© Heiko Hellmann/UKJ
Author profile picture

Medikamente, Kosmetika, Chemikalien, Futtermittel, gentechnisch veränderte Lebensmittel, Pflanzenschutzmittel – die Lister der Dinge, die im sogenannten “Tiermodell” getestet werden, ist lang. In der Praxis bedeutet das für die Tiere, von der bekannten Laborratte bis hin zu Hunden und Affen, ein Leben im Käfig und mehr oder weniger ein Leben voller Leid. Immer mehr Projekt widmen sich mittlerweile aber dem Ziel, diese Tierversuche mehr und mehr zu reduzieren. So auch das Universitätsklinikum Jena (UKJ), an dem Forscher als Alternative zu Tierversuchen 3D-Hautinfektionsmodelle entwickeln, an denen die die Wirksamkeit antimikrobieller Wundheilungsprodukte getestet werden können.

“Unser Hautmodell bildet sogar Brandblasen!“, freut sich PD Dr. Cornelia Wiegand. Sie entwickelt im dermatologischen Forschungslabor der Klinik für Hautkrankheiten am UKJ ein dreidimensionales Modell der menschlichen Haut, das sowohl Ober- und Lederhaut vollständig nachbildet als auch zentrale Funktionen des Organs aufweist. Am Ende des Kooperationsprojekt “InVitroWund”, an dem das UKJ gemeinsam mit der Dr. Brill + Partner GmbH in Hamburg arbeitet, soll aus dieser künstlichen Haut ein Hautinfektionsmodell entstehen, so dass antimikrobielle Wundheilungsprodukte ohne die Einbeziehung von Tierversuchen standardisiert getestet werden können. Das Projekt wird vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert.

Tierversuche nicht nur ethisch fragwürdig

Während kleine Wunden dank der Selbstheilungskräfte unseres Körpers in der Regel von alleine heilen, muss bei größeren Verletzungen oder bei chronischen Wunden, die beispielsweise infolge von Venenschwäche und Diabetes oder als Druckgeschwüre entstehen können, nachgeholfen werden. Zudem erschweren lokale Infektionen durch Bakterien die Wundheilung zusätzlich. Aber auch die Heilung “normaler” Verletzungen wird oft durch Wundinfektionen erschwert und dauert länger.

In diesen Fällen kommen Wundspüllösungen oder Verbandmittel mit antimikrobiellen Komponenten zum Einsatz, die ständig weiterentwickelt werden. Bei den vorgeschriebenen, normierten Suspensionsversuche zum Wirksamkeitsnachweis wirken die neuen Präparate in verschiedenen Lösungen auf Testbakterien ein. Aber: “Das geschieht nicht mit klinisch relevanten Konzentrationen und hat natürlich wenig mit einer realitätsnahen Wundsituation zu tun”, erklärt Cornelia Wiegand.

Diese “realitätsnahe Wundsituation” und die Wirksamkeit der Wundheilungsprodukte wird deshalb in einem zweiten Testschritt in Tierversuchen mit Schweinen oder Mäusen erforscht. Dazu müssen den Versuchstieren Verletzungen beigebracht werden, die die Selbstheilungskräfte der Tiere überfordern, aber auch nicht zu schwer sein dürfen. Das ist nicht nur ethisch fragwürdig, sondern stößt auch in der Praxis auf Probleme. Die Tiere lecken die Salben ab oder knabbern die Wundauflagen an. Dadurch werden wiederum mehr Versuche nötig und die Verlässlichkeit der Aussagen wird weiter erschwert.

“Das tut dem Hautmodell ja nicht weh“

Deshalb wollen die Forscher in Jena und Hamburg “eine aussagekräftige Alternative zu den Tierversuchen etablieren”: Mit dem Hautmodell aus Fibroblasten und Keratinozyten, das auf einem Kollagengerüst wächst und sich in einer Nährlösung etwa einen Monat lang regenerieren kann. Die Zellen reagieren dabei auf Kontakt oder Verletzungen, indem sie, genau wie das Originalvorbild, immunrelevante Signalsubstanzen ausschütten. Bei großer Hitzeeinwirkung bilden sich sogar Brandblasen. “Derzeit etablieren wir standardisierte Verbrennungen und Schnittverletzungen, das tut dem Hautmodell ja nicht weh“, so Cornelia Wiegand. Anschließend würden Infektionsversuche “mit definierten Mengen typischer Wundkeime wie Staphylokokken oder Pseudomonaden” durchgeführt. Ziel der Forschung sei es, am Ende in der Kunsthaut “eine Umgebung zu erzeugen, die einer echten Wunde so ähnlich wie möglich ist”.

In der Praxis mit verschiedenen marktüblichen Wundheilungsprodukten erprobt wird das Modell dann im Partnerlabor der Dr. Brill GmbH. Außerdem soll in Hamburg auch das Prüfverfahren optimiert werden. “Das Verfahren soll nicht nur die antimikrobielle Wirksamkeit von Wundheilungspräparaten in standardisierter Weise bewerten können, sondern auch deren Einfluss auf den Wundheilungsprozess erfassen“, so Cornelia Wiegand. „Damit wollen wir eine effektive und gut praktikable Alternative zu Tierversuchen etablieren.“

Titelbild: Als Alternative zu Tierversuchen entwickelt ein Forschungsteam am Uniklinikum Jena 3d-Hautinfektionsmodelle, um die Wirksamkeit antimikrobieller Wundheilungsprodukte zu prüfen. Foto: Heiko Hellmann/UKJ

Auch interessant:
3-D-Druck und Simulationen als Ersatz für Tierversuche
Paradigmenwechsel bei Tierversuchen: Weniger Tiere, verlässlichere Resultate
Weniger Tierversuche und mehr Forschung dank 3D-Druck
Forschung mit 3D-Zellkultursystem anstatt mit Tierversuchen
Skin On A Chip – Forschung ohne Tierversuche