Bioreaktor (c) Peter Grotzinger - eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=6710192
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Es wäre schade, holzige Reststoffe einfach zu verbrennen. In der Bioraffinerie lassen sich daraus wertvolle Rohstoffe gewinnen. Zumindest theoretisch. Tatsächlich erfordern verschiedene Reststoffe verschiedene Methoden und es braucht noch intensive Forschung. Eine neue Pilotanlage an der TU Wien lässt das Ziel näher rücken.

Bisher wurde pflanzliche Biomasse einfach nur verbrannt – und höchstens thermisch verwertet. Das mag eine einfache Lösung sein, aber weder die beste noch die wirtschaftlichste. Umgekehrt hat die chemische Industrie Bedarf an pflanzlicher Biomasse. An der TU Wien forscht man an einer Lösung für dieses Dilemma.

Jetzt wurde eine neue Pilotanlage zur Entwicklung von Bioraffinerien in Betrieb genommen. Diese ermöglichen es, Rohstoffe in ihre chemischen Grundbestandteile zu zerlegen. In einer Kombination aus hohem Druck und hoher Temperatur lassen sich aus dem biologischen Material verschiedene Substanzen extrahieren.

Holzige Reststoffe

Dabei fokussieren die Forscher auf die besonders schwierige Verwertung von holzigen Reststoffen. Die Kategorie fasst Dinge wie Stroh, Holzabfälle aus Sägewerken oder Papierfabriken, Strauchschnitt sowie Bioabfälle aus der Lebensmittelproduktion zusammen.

“Pflanzen eigens anzubauen, um sie für die chemische Industrie zu nutzen, wäre ökologisch nicht sinnvoll. Wir entwickeln daher Verfahren, mit denen man Reststoffe nutzbar machen kann, die bisher einfach weggeworfen oder höchstens thermisch verwertet wurden”,

sagt Angela Miltner aus dem Team von Professor Anton Friedl am Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften.

Allen holzigen Rohstoffen gemeinsam ist die schwere Verwertbarkeit. Das liegt an der darin enthaltenen Lignozellulose, die nur bei höheren Temperaturen abgebaut werden kann. Gleichzeitig sind es gerade diese Rohstoffe, die ein großes Potenzial für die Herstellung hochwertgeschöpfter nachhaltiger Produkte darstellen.

Hauptkomponenten

Das Team um Professor Friedl hat diese Herausforderung angenommen und nutzt eine speziell für das Problem entwickelte Anlage. Diese erreicht einen Druck von bis zu dreißig bar und Temperaturen von zweihundertfünfzig Grad Celsius. Das reicht, um die Lignozellulose in der Biomasse in ihre Hauptkomponenten aufzuspalten: Zellulose, Hemicellulose und Lignin. Abhängig vom Rohstoff können auch bioaktive Substanzen wie Cannabinoide, Flavonoide oder Polyphenole extrahiert werden.

Lignin

Das Lignin wird in Nanolignin-Partikel umgewandelt. Das Verfahren wurde von der TU Wien patentiert. Nanolignin-Partikel bilden viele wertvolle Anwendungsmöglichkeiten wie etwa als UV-Schutz in Sonnencremes, in Lacken oder in Verpackungen verwenden.

Hemicellulose

  • Die Hemicellulose besteht aus einem Gemisch verschiedener Zucker. Verwendet werden kann diese für die
  • Herstellung von Zuckerersatzstoffen wie Xylitol und Erythritol;
  • Gewinnung pharmakologischer Substanzen;

Betriebsparameter

Zur Extraktion der gewünschten Substanzen werden Lösungsmittel wie Mischungen aus Wasser und Ethanol eingesetzt. Zur weiteren Konzentration gelangt das gewonnene Extrakt in einen Verdampfungsteil. Dabei kann das Lösungsmittel zurückgewonnen und einer neuerlichen Verwendung zugeführt werden.

Alternativ zu den Lösungsmitteln forscht das Team an einem Aufkonzentrations-Verfahren mit einer speziellen Membrane.

“In den nächsten Jahren werden wir mit unserer neuen Anlage genau untersuchen, wie man Betriebsparameter wie Druck, Temperatur, Lösungsmittel und Extraktionszeit am besten kombinieren muss, um die gewünschten Stoffe zu extrahieren”, erklärt Professor Friedl.

Alle Einstellungen der Anlage können exakt programmiert und automatisch ausgeführt werden. Auch mehrstufige Extraktionsverfahren sind möglich.

Keine Standardisierung

An ein Verfahren, das allen Anforderungen gerecht wird, glaubt man im Team nicht. „Man muss die Verfahren immer an die lokal verfügbaren Reststoffe anpassen,“ erklärt Angela Miltner. Holzabfälle aus dem Sägewerk erfordern andere Verfahren, als Holzabfälle aus einem Gärtnereibetrieb. Man muss die chemischen und prozesstechnischen Details sehr gut kennen, um für jede Anforderung die richtige Bioraffinerie planen zu können, so Miltner.

Bioraffinerie

Bioraffinerien sind ganzheitliche multifunktionale Konzepte, die eine hochwertige Nutzung von Biomasse zum Ziel haben. Als solches bieten diese die Möglichkeit, Zwischen- und Endprodukte wie Chemikalien, Materialien, Bioenergie und Biotreibstoff nachhaltig zu generieren. Das Konzept befindet sich noch in Entwicklung, ist aber in Ansätzen schon umgesetzt. Zum Beispiel bei der Herstellung von Zucker, Bioethanol und Biodiesel, wo versucht wird, auch die Nebenprodukte hochwertig zu nutzen.

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