Recycling bei der Papierproduktion, die Trennung und erneute Gewinnung von Rohstoffen, gehört schon seit einiger Zeit zum Alltag. So wurde im vergangenen Jahr an der TU Wien eine neue Pilotanlage zur Entwicklung von Bioraffinerien in Betrieb genommen. Dort gewinnt man beispielsweise aus holzigen Reststoffen wie Stroh, Holzabfällen aus Sägewerken oder Papierfabriken, Strauchschnitt oder Bioabfällen aus der Lebensmittelproduktion das Biopolymer Lignin. Das wird dann in Nanolignin-Partikel umgewandelt und kann beispielsweise als Stoff in UV-Schutz in Sonnencremes, in Lacken oder in Verpackungen verwendet werden. (IO berichtete)
Lignin (vom lateinischen Wort lignum, „Holz“) macht etwa 20 bis 30 Prozent aller Bestandteile verholzter Pflanzen aus und ist – vereinfacht gesagt – dafür verantwortlich, dass eine Pflanze überhaupt verholzt. Bei der Holzverarbeitung zur Papierproduktion fallen jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen Lignin als Abfall an. Der Abfall wird im Allgemeinen verbrannt. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben nun aber eine weitere Verwendung von Lignin gefunden: Eine neue, nachhaltige Methode zur Gewinnung des Aromastoffs Vanillin.
In der Fachzeitschrift ACS Sustainable Chemistry & Engineering beschreiben die Forscher diese Methode. Sie geben das Lignin in Natronlauge, erhitzen das Gemisch auf 160 Grad und setzen es dann mithilfe von Nickel-Elektroden in einer einfachen Elektrolysezelle unter Strom. Dadurch oxidiert das Lignin und zersetzt sich – und Vanillin wird gewonnen, das so hochwertig ist, dass es als „natürliches Vanillin” deklariert werden darf. „Nach jahrelanger intensiver Forschung ist uns damit ein echter Durchbruch gelungen”, sagt Prof. Dr. Siegfried Waldvogel, Sprecher des Spitzenforschungsbereichs „SusInnoScience” (Sustainable Chemistry as the Key to Innovation in Resource-efficient Science in the Anthropocene) der JGU und Leiter der Entwicklung.
Keine giftigen Abfälle
Die Gewinnung von Vanillin erfolgt bisher in erster Linie aus Erdöl. Dabei entstehen jedoch giftige Abfälle, die nur schwierig entsorgt werden können. Ein schon bekanntes Verfahren Herstellung von Vanillin aus Lignin ist laut Waldvogel wegen der Verwendung von Kupfer jedoch sehr teuer. Außerdem könne nur ein kleiner Teil des bei der Zellstoffherstellung anfallenden Lignins verwendet werden. Vanillin ist andererseits der weltweit mengenmäßig bedeutendste Aromastoff. Für die Produktion von Lebensmitteln, Kosmetika und Medikamenten werden jährlich mehrere zehntausend Tonnen davon verwendet.
„Weil unsere Methode einen Vanillinertrag von rund vier Prozent des eingesetzten Lignins hat, könnte man damit theoretisch sehr leicht den weltweiten Vanillinbedarf decken”, sagt Waldvogel. Seiner Ansicht nach ist das neue Verfahren „signifikant besser” als die bisherigen Methoden zur Vanillingewinnung. Nicht nur entstehe kein giftiger Abfall, es sei auch wirtschaftlich überlegen. Gespräche mit entsprechenden Industriepartnern laufen bereits.
Das bisher nur im Labor angewandte Verfahren soll im Rahmen des EU-Projekts „LIBERATE“ bald in größerem Umfang getestet werden. Dazu wird momentan beim norwegischen Forschungsinstitut SINTEF, mit dem die JGU kooperiert, eine Pilotanlage gebaut. Waldvogel will außerdem prüfen, ob sich die neue Methode noch verbessern lässt, indem das Vanillin nicht erst aus dem reinen Lignin, sondern direkt aus der sogenannten Schwarzlauge gewonnen wird. Schwarzlauge ist ein Vorprodukt, das bei der Holzverarbeitung in Zellstoffwerken anfällt und Lignin enthält.
Titelbild: Lignin aus der Zellstoffproduktion, ©: Michael Zirbes, JGU