(c) Unsplash - Jelleke Vanooteghem
Author profile picture

Synthetische Textilfarbstoffe werden häufig aus petrochemischen Verbindungen gewonnen, die nicht erneuerbar sind. Wenn sie nicht korrekt verarbeitet werden, tragen sie zusätzlich zur Wasserverschmutzung bei. Obwohl die Entwicklung nachhaltiger Textilfarbstoffe zuletzt große Fortschritte gemacht hat, sind immer noch viele gefährliche Chemikalien in Gebrauch, die auf den RSL- und mRSL-Listen des ZDHC aufgeführt sind. Das liegt daran, dass noch keine ähnlich leistungsfähige, weniger schädliche Alternative gefunden wurde.

Zero Discharge of Hazardous Chemicals (ZDHC) ist ein internationaler Zusammenschluss von Unternehmen und Organisationen, die gemeinsam an der Beseitigung von gefährlichen Chemikalien aus der Textilindustrie arbeiten. 

Warum Schwarz?

Schwarz ist eine der Farben, die am häufigsten zum Färben von Kleidung verwendet werden. Gleichzeitig ist Schwarz auch einer der schädlichsten Textilfarbstoffe für Mensch und Umwelt. Das liegt daran, dass Schwarz eigentlich keine Farbe ist, sondern aus mehreren komplementären Pigmenten wie Blau, Orange, oder Gelb zusammengemischt werden muss. Außerdem gibt es viele verschiedene Herstellungsverfahren für Schwarz – und das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich bedenkliche Inhaltsstoffe einschleichen. Textilien, die in Europa gefärbt werden, unterliegen seit 2007 der EU-Chemikalienverordnung REACH, die die Registrierung der verwendeten Substanzen vorschreibt. Bei Textilien die in die EU importiert werden, herrscht hingegen nach wie vor Intransparenz.

Auch interessant: Wie Baumwolle intelligent wird

Abfallstoffe als Lösung

Um eine für Mensch und Umwelt verträgliche und nachhaltige Lösung zu finden, startet Fashion for Good das Pilotprojekt Black Pigment. Im Forschungskonsortium sind drei Innovatoren und international agierende Partner aus der Modeindustrie: die französische Kering Gruppe, die amerikanische PVH Corp. und die dänische Bestseller Gruppe. Gemeinsam will man Schwarzpigmente aus Abfallstoffen entwickeln, die für das Spinnfärben von zwei Fasertypen geeignet sind: 

  • künstliche Zellulosefasern (man-made cellulosic fibers (MMC));
  • Garne aus recyceltem Polyester (rPET); 

Schwarzpigmente sind eine spezielle Erscheinungsform des Kohlenstoffs, die aus kleinsten Partikeln bestehen und eine hohe Deckkraft haben. Werden diese aus Abfallstoffen wie Industriekohle, Algen und Holz gewonnen, könnten sie synthetische Textilfarbstoffe ersetzen. Darüberhinaus könnten sie eine nachhaltigere Textilproduktion mit geringerer Kohlenstoffbelastung ermöglichen. 

Hohe Deckkraft

Die hohe Deckkraft der Schwarzpigmente ist insofern relevant, als diese bei synthetischen Textilfarben oft nicht gegeben ist. Vor allem synthetische Fasern haben eine geringe Neigung, sich mit  Farbstoffen zu verbinden. Experten sprechen von Farbaffinität

In herkömmlichen Verfahren werden Halogenverbindungen oder Schwermetalle eingesetzt, um eine hohe Farbaffinität zu erreichen. Bei Schwarz ist das zum Beispiel Blei. Aber Schwermetalle sind giftig und belasten das Grundwasser in den Produktionsländern. Zudem gefährden sie die Gesundheit von Textilarbeitern, die diesen in hoher Konzentration ausgesetzt sind. 

Die drei Innovatoren – Graviky LabsLiving Ink und Nature Coatings – kommen aus Amerika und bringen verschiedene Technologien ein: 

Graviky Labs produzieren Farben aus Kohlenstoffemissionen, die aus der Atmosphäre abgesondert werden. 

