Batterienforschung TU Graz (c) TU Graz - Lunghammer
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In einem internationalen Forschungsprojekt wurde eine neue Klasse von Elektrolyten entdeckt. Diese sind zwar kristallin, verfügen aber über Bewegungseigenschaften, die eher jenen von Flüssigelektrolyten ähneln. Der neue Festelektrolyt könnte den Durchbruch der Feststoffbatterie und somit der Elektromobilität markieren.

Noch ist ein nachhaltiges und klimaschonendes Verkehrssystem auf Basis erneuerbarer Energien Zukunftsvision. Der Durchbruch der Elektromobilität wäre ein Riesenschritt in diese Richtung. Versprechen Elektrofahrzeuge doch die lokale Abgas-Emissionsfreiheit. Zuvor ist allerdings noch eine Hürde zu nehmen: die Realisierung effizienter und sicherer Akkumulatoren!

Vielversprechende Feststoffbatterie

Aktuelle State-of-the-Art-Akkumulatoren sind den flüssigen Kraftstoffen für Verbrennungsmotoren noch unterlegen – sowohl von der Energiedichte als auch von der Wirtschaftlichkeit. Vorläufig haben sich Lithium-Ionen-Akkumulatoren durchgesetzt. Die Nachfrage hält sich allerdings noch in Grenzen. Was nachhaltig eingestellte Konsumenten abschreckt, sind hohe Preise und eine geringe Reichweite. Den Durchbruch erwartet man sich von der Feststoffbatterie.

Geringe Ionen-Leitfähigkeit

Feststoffbatterien weisen gegenüber Lithium-Ionen-Batterien eine deutlich höhere Energiedichte auf. Gleichzeitig sind diese kompakter und langfristig kostengünstiger als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien. Ein weiterer Vorteil ist deren Unempfindlichkeit gegenüber Temperaturschwankungen. Bei flüssigen Elektrolyten können große Hitze und Kälte zu Einfrieren oder Sieden des Elektrolyten führen. Das führt auch dazu, dass Festkörperakkumulatoren nicht entflammbar sind.

Woran die Entwicklung von Feststoffbatterien bisher gescheitet ist, das ist die geringe Ionen-Leitfähigkeit. Diese liegt immer noch unter jener von flüssigen Elektrolyten.

Neuer Ionenleiter LTPS

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der TU München und der belgischen Université Catholique de Louvain stellten Forschende der TU Graz jetzt einen Festelektrolyt für Batterien vor, der die höchste bisher gemessene Lithium-Ionenmobilität aufweist. Der neue Ionenleiter folgt der Summenformel LiTi2(PS4)3 und ist ein Lithium-Titanthiophosphat (LTPS). Das Material zeigt ein besonderes Merkmal: Es verfügt über eine Kristallstruktur, die zur geometrischen Frustration führt. Für den neuen Ionenleiter bedeutet dies, dass die Kristallstruktur keine energetisch stark begünstigten Verweilplätze für Ionen bietet. Die Ionen sind mit ihrem Platz nie zufrieden und unterliegen somit einer Frustration. Genau diese Frustration ist es, die zu einer sehr hohen Lithium-Beweglichkeit führt. Das zeigten Berechnungen der Gruppe um Geoffroy Hautier von der belgischen Université catholique de Louvain.

„Die Lithium-Ionen suchen mehr oder weniger ‚verzweifelt‘ einen geeigneten Platz und bewegen sich dabei sehr rasch durch die kristallographische Struktur von LTPS. Genau diese hohe Ionenbeweglichkeit wollen wir in Elektrolytkörpern für Feststoffbatterien haben.“

Martin Wilkening vom Institut für Chemische Technologie von Materialien der TU Graz und Leiter des ebendort angesiedelten Christian Doppler Labors für Lithium-Batterien.

Hohe Ionen-Beweglichkeit

Das Team um Wilkening testete Hautiers Berechnungen in einem Experiment mit Kernresonanzmethoden und konnte diese bestätigen. Zwei Springprozesse gaben deutliche Hinweise auf die hohe Beweglichkeit der Ionen. LTPS weist eine ringförmige Struktur auf. Diese nutzen die Lithium-Ionen um hin- und her- und von einem Ring zum nächsten zu springen. Dabei ist es der Inter-Ring-Prozess, der den langreichweitigen Ionentransport ermöglicht, erklärt Wilkening.

Unempfindlich gegenüber Temperaturen

Die Intra-Ring-Springprozesse konnten selbst bei extrem niedrigen Temperaturen noch nicht vollständig ausgeschaltet werden. Auch bei 20 Kelvin (minus 253 Grad Celsius) auf der Sensitivitätsskala der Kernresonanzspektroskopie sind die Lithium-Ionen noch mobil und suchen nach einem geeigneten Platz innerhalb von LTPS. Dieses Verhalten unterscheidet sich klar von jenem bekannter Ionen, deren Mobilität bei sinkenden Temperaturen deutlich abnimmt. Wobei die Betriebstemperatur in einer Feststoffbatterie in einem Elektrofahrzeug nie so niedrig sein wird, so Wilkening.

Suche nach weiteren Verbindungen

Die Eigenschaft der energetischen Frustration macht LTPS zu einem Vertreter einer neuen Klasse von Elektrolyten. Diese sind zwar kristallin, verfügen aber über Bewegungseigenschaften, die eher jenen von Flüssigelektrolyten ähneln. Die Entdeckung des leitungsfähigen Materials markiert den Anfang einer Suche nach weiteren Verbindungen, in denen ein ähnlicher Leitungsmechanismus vorherrscht.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit Toyota Motor Europe erstellt. Weitere Kooperationspartner waren die Technischen Universitäten in Graz und München, das Toray Research Center (Japan) und die Université catholique de Louvain (UCLouvain; Belgien). Letztere reichte die Entdeckung von LTPS zum Patent ein.

 

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