Die Österreichische Wasserstraßen-Gesellschaft mbH viadonau hat die Aufgabe, rund 500 Kilometer Uferbegleitwege zu erhalten. Etwa die Hälfte davon sind als Donauradweg gekennzeichnet. Allein im Bereich Wien-Kuchelau bewegen sich pro Jahr über 500.000 Fahrradfahrer – und es werden immer mehr. Denn die Wege wurden an das europäische Radrouten-Netz Eurovelo angeschlossen – und Touristen kombinieren ihre Schiffsreisen zunehmend mit kurzen Radetappen. Um eine gefahrlose Befahrung der Wege auch für ungeübte Fahrradfahrer zu ermöglichen, ist der Wegeerhalter gefordert, die Wege laufend zu beobachten. Durch Schäden verursachte Unebenheiten müssen rasch entdeckt werden, um die Nutzer zu schützen. 320 Kilometer der Uferbegleitwege sind asphaltiert und insbesondere bei Asphaltwegen ist eine häufige Zustandsbewertung auch aus ökonomischen Gründen sinnvoll. Denn eine frühzeitige Reparatur kann ein Fortschreiten der Schäden verhindern und die Lebensdauer des Belags verlängern.
Ursachen für Fahrbahnschäden
Schäden auf asphaltierten Radwegen können verschiedene Ursachen haben, wie etwa vielfältige Nutzung, Witterungseinflüsse und am Wegrand wachsende Bäume. Letztere verursachen Wurzelaufwölbungen, welche die Asphaltschicht aufbrechen. „Das wirkt sich ungünstig auf die Lebensdauer von Asphalt aus, weil dann Wasser in den Unterbau eindringt und darin stehen bleibt. Im Winter bilden sich unweigerlich Eislinsen, die ein größeres Volumen als Wasser haben und den Asphalt noch stärker aufbrechen. So entsteht eine fortschreitende Schadensentwicklung“, erklärt DI Roland Spielhofer vom Center for Low-Emission Transport am AIT Austrian Institute of Technology.
Digitalisierung der Zustandsbewertung
Bis 2020 erfolgte die Zustandsbewertung der Radwege entlang der Donauufer visuell. Das heißt, man nutzte ein Fahrzeug, das mit Software und einem speziell umgebauten Korb als ‚Ausguck’ für die Mitarbeitenden ausgestattet war. Um eine höhere Präzision zu erreichen, wollte der Wegeerhalter den Vorgang 2020 aber digitalisieren und startete einen entsprechenden Pilotversuch. Die Ergebnisse haben überzeugt und 2021 wurde über eine europaweite Ausschreibung ein geeigneter Projekt- und Forschungspartner für die Zustandsbewertung des gesamten Radwegenetzes gesucht. Der Zuschlag ging an das Center for Low-Emission Transport am AIT Austrian Institute of Technology. Spielhofer leitet das Projekt und arbeitet mit einem Team, das schon länger in der Zustandserfassung von ganzen Straßennetzen für den motorisierten Individualverkehr arbeitet.
Flächendeckende Zustandsbewertung
Dennoch habe man für die Zustandsbewertung von Radwegen neue Methoden entwickeln müssen. Denn bei der Zustandsbewertung von Straßen konzentriere man sich auf die Parameter in der rechten Radspur. Ein Radweg erfordere jedoch eine flächendeckende Zustandserfassung. „Der Radfahrer ist noch viel mehr als der Lenker eines Kraftfahrzeugs auf einen guten Oberflächenzustand angewiesen, weil das Fahrrad über keine richtige Dämpfung verfügt. Dadurch können Unebenheiten wie Belagskanten, Wurzelaufwölbungen et cetera, besonders stark durchschlagen“, erklärt Spielhofer.