Living Ink stellt schwarze Pigmente aus Algen her – biobasiert und mit einem negativen Carbon Fußabdruck. 

Nature Coatings wandelt Holzabfälle aus zertifizierten Quellen in hochleistungsfähige schwarze Pigmente – in einem zirkulären Herstellungsverfahren, das kaum Emissionen von CO2 oder anderen Treibhausgasen verursacht. 

Färben ohne Abwasser 

Das Pilotprojekt konzentriert sich auf das Spinnfärben, bei dem die Farbe schon vor dem Spinnen in die Polymermischung eingebracht wird. Abwässer entstehen dabei keine. Dadurch gilt Spinnfärben als ressourcen- und umweltschonender Produktionsprozess für synthetische Textilien. Durch die hohe Deckkraft fällt auch die Farbqualität besser aus als bei synthetischen Textilfarbstoffen. 

Allerdings wurden die Technologien der drei Innovatoren bisher nur für Textildruck eingesetzt.  Bei der Anpassung der Rezepturen an das Spinnfärben werden die drei  Innovatoren von den Fashion for Good-Industriepartnern Birla Cellulose und Paradise Textiles unterstützt. Paradise Textiles ist das Materialforschungs- und Innovationszentrum der Alpine-Gruppe und bringt seine Erfahrung in der Anwendung von avancierten gesamtheitlichen Herstellungsprozessen für nachhaltige und leistungsfähige Stoffe ein. Birla Cellulose trägt mit technischem Know-how in der Produktion von spinndüsengefärbten MMC-Fasern bei. 

Keine gefährlichen Substanzen

Die Zusammensetzung der neuartigen Farbstoffe ist wasserbasiert und enthält keine Stoffe oder Substanzen aus der Restricted Substances List (RSL). Diese bezieht sich auf das Endprodukt und listet Substanzen oder Stoffgruppen auf, die im Endprodukt nur noch eingeschränkt oder gar nicht nachweisbar sein dürfen. Die RSL ist einzuhalten, um die toxikologische Belastung von  Mensch und Umwelt durch Chemikalien zu reduzieren. 

Dabei entsprechen die Pigmente einem der wichtigsten Kriterien bei Textilfarbstoffen: Sie sind farbecht. Ein Aspekt, an dem andere nachhaltige Textilfarbstoffe oft  scheitern. Das heißt, die Schwarzpigmente bleichen in der Sonne nicht aus und werden weder bei hohen noch bei niedrigen Konzentrationen braun oder bronzefarben. Zusätzliches Plus: Die Pigmente eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungen, wie etwa Siebdruck, Rotationsdruck, Beschichtungen, Farben, Harzguss und das Färben von Holz.

Leistungsfähigkeit

Die ersten mit Schwarzpigmenten spinngefärbten MMC-Fasern und rPetGarne werden schon aus der ersten Phase des Pilotprojekts hervorgehen. Das heißt, die Leistung, Farbechtheit, Tragbarkeit und Wirkung aller Lösungen kann schon Mitte 2022 bewertet werden. Im nächsten Schritt werden die Garne und Fasern aus den vielversprechendsten Rezepturen zu Stoffen verarbeitet und in größeren Produktionsläufen getestet. 

Zur Bewertung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse werden die mit Schwarzpigmenten gefärbten Fasern und Garne mit den derzeit in der Industrie verwendeten synthetischen Standardfarbstoffen verglichen. Analysiert werden Farbaffinität, Farb- und Lichtechtheit sowie Zugfestigkeit. 

Nach ersten Erfolgen im Spinnfärben mit Schwarzpigmenten wird das Projekt auf die Textilproduktion ausgedehnt werden. Langfristiges Ziel ist es, diese Technologien im kommerziellen Maßstab in die Wertschöpfungskette zu integrieren.

Auch interessant: Start-up of the Day: Vienna Textile Lab ersetzt synthetische Textilfarbe mit natürlich färbenden Bakterien