Der Betrieb automatisierter Fahrzeuge stellt die Gestaltung des Straßennetzes vor eine neue Herausforderung. Die Fahrzeuge sind auf ideale Straßenbedingungen ausgerichtet. Diese sind in Österreich jedoch nicht flächendeckend gegeben. Eine virtuelle Verkehrssimulation soll helfen, problematische Straßenabschnitte zu identifizieren und bewerten.
Automatisierte Fahrzeuge werden die Zukunft der Mobilität gravierend verändern. Die österreichische Regierung erwartet unter anderem eine erhöhte Verkehrssicherheit, eine verbesserte Verkehrseffizienz und eine Verringerung von Energieverbrauch und Emissionen. Zunächst ist jedoch ein Mischbetrieb zu erwarten. Autonome Fahrzeuge und herkömmliche Verkehrsteilnehmer werden das Straßennetz gemeinsam nutzen.
Anforderungen von automatisierten Fahrzeugen
Bis die automatisierten Fahrzeuge einsatzfähig sind, gilt es, das Straßennetz anzupassen. Der reibungslose Betrieb der Fahrzeuge ist von Leiteinrichtungen, deutlichen Bodenmarkierungen, gut lesbaren Verkehrszeichen und uneingeschränkten Sichtbeziehungen abhängig. Das österreichische Straßennetz umfasst einhunderneunzigtausend Kilometer – eine flächendeckende Anpassung wäre kostspielig.
Ein Forscherteam vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien, ging der Frage nach, welche Infrastruktur automatisierte Fahrzeuge brauchen, um sicher und effizient auf Österreichs Straßen unterwegs sein zu können. Im Fokus des Projekts, das unter dem Titel Via Autonom lief, standen nicht-urbane Straßen, das heißt Autobahnen, Schnellstraßen sowie Freilandstraßen.
Identifizierung der Schwachstellen
In dem Projekt sollten die Schwachstellen der Straßeninfrastruktur identifiziert werden. Zentral waren die Aspekte eines sicheren und effizienten Mischbetriebs und einer Verbesserung der autonomen Fahrfunktionen. Unter autonomen Fahrfunktionen versteht man Aktionen wie Spurplanung, vorausschauender Fahrstil, Pre-Crash-Unterstützung und Erweiterung des elektronischen Horizonts.
Schließlich galt es festzustellen, an welchen Straßenabschnitten gehandelt werden muss, um Risiken hinsichtlich Verkehrssicherheit, Verkehrsfluss und Fahrkomfort zu vermeiden.
Methode der Risikomodellierung
Um kritische Stellen und Streckenabschnitte im Straßennetz zu identifizieren, wurde eine Methode der Risikomodellierung entwickelt. Im Fokus standen Verflechtungsstellen, Baustellen, unübersichtliche Kurven, etcetera. Darauf aufbauend wurden mittels Verkehrssimulations-Methoden Analysen durchgeführt. Analysiert wurden:
- die Wirksamkeit eines vorher definierten Portfolios an Maßnahmen;
- die Verfügbarkeit unterschiedlicher Datenquellen und deren Qualität hinsichtlich Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss;
„Wir haben in der virtuellen Verkehrssimulation anhand von zwei anspruchsvollen Standard-Verkehrssituationen untersucht, was State-of-the-art-Fahrzeugsensoren derzeit überhaupt leisten können.“ erklärt via AUTONOM-Projektleiter Philippe Nitsche vom AIT.
Virtuelle Verkehrssimulation
Das sind die Aufgaben, die das automatisierte Fahrzeug erfüllen musste:
- auf einer T-Kreuzung mit Nachrang links abbiegen;
- sich über einen zweihundert Meter langen Beschleunigungsstreifen in den Autobahnverkehr einreihen;
In der virtuellen Verkehrssimulation ging man von einer straßenverkehrsverordnungs-konformen Fahrweise aus. Dennoch konnte das automatisierte Fahrzeug beide Testsituationen nicht ausreichend gut bewältigen. Das ernüchternde Ergebnis:
- Beim Einreihen auf dem kurzen Beschleunigungsstreifen waren von achthundert Simulationen nur zweiundfünfzig Prozent erfolgreich.
- Beim links Abbiegen an der T-Kreuzung waren von sechshundert Simulationen nur vierzig Prozent erfolgreich.
Verbesserung der Infrastrukturmaßnahmen
In der Verkehrssimulation implementierte Infrastrukturmaßnahmen verbesserten die Leistung der automatisierten Fahrzeuge deutlich. So wurde der Beschleunigungsstreifen verlängert und bei der T-Kreuzung ein Kreuzungsassistent eingebaut.
Verkehrssimulation als Entscheidungsgrundlage
Die Qualität der virtuellen Verkehrssimulation konnte in der Studie bestätigt werden. Das Verfahren eignet sich für die quantitative Evaluierung von Infrastrukturmaßnahmen und deren Auswirkung auf Sicherheit und Verkehrsfluss. Die Tests sind zuverlässig und können als Entscheidungsgrundlage für Investitionen herangezogen werden.
Dynamische Routenplanung
Die Navigation von automatisierten Fahrzeugen ist von dynamischen Daten abhängig. Unter dynamischen Daten versteht man Echtzeit-Informationen über Situationen wie etwa Schneefahrbahn oder Baustelle. Wenn ein selbstständiges Fahren nicht mehr möglich ist, wird die Kontrolle an den Menschen abgegeben oder ein Notstopp eingeleitet. Die Grenzen werden in der Operational Design Domain des Autos festgelegt. Voraussetzung ist jedoch die permanente Verfügbarkeit von Informationen über die Straßensituation. Die Bereitstellung dieser Daten erfordert die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und kommerziellen Datenanbietern.
Ergebnisse des Projektes waren:
- ein Empfehlungskatalog an Infrastrukturmaßnahmen für autonomen Straßenverkehr;
- ein Verfahren zur Identifikation von kritischen Streckenabschnitten im österreichischen Straßennetz;
- eine Konzeptarchitektur zur effizienten Nutzung von Verkehrs-, Fahrzeug- und Infrastrukturdaten sowie digitalen Karten;
Projektpartner:
Das Projekt wurde in Kooperation mit Wirtschaftsbetrieben durchgeführt. Partner waren der EDV-Dienstleister Prisma Solutions, die Verkehrsplaner Rosinak & Partner, das F&E-Zentrum Virtual Vehicle und die Wieser Verkehrssicherheit GmbH.
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