Klappkonstruktion für den Brückenbau (c) TU Wien
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Es ist ein ganz besonderes Ereignis für Professor Johann Kollegger vom Institut für Tragekonstruktionen der TU Wien: Die Brückenbautechnik, die er entwickelte, wurde jetzt erstmals realisiert. Das Revolutionäre an der Klappkonstruktion: man muss kein Gerüst errichten und kann damit Zeit, Geld und Ressourcen sparen.

Es gibt verschiedene Techniken Brücken zu bauen. Aber alle Techniken gehen von einer horizontalen Bauweise aus. Kollegger entwickelte eine Klappkonstruktion, die eine vertikale Bauweise ermöglicht. Vorzustellen wie das Aufspannen eines Regenschirms. Das Patent wurde bereits 2006 angemeldet. Nach ersten Versuchen 2010 ist die Technik jetzt ausgereift und wurde von der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ASFINAG erstmals umgesetzt: Beim Bau der S7 Fürstenfelder Schnellstraße wurde die Klappkonstruktion gleich zweimal eingesetzt. Am 27. Februar erfolgte die Errichtung der zweiten Brücke die mit einer Länge von 116 Metern über den Lafnitz Fluss führt.

Herkömmliche Brückenbautechniken

„Je nach Größe und Standort verwendet man heute ganz unterschiedliche Brückenbautechniken“, erklärt Kollegger.

Wenn die Brücke nicht allzu hoch ist, kann man ein Gerüst bauen, das die Brücke trägt. Eine anderer Ansatz ist es, einen Brückenpfeiler zu errichten und sich von dort aus auf genau ausbalancierte Weise in beide Richtungen voranzuarbeiten. Oder man baut stabile Stahlträger, die dann in waagrechter Position Stück für Stück eingeschoben werden.

Klappkonstruktion spart Zeit und Ressourcen

Das Problem an diesen Brückenbautechniken ist, dass sie sehr zeit- und ressourcenintensiv sind. Insbesondere der Gerüstbau nimmt Monate in Anspruch. Kollegger forschte an einem einfacheren Prinzip und entwickelte eine völlig neuartige Technik: Eine Klappkonstruktion, die sich in zwei bis drei Tagen aufstellen lässt.

Dabei errichtet man Mittelpfeiler aus Beton und montiert an beiden Seiten senkrecht Träger. Die Träger sind oben, über dem Pfeiler durch ein Gelenk miteinander verbunden und können ausgeklappt werden – ähnlich wie ein Regenschirm.

Dieser Klappmechanismus erfolgt über eine hydraulische Anlage, die das Gelenk langsam absenkt und die Träger von der vertikalen in die horizontale Lage bewegt. Dieser Vorgang dauert ungefähr drei Stunden.

Die Träger bestehen aus dünnwandigen Fertigteilen mit Stahlbewehrung und sind zunächst hohl. Erst wenn sie die endgültige Position erreicht haben, werden sie mit Beton ausgegossen.

Gleiche oder bessere Haltbarkeit

Die Haltbarkeit der Klappkonstruktion sei gleich oder sogar besser als bei anderen Brückentechnologien, so Kollegger.

Seit der Patentanmeldung 2006 waren viele Detailfragen zu klären. Von den Metallgelenken, die den Kräften beim Ausklappen standhalten müssen, bis zu den hydraulischen Litzenhebern, mit denen die Konstruktion langsam abgesenkt wird. Aus den Tests habe man viel gelernt, so Kollegger, besonders im Bereich des balanced lowering – der symmetrischen und ausbalancierten Senkung der Träger. Die Umsetzung der Brückenbautechnik durch die ASFINAG habe jetzt bewiesen, dass diese ausgereift ist und bestens funktioniere, erklärt Kollegger.

Verlängerung durch Einhängeträger

Beim Bau der S7 Fürstenfelder Schnellstraße wurden zwei Brücken der neuartigen Klappkonstruktion errichtet. Die Träger der beiden Brücken waren jeweils 36 Meter lang. Das ergibt im aufgeklappten Zustand eine Spannweite von 72 Metern. Jeder Träger wiegt circa 54 Tonnen. Nach dem Aufspannen wurden die Lücken zwischen der Brücke und den Brückenköpfen auf beiden Seiten noch mit Einhängeträgern geschlossen. So konnten die Gesamtlängen von circa 100 Metern (Lahnbachbrücke) und 116 Metern (Lafnitzbrücke) erreicht werden.

Um die nötige Breite für die Schnellstraßen-Fahrbahn zu erreichen, wurden bei jeder der beiden Brücken vier solche Klappkonstruktionen nebeneinander errichtet.

Eignung für schwieriges Gelände

Besonders vorteilhaft sei die Technik, wenn man schwieriges Gelände überbrücken möchte, in das man nicht stark eingreifen möchte. Das war bei der aktuell errichteten Lafnitz-Brücke der Fall, die sich in einem Naturschutzgebiet befindet. Auflage war es, so wenig wie möglich Fläche zu verbauen. Weshalb mit einem Mittelpfeiler und zwei Widerlagern gebaut wurde. Ein Widerlager bezeichnet den Übergang von der Brückenkonstruktion und dem Erddamm – und hilft Fläche zu gewinnen.

Die Brücke ist nur zwei Meter hoch und ergibt dadurch drei Meter mehr Luftraum. Im Vergleich zur Klappkonstruktion wäre eine Stahlbrücke viel höher gewesen. Die Konstruktion bei der 116 Meter langen Brücke über die Lafnitz bestand aus vier Stegen mit jeweils einem Mittelpfeiler und zusätzlich Druckstreben. “Um vom Maß der ausgeklappten Träger (72 Meter) auf die Gesamtlänge von 116 Meter zu kommen, setzten wir Einhängeträger ein. Das sind Fertigteile, die über die Widerlager einzuhängen sind”, erklärt Kollegger.

Ökologisch und ökonomisch

Dadurch konnte viel Material gespart werden – was sich positiv in der in der Umweltbilanz niedergeschlagen hat. In Kosten ausgedrückt konnte im Vergleich zu einer Stahl- oder Spannbetonbrücke 25 Prozent gespart werden. Das haben die Angebote von den Baufirmen bestätigt, so Kollegger.

Die Projektpartner:

Neben dem Auftraggeber, der ASFINAG Bau Management GmbH, und Johann Kollegger (TU Wien und Kollegger GmbH), der für Entwurf und Berechnung zuständig war, waren auch noch einige weitere Projektpartner beteiligt:

Planung: Die Schimetta Consult ZT GmbH;

Prüfingenieur: Öhlinger + Partner Ziviltechniker GmbH;

Örtliche Bauaufsicht : Spirk + Partner;

Ausführende Firma: Kostmann GmbH;

Fertigteile: Franz Oberndorfer GmbH;

Vorspannung und Hebetechnik: KB Vorspann-Technik GmbH;

Unterstützt wurde das Forschungsprojekt von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG), vom Verband Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke, von der ASFINAG Bau Management GmbH und der ÖBB Infrastruktur AG.

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