Brenner Basistunnel (c) BBT SE
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Wenn Tunnelbauwerke durch Berge getrieben werden, dann haben wir es nicht mit dem Grundwasserspiegel sondern dem Bergwasserspiegel zu tun. Bergwässer stammen aus Niederschlägen und zirkulieren von der Bergoberfläche nach unten. Auf diesem Weg werden sie von der Erdwärme erwärmt.

“Erdwärme entsteht größtenteils durch den Zerfall langlebiger Nuklide im Erdinneren”, sagt Thomas Geisler vom Institut für Felsmechanik und Tunnelbau an der TU Graz. “Als solches ist sie eine ganz natürliche Wärmequelle, die vom Erdinneren gespeist wird.“

Anders als Windräder, die nur dann Energie liefern, wenn der Wind geht, steht Erdwärme grundsätzlich rund um die Uhr und weltweit zur Verfügung. Dadurch kann dauerhaft Energie bereitgestellt werden und Unterbrechungen vermieden. Der Energielieferant Erdwärme biete also Versorgungssicherheit.

Tunnelwasser als Energielieferant

Professor Thomas Marcher, der das Institut für Felsmechanik und Tunnelbau an der TU Graz leitet: „Treffen Bergwässer auf ein Tunnelbauwerk, dann drainieren oder sickern sie in das Bauwerk ein. Deshalb wird das zugetretene Wasser entweder als offenes Gerinne oder als Leitung im Sohlbereich des Tunnels abgeführt“.

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Bei bestehenden Tunnelbauwerken wird das abgeführte Wasser meist in einem Auffangbecken abgekühlt – aus Gründen des Umweltschutzes. Erst wenn es eine ähnliche Temperatur wie der Vorfluter aufweist, darf es wieder in den natürlichen Kreislauf eingegliedert werden. Vorfluter kann zum Beispiel ein Fluss sein.

Die Forscher wollen das Tunnelwasser nicht einfach abkühlen lassen, sondern dessen Wärme als Energielieferant nutzen. Im Forschungsverbund mit der Universität für Bodenkultur Wien, dem AIT Austrian Institute Of Technology, der Geologischen Bundesanstalt, der Brenner Basistunnel Gesellschaft (BBT SE) und den Innsbrucker Kommunalbetrieben wollen sie beweisen, dass es Sinn macht, den Tunnel als Energielieferant zu nutzen.

Leuchtturmprojekt

Das Forschungsobjekt, der im Bau befindliche Brenner Basistunnel, hat gute Voraussetzungen für das Leuchtturmprojekt. Vom Brenner Pass, dem höchsten Punkt des Tunnels, ergibt sich ein natürliches Gefälle Richtung Innsbruck, wo sich das Tunnelportal befindet. Das heißt, das drainagierte Tunnelwasser wird der Stadt automatisch zufließen. Es braucht keinen zusätzlichen Pumpaufwand. So sei die Idee entstanden, das von der Erde erwärmte Tunnelwasser als Energielieferant für die Stadt Innsbruck zu nutzen, so Marcher.

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Professor Thomas Marcher, Institut für Tunnelbau an der TU Graz (c) Lunghammer – TU Graz

Eine erste geothermische Nutzung von Tunnelwasser wurde 1979 am Südportal des Gotthard Basistunnel in der Schweiz aufgenommen. Aber bisher gibt es noch kein vergleichbares Projekt dieser Größe. Deshalb sei die Herausforderung groß, so die Forscher. Schließlich dürfe man dem Bergmassiv nicht beliebig viel Erdwärme entziehen. Eine langfristige Abkühlung ist zu vermeiden. Darüberhinaus müsse das System möglichst effizient gestaltet werden.

Dritte Tunnelröhre

Von Vorteil ist weiter, dass sich das Tunnelbauwerk sehr tief unter der Erdoberfläche befindet. „Die höchste Überlagerung liegt bei etwa 1800 Metern. In diesen tiefen Lagen erreicht die Erdtemperatur circa 20 bis 35 Grad Celsius und das Wasser nimmt diese Temperatur an,“ sagt Marcher.

