Kaum ein Stern am Nachthimmel ist nahe genug an der Erde, als dass Wissenschaftler direkt herausfinden könnten, wie groß er ist. Bei den meisten ist die Entfernung selbst für die besten Teleskope zu groß, um sie gut genug wahrnehmen zu können. Daher bedienen sich die Forscher eines optisches Phänomens, der sogenannten Diffraktion, um den den Durchmesser eines Sterns berechnen zu können. Beobachten lässt sich dieser Effekt unter anderem, wenn ein Asteroid aus unserem Sonnensystem zufällig vor einem weit entfernten Stern vorbeiwandert.
Einem internationales Forscherteam um Tarek Hassan vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) und Michael Daniel vom Smithsonian Astrophysical Observatory (SAO) ist es mit Hilfe der besonderen Eigenschaften von Gammastrahlen-Teleskopen nun gelungen, die Durchmesser ferner Sterne zu bestimmen. Sie konnten anhand von Messungen mit dem „Very Energetic Radiation Imaging System“ (VERITAS) die Größe von Sternen in Hunderten und Tausenden Lichtjahren Entfernung berechnen.
„Die extrem schwachen Schatten von Asteroiden ziehen jeden Tag über uns hinweg“, erklärt Tarek Hassan. „Dabei ist der Rand des Schattens jedoch nicht scharf. Stattdessen ist der zentrale Schatten umgeben von Lichtmustern, die an kleine Wasserwellen erinnern.“ In der Physik wird dieses Phänomen als Beugungsmuster bezeichnet und lässt sich in jedem Schullabor mit Hilfe eines Lasers erzeugen, der auf eine scharfe Kante gerichtet wird.
Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Lichtquelle
Aufgrund der Form dieses Musters lassen sich dann Rückschlüsse auf die Ausdehnung der Lichtquelle ziehen. Während sich das Beugungsmuster in einem Schullabor recht einfach lesen lässt, gestaltet sich das Messen bei einem Stern anhand eines Asteroidens jedoch um einiges schwieriger. „Die Sternbedeckungen durch Asteroiden sind sehr schwer vorherzusagen“, sagt Michael Daniel. „Und das Beugungsmuster lässt sich nur erkunden, in dem man schnelle Schnappschüsse macht, während der Schatten über das Teleskop wandert.“
Auf diese Weise ist es Astronomen bereits gelungen, Sterne zu vermessen, die vorübergehend vom Mond bedeckt waren. Offenbar funktioniert das in etwa bis zu einem Winkeldurchmesser von einer tausendstel Bogensekunde. Bildlich gesprochen bedeutet das: So groß würde eine Zwei-Cent-Münze auf dem Pariser Eiffelturm von New York aus erscheinen. Da jedoch nur wenige Sterne an unserem Himmel so groß sind, nutzte das Team Tscherenkowteleskope, um noch kleinere Winkeldurchmesser zu bestimmen.
Diese Teleskope sind laut der Astronomen speziell darauf ausgelegt, „das extrem kurze und schwache bläuliche Leuchten einzufangen, das entsteht, wenn ein energiereiches Teilchen oder Gammaquant aus dem Weltall auf die Erdatmosphäre trifft.“ Mithilfe der VERITAS-Tscherenkowteleskope am Fred-Lawrence-Whipple-Observatorium im US-Bundesstaat Arizona konnten die Wissenschaftler das Beugungsmuster des Sterns TYC 5517-227-1 einfangen, als er am 22. Februar 2018 zeitweise vom 60 Kilometer großen Asteroiden Imprinetta bedeckt wurde.
Mit den Teleskopen konnten pro Sekunde 300 Bilder aufgenommen werden, aus denen die Forscher dann das Helligkeitsprofil des Beugungsmusters sehr genau rekonstruieren konnten. Unter Berücksichtigung der Entfernung von 2674 Lichtjahren kamen sie auf einen Durchmesser des Sterns, der elfmal so groß ist wie der unserer Sonne und konnten ihn in die Klasse der Roten Riesen einordnen.
Eine neue Methode, um die Durchmesser von Sternen zu bestimmen
Drei Monate später konnten die Astronomen einen weiteren Stern, TYC 278-748-1, untersuchen, der am 22. Mai 2018 vom 88 Kilometer großen Asteroiden Penelope bedeckt wurde. Die Auswertung ergab einen Winkeldurchmesser von 0,094 tausendstel Bogensekunden, was bei einer Entfernung von 700 Lichtjahren dem 2,17-fachen Sonnendurchmesser entspricht. Dieses Ergebnis bestätigte eine frühere Schätzung des Sterns von 2,173 Sonnendurchmessern.
„Dies ist der kleinste Winkeldurchmesser eines Sterns, der je gemessen worden ist“, betont Daniel. „Die Beobachtung von Sternbedeckungen durch Asteroiden mit Tscherenkowteleskopen liefert eine zehnmal bessere Auflösung als die Standardmethode bei Sternbedeckungen durch den Mond. Und sie ist mindestens doppelt so scharf wie interferometrische Größenmessungen.“ Die Messungenauigkeit der neuen Methode beträgt nach Angaben der Forscher gegenwärtig rund zehn Prozent. „Wir erwarten, dass sich das durch ein optimiertes Setup deutlich verbessern lässt, etwa indem man die beobachteten Wellenlängen auf einen bestimmten Bereich einschränkt“, sagt Daniel. Da unterschiedliche Wellenlängen unterschiedlich gebeugt würden, verwische das gemessene Beugungsmuster, wenn ein zu breiter Wellenlängenbereich aufgezeichnet würde.
„Unsere Pilotstudie etabliert eine neue Methode, um die Durchmesser von Sternen zu bestimmen“, fasst Hassan zusammen. Laut Aussagen der Forscher müsste es mithilfe geeigneter Teleskope möglich sein, pro Woche mehr als eine Asteroiden-Sternbedeckung beobachten zu können. „Da ein Stern umso kleiner erscheint, je weiter er entfernt ist, bedeutet eine Verbesserung der Winkelauflösung auch eine Erweiterung der Reichweite solcher Beobachtungen“, erläutert der DESY-Forscher. „Wir schätzen, dass sich mit unserer Methode noch Sterne in zehnmal größerer Entfernung analysieren lassen als mit der Mondbedeckungsmethode.“ Die Technik könne damit genug Daten liefern, um eine größere Zahl von Sternen in sogenannten Populationsstudien zu untersuchen.
Die Arbeit der Astronomen wurde im Fachblatt „Nature Astronomy“ veröffentlicht.
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