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Jeder will alt werden, aber keiner will alt sein, heißt ein altes Sprichwort, und wenn man an all die Zipperlein und Krankheiten denkt, die mit dem älter werden normalerweise einher gehen, ist das auch nur allzu verständlich. Dann gibt es aber auch immer wieder Menschen, die 90, 100 oder sogar über 100 Jahre ali sind und top-fit. Was haben sie, was die anderen nicht haben? Oder was haben sie nicht, was die meisten anderen haben? Ein Protein?

Im Allgemeinen nehmen mit fortschreitendem Alter die Stammzellfunktionen ab, dafür aber die Entzündungen zu. Die Folgen dieser Prozesse für die Blutstammzellen sind bisher jedoch weitgehend unerforscht und daher auch unverstanden. Forscher des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena haben nun herausgefunden, dass der Cohesin/Rad21-Komplex Entzündungssignale in Blutstammzellen verstärkt und somit die Alterung des blutbildenden Systems vorantreibt. „Bei chronischer Entzündung im Alter wird die Funktion und Selbsterneuerung von Blutstammzellen durch eine chronische Aktivierung Cohesin-vermittelter Entzündungssignale gestört“, heißt es in der Studie. „In Folge wachsen abnormale Blutstammzellen mit geringem Cohesin-Gehalt und gestörter Differenzierung im Alter heraus. Die neuen Ergebnisse könnten Hauptmerkmale der Alterung des blutbildenden Systems erklären.“

Aufgrund der Zunahme von Entzündungsprozessen mit fortschreitendem Alter entstehen immer mehr altersbedingte Krankheiten, ein Prozess, der auch als „Entzündungs-Altern“ oder „InflammAging” bekannt ist. Da auch das blutbildende System von diesem Prozess betroffen ist, differenzieren Blutstammzellen verstärkt in entzündliche (myeloide) Zellen. Gleichzeitig wird die chronische Erhöhung von Entzündung im Alter weiter verstärkt. Die Ursachen dieser zunehmenden Verstärkung von Entzündungssignalen im Alter und die Rolle von Blutstammzellen bei der Verstärkung des InflammAgings sind aber leider noch nicht vollständig erforscht, denn ein Verständnis dieser Mechanismen könnte die Entwicklung von Therapien zur Verbesserung der Gesundheit im Alter ermöglichen.

Für ein gut funktionierendes, blutbildendes System ist eine ausbalancierte Differenzierung der Blutstammzellen in alle wichtigen Zelltypen des Blutes ebenso unerlässlich wie eine gleichzeitige Selbsterneuerung der Stammzellen. Bei Entzündungen – und somit während des Alterungsprozesses – geraten diese Vorgänge zunehmend aus dem Gleichgewicht. Blutstammzellen verlieren mehr und mehr ihre Fähigkeit zur Selbsterneuerung und es bildet sich ein Ungleichgewicht der Differenzierung mit vermehrter Bildung von entzündlichen (myeloiden) Zellen. In der Folge werden im Alter Entzündungsprozesse verstärkt, die die Entstehung von Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Alzheimer begünstigen.

Entzündungen und Altern

Einer der wichtigsten Regulatoren von Entzündungssignalen innerhalb von Zellen ist NF-κB. „Während des Alternsprozesses hat man einen Anstieg der NF-κB-Signalgebung bei Blutstammzellen festgestellt. Die Ursachen und Folgen dieser verstärkten NF-κB-Signale auf das Altern hämatopoetischer Stammzellen sind noch nicht umfassend geklärt“, heißt es in der Studie weiter.

„Wir wussten zwar bereits, dass das Altern mit einer Erhöhung von Entzündungssignalen einhergeht. Wie dies aber genau funktioniert, welche Folgen es für die Blutstammzellen hat und wie sich das auf das Altern des Gesamtorganismus auswirkt, ist bisher nicht gut verstanden”, erklärt Dr. Zhiyang Chen, Postdoktorand am FLI, das Ziel der Arbeit.

Das Protein Cohesin spielt bei der normalen Differenzierung von Blutstammzellen eine wichtige Rolle, während des Alterns und bei Entzündungen begrenzt es jedoch die normale Stammzellfunktion. Dabei wird insbesondere die Selbsterneuerung und Kontrolle der balancierten Differenzierung der Blutstammzellen gestört. Alte Blutstammzellen sind nicht mehr in der Lage, Cohesin-vermittelte Entzündungssignale herunterzuregulieren und weien somit während des Alterns eine chronische Erhöhung von Entzündungssignalen auf.

„Dieser Mechanismus der ständigen Entzündung erschöpft den Stammzellpool und treibt die Stammzellen in eine fehlerhafte Differenzierung mit vermehrter Bildung von Entzündungszellen”, resümiert Prof. K. Lenhard Rudolph, Seniorgruppenleiter am FLI, die Ergebnisse. “Dies wiederum führt zu einem Herauswachsen von abnormalen Blutstammzellen mit geringem Cohesin-Gehalt, gesteigerter Selbsterneuerung und unbalancierter Differenzierung in Entzündungszellen. Dieses Fehlverhalten spiegelt die Hauptkennzeichen des alternden, blutbildenden Systems wider, was bekanntermaßen zu einer Beschleunigung des Alterns des Gesamtorganismus beiträgt”.

Durch ein gezieltes Eingreifen in diese Spirale von Entzündungssignalen in alternden Blutstammzellen könnte also das Altern und die Entwicklung altersbedingter Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf- und neurodegenerative Erkrankungen verlangsamt werden.

Foto: Pixabay

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