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Dazu kommt eine bauliche Besonderheit des Brenner Basistunnels, der drei Röhren hat und nicht – wie üblich – nur zwei Richtungsröhren. Die dritte, sogenannte Erkundungsröhre, wurde vor den beiden Hauptröhren errichtet um die tatsächlichen geologischen Verhältnisse im Berg besser zu erkennen. Diese Röhre eignet sich nicht nur für das Abführen des Wassers. „Durch diese dritte Röhre können wir jederzeit in den Tunnel hinein – und auch nachträglich Maßnahmen zur Wärmegewinnung setzen, ohne den Bahnbetrieb, welcher als prioritär zu erachten ist, zu beeinflussen,“ so Professor Marcher.

Damit die Erdwärme aus dem Drainagewasser Energielieferant von Haushalten und ganzen Stadtvierteln werden kann, muss sie erst verteilt werden. Dazu wird die im Tunnelwasser befindliche Wärme mittels eines Wärmeübertragers an das bestehende Wärmenetz  übergeben. Anschließend wird es mittels Wärmepumpen auf das nötige Temperaturniveau gebracht. Die ideale Planung beziehungsweise Adaptierung von Wärmeübertrager und Wärmepumpe ist Gegenstand der Forschung – ebenso  wie die ökonomische Verteilung der Energie.

Sicherstellen der Effizienz

Bei der geothermischen Energiegewinnung wird dem Gebirge Wärme entzogen. Um langfristig Auswirkungen auf die thermophysikalischen Eigenschaften des Gebirges zu verhindern, arbeiten die Forscher mit Modellrechnungen. „Wir werden dem Bergmassiv nur so viel Wärme entziehen, wie der natürlich nachfließende Wärmestrom ermöglicht. Sonst kann es einer langfristigen Abkühlung kommen und die Effizienz der Energieversorgung ist gefährdet,“ sagt Geisler.

Hydrogeologische Modellierungen

Beim Brenner Basistunnel sind die Möglichkeiten, die nötige Technik zur Wärmegewinnung zu installieren, größer als bei bestehenden Bauwerken, da sich der Tunnel noch im Bau befindet und über eine dritte Röhre verfügt. Diese dritte Röhre sei ziemlich einzigartig, erklärt Marcher. Deshalb möchten die Forscher die Errichtung einer dritten Röhre propagieren; da diese nicht nur die Nutzung der Erdwärme vereinfacht, sondern auch Reparaturen und andere notwendige Arbeiten.

Das Tunnelbauwerk befindet sich noch im Bau. Deshalb kann dessen geothermisches Potenzial erst geschätzt werden. Die Forscher setzen hydrogeologische Modellierungen ein und gehen derzeit von Wassermengen von 60 bis 100 Liter pro Sekunde aus.

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Thomas Geisler, Institut für Felstechnik und Tunnelbau an der TU Graz (c) FMT – TU Graz

Das Monitoringsystem der Tunnelwässer am Brenner Basistunnel erfasst die hydrologischen Paramter rund um die Uhr, erklärt Geisler. Die Daten reichen von Schüttungsmengen über Temperaturen bis hin zu chemischen Aspekten. Dadurch kann das hydrogeologische Modell mit ausreichend Daten gefüttert und kalibriert werden.

Spezifische Nutzung

Mit Temperaturen von bis zu 35 Grad ist die Temperatur des Tunnelwassers schon sehr hoch. Zur Energieversorgung soll diese aber auf ein noch höheres Niveau gebracht werden. Dabei verfolgen die Forscher zwei Maßnahmen.

Eine Maßnahme ist es, die natürliche Temperatur zu optimieren, indem man die zufließenden Wässer in höher und tiefer temperierte separiert. Naturgemäß sind die höher temperierten Wässer tiefer im Berg zu lokalisieren. Portalnah zufließendes Wasser hat meistens aufgrund der geringeren Überlagerungshöhen eine niedrigere Temperatur. Separiert man diese Zuflüsse, so entsteht eine höhere durchschnittliche Temperatur, erklärt Marcher.

Eine andere Maßnahme ist die Nutzung von Absorber-Technologie. Dabei werden beispielsweise Schläuche an der Tunnelinnenwand angebracht, in welchen ein Medium zirkuliert. Dieses nimmt die Erdwärme auf und erhöht die Temperatur des Tunnelwassers. Geisler: „Das heißt, wir heizen dieses Tunnelwasser mit natürlicher Energie, die vom Berg zur Verfügung gestellt wird.“

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