Bedürfnisse von Nutzern und Erhaltern
Spielhofer und seine Kollegen entwickelten ein Roadlab in Form eines Kleinbusses, der mit Laserscan- und Kamera-Equipment ausgestattet ist. Dadurch wird es möglich, das gesamte Wegenetz der viadonau in hochpräzisen Scans und hochauflösenden 360-Grad-Bildern zu erfassen. Im Fokus des Monitorings stehen die schon erwähnten Fahrbahnschäden, aber auch Bodenmarkierungen und Verkehrszeichen sowie das Lichtraumprofil. Letzteres ermöglicht es, festzustellen, ob Hindernisse wie Äste seitlich oder von oben in den Weg hineinragen und Radfahrer gefährden könnten.
Der Laserscanner generiert eine sehr präzise und detaillierte 3D-Auflösung von der Fahrbahn. Daraus können Kennwerte errechnet werden, welche die Ebenheit repräsentieren. Aus der Sicht des Nutzers ist Ebenheit ein wesentlicher Faktor für die Sicherheit und den Fahrkomfort. Die Nutzungsbedürfnisse von ungeschützten Verkehrsteilnehmern wie Radfahrern zu berücksichtigen, sei spezifisch für das neue System, so Spielhofer.
Aus der Sicht des Erhalters gelte es indes, die typischen Oberflächenschäden wie Schlaglöcher, Risse, Ablösungen und Abplatzungen zu erfassen. Schließlich sei es wichtig, möglichst lang mit einer Bausubstanz durch den Lebenszyklus zu kommen und das begrenzte Budget für den Unterhalt klug einzusetzen.
Zustandsbewertung durch KI
Die gesammelten Daten werden mittels einer am AIT entwickelten Künstlichen Intelligenz bewertet und wandern dann in ein eigenes Datenmanagementsystem, das eine geographische Verwaltung dieser Radwege zulässt. Es erlaubt sowohl den Blick fürs Detail – zum Beispiel die Analyse einzelner punktgenau verorteter Bildaufnahmen – als auch den Blick für die Gesamtheit, etwa hinsichtlich der Verteilung unterschiedlicher Zustandsgrade entlang einer größeren Wegstrecke.
„Der Zustand der Fahrbahn äußert sich an der Oberfläche. Deshalb haben wir eine Applikation entwickelt, in der wir ein Oberflächenbild generieren, in dem dann mittels KI detektiert wird, wo sich Schäden befinden und wie groß diese sind. Die auf diese Weise detektierten Schäden sind dann wiederum Indikatoren für den Gesamtaufbau, in dem sich der Zustand der Fahrbahn befindet“, erklärt Spielhofer.
Im Managementsystem kann man Bauabschnitte bilden. Wenn man sich zum Beispiel deren Qualität anzeigen lassen will, dann kann man diese Abschnitte auf einer Farbskala von ‚grün = alles in Ordnung’ bis ‚rot = ganz schlecht’ einfärben. Das System fasst diese kleinen Einzelauswertungen dann zu längeren Abschnitten zusammen und macht Vorschläge für Abschnitte, die für eine Sanierung in Frage kommen, weil deren Zustandswert unter einen gewissen Grenzwert fällt.
Bauprogramme erstellen
viadonau hat über ein Web Interface Zugang zum System, kann sich diese Maßnahmenvorschläge anschauen und ein Bauprogramm erstellen, das sie übers Jahr umsetzen wird. Am Ende des Jahres werden dann die Sanierungen im System eingetragen und aktualisiert. viadonau kann sich den Zustand des Netzes aber auch im Zusammenhang mit dem Erhaltungsbudget ansehen und dabei auf Jahre vorausplanen. Dabei kann man verschiedene Szenarien durchspielen. Zum Beispiel, indem man festlegt, dass das Radwegenetz einen bestimmten mittleren Zustand haben soll, oder kein Bereich unter einen bestimmten Grenzwert fallen darf.
Foto: Am Heck des Roadlab befindet sich der Laserscanner, der die gesamte Oberfläche des Radwegs abtastet und diese als 3D-Modell reliefartig generiert. Vorne befindet sich eine 360 Grad Kamera, mit welcher das Umfeld aufgenommen und als digitaler Zwilling dargestellt werden kann. Letztere dient zur Kontrolle des Lichtraumprofils und zur Detektion von möglichen Hindernissen, die seitlich oder von oben in den Radweg hineinragen.