Ein der Europäischen Südsternwarte (ESO) angeschlossenes internationales Forscherteam hat mit dem Multi Unit Spectroscopic Explorer (MUSE) Instrument am Very Large Telescope (VLT) der ESO wieder einmal beeindruckende Bilder eingefangen. Dieses Mal von einer Region neu gebildeter Sterne in der Großen Magellanschen Wolke (GMW), einer Satellitengalaxie der Milchstraße. Normalerweise sind derartige Bereiche aufgrund der sehr staubigen Umgebung nicht so gut zu sehen, die relativ geringe Staubmenge in der GMW und das scharfe Sehvermögen von MUSE machten es nun aber möglich, sogar kleinste Details der Region im sichtbaren Licht zu erfassen.
Die Große Magellansche Wolke ist hauptsächlich von der südlichen Hemisphäre aus sichtbar und nur rund 160.000 Lichtjahre von der Erde entfernt, also praktisch vor der Haustür. Das Gebiet, das als LHA 120-N 180B – kurz N180 B – bekannt ist, ist eine Art Nebel, die als H II-Region (ausgesprochen „H zwei”) bezeichnet wird und in deren Umgebung neue Sterne entstehen.
H II-Regionen sind interstellare Wolken aus ionisiertem Wasserstoff – den freien Kernen von Wasserstoffatomen. Diese Gebiete werden als Kinderstuben der Sterne bezeichnet und die neu gebildeten massereichen Sterne sind für die lonisierung des umgebenden Gases verantwortlich. N180 B besteht aus einer gigantischen Blase aus ionisiertem Wasserstoff, die von vier kleineren Blasen umgeben ist.
UV-Strahlung von massereichen Sternen
„Solche ‚Blasen‘ entstehen immer wenn neue Sterne gebildet werden, die hell und heiß genug sind, um ihre Umgebung zu ionisieren. Hierfür benötigt man zumindest UV-Strahlung, die von massereichen Sternen abgegeben werden. Massereich bedeutet hier üblicherweise mehr als 8 mal die Masse der Sonne“, erklärt Dr. Markus Nielbock vom Haus der Astronomie in Heidelberg. „Meistens entsteht zunächst eine sehr kleine Hülle aus ionisiertem Gas rund um solch einen neuen Stern, die man ultrakompakte H II-Region nennt.“
Im Laufe der Zeit dehne sich diese Hülle immer weiter aus, bis entsprechend große Blasen entstehen. „Die kann man dann als leuchtende Gasnebel beobachten. Das Leuchten kommt von dem Licht, das die Gasatome aussenden, wenn sie von einem ionisierten zu einem neutralen Atom werden. Wie groß sie werden, hängt von der Intensität und Temperatur des Sterns ab. Oft entstehen mehrere Sterne aus ein und derselben Wolke, so dass sich die Hüllen von mehreren massereichen Sternen vereinigen.“ Solche Blasen seien keinesfalls neu, betont Nielbock. „Man findet sie überall dort, wo solche Sterne entstehen. Das bekannteste Beispiel ist wohl der Orionnebel.“ Daher sei diese Blase aus ionisiertem, leuchtendem Gas auch keine Überraschung gewesen.
Die längsten Jets des Universums
Der Jet, den MUSE tief in der glühenden Wolke entdeckt hat, war für die Wissenschaftler in seiner Klarheit dagegen neu. Ein Jet ist ein massereiches, junges stellares Objekt mit einer Masse, die 12-mal größer ist als unsere Sonne und wird von einem jungen Stern ausgesandt. Dieser, im Bild oben im Detail abgebildete Jet wird Herbig-Haro 1177, kurz HH 1177 genannt und ist der erste Jet, der im sichtbaren Licht außerhalb der Milchstraße beobachtet werden kann. „Theoretisch könnte man aus der Analyse, auch zusammen mit anderen Daten, die Temperatur und die Dichte des Gases sowie das Alter der Sterne bestimmen“, so Nielbock. Das sei aber nicht das besondere bei dieser Arbeit gewesen.
„Tatsächlich neu ist der Umstand, dass man den genannten Jet des jungen Sterns (oder Protosterns) im sichtbaren Licht beobachten konnte. Diese sind nämlich oft, wie erwähnt, hinter Staubschleiern versteckt, so dass man sie nur im Infraroten nachweisen kann“, sagt der Wissenschaftler weiter. „Da es sich hier um einen massereichen Stern handelt, zeigt das, dass offenbar auch massereiche Sterne ähnlich wie die massearmen Sterne wie die Sonne durch die Ansammlung von Materie über einen protostellare Scheibe bilden. Das ist etwas, was bis heute nicht völlig verstanden ist.“
Auf die Wellenlänge kommt es an
Die relativ staubfreie Umgebung der GMW ermöglicht es jedoch, HH 1177 bei sichtbaren Wellenlängen zu beobachten. Mit fast 33 Lichtjahren Länge ist er außerdem einer der längsten Jets, die je beobachtet wurden und gibt einen Einblick in das frühe Leben der Sterne. Der Strahl ist stark gebündelt und weitet sich während seiner Reise auch kaum auf. Derartige Jets sind darüber hinaus mit den Akkretionsscheiben ihres Sterns verbunden und können Aufschluss darüber geben, wie junge Sterne Materie sammeln.
„Solche Jets sind immer ein Hinweis darauf, dass Material über solche Materiescheiben auf ein zentrales, kompaktes Objekt stürzt“, erläutert Nielbock. „Durch die intensiven Prozesse im Zentrum einer solchen Scheibe, werden Jets erzeugt, die ein Teil des Materials wegschleudern. Die Geschwindigkeit des Jets hat man mit dem genannten Instrument MUSE durch den Dopplereffekt messen können. Die Spektrallinien werden durch die Geschwindigkeit zu kürzeren Wellenlängen (Bewegung auf uns zu) und längeren Wellenlängen (Bewegung von uns weg) verschoben.“
Bilder: © ESO
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