton ausgelegten Referenzschub getestet. Die Besonderheit: Der Raketenmotor wurde Ende 2018 vollständig im 3D-Druckverfahren gefertigt.

Wettbewerbsfähigkeit Europäischer Trägersysteme

Der 3D-Druck ‒ auch additive Fertigung genannt ‒ liefert für den Triebwerksbau verschiedene Vorteile. So lassen sich die Produktionszeiten signifikant verringern. Derzeit werden zum Beispiel Brennkammern in Europa zuerst gegossen und geschmiedet. Dann werden Kühlkanäle ausgefräst, die schließlich mittels galvanischer Prozesse abgedeckt werden. Übliche Lieferzeiten betragen bis zu eineinhalb Jahre.

Mittels additiver Fertigung dagegen können vollständige Triebwerke innerhalb weniger Wochen geliefert werden. Bei BERTA wurde sowohl der Einspritzkopf ‒ er besteht aus einer korrosionsbeständigen Nickelbasislegierung ‒, sowie auch die Brennkammer aus Edelstahl durch selektives Laserschmelzen hergestellt. Durch den Einsatz eines Lasers wurde das finale Bauteil schichtweise durch Aufschmelzen des Werkstoffes in Pulverform auf einer Grundplatte aufgebracht. Im 3D-Druck-Verfahren sind komplexere Strukturen möglich, die sich in konventionellen Verfahren nicht herstellen lassen. So enthält BERTA ein komplexes Design für die Kühlkanäle, welches ein verbessertes Kühlverhalten der Brennkammer sicherstellen soll. Durch die optimierte Kühlung können Brennkammern zukünftig kompakter gebaut werden. Das spart Material ein. „Die additive Fertigung eröffnet Europa neue Wege, Triebwerke zu fertigen”, so Lysan Pfützenreuter, Projektleiterin beim DLR Raumfahrtmanagement. „Mit dem erfolgreichen Nachweis der Technologie wird ein wichtiger Schritt in Richtung einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit europäischer Trägersysteme gegangen.” Somit kommt die Europäische Weltraumorganisation ESA dem Bau von neuen, wirtschaftlicheren Raketen deutlich näher.

P8 in Lampoldshausen

Prüfstand P8 in Lampoldshausen ©DLR

Der P8 ist ein Forschungs- und Entwicklungsprüfstand beim DLR (Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt) in Lampoldshausen, der gemeinschaftlich vom DLR, der französischen Raumfahrtagentur CNES und dem industriellen Partner ArianeGroup genutzt wird. Die Verantwortung für den Betrieb und die Durchführung der Tests liegt bei dem Prüfstandteam des DLR. „Der Prüfstand P8 bietet umfangreiche Möglichkeiten, Demonstratoren von Komponenten über Baugruppen bis hin zu kleinen Triebwerken zu testen. Ziele der aktuellen Tests sind, das Strömungsverhalten und den Wärmeübergang bei gedruckten Oberflächen zu untersuchen. Diese neue Technologie kann derzeit europaweit nur am Prüfstand 8 in Lampoldshausen getestet werden”, erläutert Gerd Brümmer, DLR-Ingenieur und Leiter des Prüfstands P8.

Missionen über Erdorbit hinaus

BERTA ist für den Betrieb mit lagerfähigen Treibstoffen ausgelegt. Das bedeutet, dass die Treibstoffe bei Raumtemperatur gelagert werden können. Triebwerke dieser Art sind sehr zuverlässig und können mehrfach gezündet werden. Sie eignen sich somit für längere Missionen. Damit kann dieses Triebwerk nicht nur für den erdnahen Bereich auf kleinen bis mittleren Raketen eingesetzt werden, sondern auch für Missionen über den Erdorbit hinaus. Übliche lagerfähige Treibstoffe sind jedoch hochgiftig. Für die Testläufe im Prüfstand werden daher kryogene Treibstoffe verwendet.

Entwickelt wurde das Triebwerk im Rahmen der Forschungen für zukünftige europäische Trägersysteme (Future Launcher Preparatory Programme/FLPP) der ESA. Deutschland ist seit Jahren größter Beitragszahler im FLPP-Kernprogramm. Das DLR Raumfahrtmanagement steuert die Verwendung der Mittel innerhalb von FLPP und berät die ESA bei der Durchführung einzelner Projekte.

Die Testkampagne wird noch vier Wochen andauern und die Ergebnisse werden auch in weitere Entwicklungsvorhaben der ESA einfließen. So sollen 3D-Druckverfahren für Weiterentwicklungen der Ariane-6-Triebwerke Vinci und Vulcain eingesetzt werden.

Bild oben: BERTA-Triebwerk bei der Integration ©DLR

 

Das könnte Sie auch interessieren:

Europas erste industrielle 3D-Betondruckerei befindet sich in Eindhoven

3D-Drucken mit Draht und der richtigen Atmosphäre