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An gebrochenem Herzen stirbt man nicht. Das hat wohl schon so ziemlich jeder Teenager von seinen Eltern beim ersten Liebeskummer gehört. Auch, wenn das in diesem Fall sicher zutrifft, kann ein Mensch aber durchaus an gebrochenem Herzen sterben – nämlich dann, wenn plötzlich das Herz verrückt spielt. Schweizer Forscher haben nun das „Broken-Heart-Syndrom“ näher untersucht und sind zu überraschenden Erkenntnissen gelangt.

Das Takotsubo-Syndrom, wie das „Syndrom des gebrochenen Herzens“ in der Medizin heißt, ist eine Krankheit, die noch immer weitgehend unerforscht ist und der eine Forschergruppe aus Kardiologen des UniversitätsSpitals Zürich (USZ) unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Christian Templin und Neurowissenschaftlern der Universität Zürich nun gewidmet hat. Die Wissenschaftler haben im Rahmen ihrer Forschung erstmals Nachweise erbracht, dass funktionelle Veränderungen im Gehirn von Takotsubo-Patienten existieren, die in Zusammenhang mit dieser Erkrankung stehen.

Die Symptome des Takotsubo-Syndroms (TTS) – benannt nach einem Tonkrug, in dem Japaner traditionell Tintenfische fangen – ähneln denen eines Herzinfarkt: plötzliche Schmerzen in der Brust, Kurzatmigkeit, unregelmäßiger Herzschlag. Bei starkem Blutdruckabfall kann es zu Ohnmachtsanfällen kommen und sogar zum Herzversagen und Tod. Im Gegensatz zum Herzinfarkt ist beim TTS aber kein Blutgefäß verschlossen, sondern die Pumpfunktion des Herzens akut gestört. Die linke Herzkammer hat ihre Form geändert und wirkt am Hals verengt und ausgebuchtet wie ein Tonkrug. Dadurch schlägt das Herz an seiner Spitze verringert.

Auslöser für das TTS ist u.a. Stress, zum Beispiel durch den Verlust eines geliebten Menschen, Mobbing am Arbeitsplatz, oder auch extrem freudige Ereignisse, bei denen eine massive Ausschüttung von Stresshormonen ins Blut erfolgt, die dann die Herzwand überreizen. Außerdem sind Forscher in den letzten Jahren zu dem Schluss gekommen, dass auch körperliche Belastungen wie Operationen, Asthmaanfälle, eine Krebsbehandlung und Stürze TTS auslösen können.

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Hinweise auf Zusammenhang von Hirn und Herz

Bis vor wenigen Jahren gingen Mediziner davon aus, dass sich das TTS nur auf das Herz beschränkt. Seit einer 2015 durchgeführten Studie stand jedoch die Theorie im Raum, dass neurologische und psychiatrische Erkrankungen sehr wahrscheinlich eine Rolle beim TTS spielen. Daraus folgerten die Wissenschaftler, dass es einen Zusammenhang zwischen Herz und Hirn geben könnte.

Forscher der Kardiologie des USZ und des Neuropsychologischen Instituts der Universität Zürich haben nun die Hirnareale von TTS-Patienten mittels modernster funktioneller Magnetresonanztomographie untersucht und sie mit gesunden Probanden verglichen. Dabei haben sie festgestellt, dass die Aktivität zwischen den Hirnregionen, die für die Verarbeitung emotionaler Prozesse zuständig sind, bei den TTS-Patienten reduziert war.

Untersucht wurden hierbei insbesondere die Amygdala, der Hippocampus und der Gyrus cinguli. Diese drei Regionen sind für die Emotionskontrolle und Motivation, das Lernen und das Gedächtnis zuständig. Amygdala und Gyrus cinguli haben außerdem einen Einfluss auf die Kontrolle des vegetativen Nervensystems und die Regulation der Herzfunktion. Bei Depressionen und Stimmungsschwankungen ist auch der Gyrus cinguli beteiligt.

„Zusätzlich zeigten auch das Default-Mode-Netzwerk des Gehirns (Ruhezustandsnetzwerk), das bei Ruhe oder Nichtstun aktiv ist (z.B. wenn die Augen geschlossen sind oder beim Tagträumen) als auch das limibische System (das Zentrum der Verarbeitung von Gefühlen) bei den Takotsubo-Patienten eine reduzierte funktionelle Ruhe“, heißt es in der Studie, die im European Heart Journal veröffentlicht wurde.

„Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass tatsächlich funktionelle Veränderungen im Hirn von Patienten mit Takotsubo-Syndrom bestehen und von einer Hirn-Herz-Assoziation beim TTS ausgegangen werden muss“, fasst Prof. Christian Templin, einer der Leiter der Studie und Initiator des weltweit größten Internationalen Takotsubo-Registers die Erkenntnisse aus der Studie zusammen. „Das ist eine wichtige Erkenntnis, auf der wir aufbauen können. Nun sind weitere Schritte nötig, um mehr über die Zusammenhänge zu erfahren.“

Für künftige Studien sei deshalb eine fachübergreifende Zusammenarbeit von Kardiologen und Neurowissenschaftlern unbedingt nötig, betont Templin. Die „Neurokardiologie“ sei ein sehr wichtiges Gebiet in der Medizin, dem man viel mehr Aufmerksamkeit schenken müsse, um das komplexe Zusammenspiel zwischen Hirn und Herz zu verstehen. Bisher hatten sich fast ausschließlich Kardiologen mit der Krankheit befasst und lediglich die Auswirkungen der Krankheit auf das Herz untersucht.

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