Extreme Wettersituationen im Hochgebirge bergen große Gefahren – und fordern die Bergrettung enorm. Technologie kann unterstützend wirken. Jetzt kooperieren Bergrettungen und Forschungsstätten im Grenzgebiet von Österreich/Italien, um Rettungstechnologien und -techniken zu analysieren und optimieren. Experten der Universität Klagenfurt begleiten das Projekt mit Evaluierungen im Bereich Elektromobilität.
Die Bergrettung hat sich über Generationen viel Wissen im Umgang mit den extremen Wetterbedingungen im Hochgebirge angeeignet. Trotzdem gibt es Situationen, in denen menschliche Kraft und vorhandene Technik kaum ausreichen. Zum Beispiel wenn es neblig ist und der Rettungshubschrauber nicht starten kann – oder bei stundenlangem kräftezehrendem Abstieg mit der Trage.
Vier Bergrettungs-Organisationen aus Kärnten, Tirol, Südtirol und Belluno wollen ihr Wissen nun bündeln, um das Optimierungs-Potenzial neuer Technologien für die Bergrettung zu erforschen. Das Projekt läuft unter dem Titel Smart Test of Alpine Rescue Technologies (START) und wird von lokalen Forschungsstätten unterstützt. Neben Optimierungen sollen IT-Anwendungen und –Unterstützungen entwickelt werden, um Menschen in Bergnot besser helfen zu können und die Koordinationsaufgaben zwischen den Bergrettungen besser zu bewältigen, erklärt Gerald Reiner Professor in der Abteilung für Produktionsmanagement und Logistik an der Universität Klagenfurt. Er ist gemeinsam mit seinem Kollegen Christian Wankmüller für die Evaluierung der eingesetzten Elektromobilität und der Techniken verantwortlich.
Evaluierung
Die Wissenschafter starten das Projekt mit einem Fragebogen für die Bergretter. Darin soll ermittelt werden, welches Gerät den größten Nutzen bringt. In einem weiteren Fragebogen werden die Geräte mit dem größten Nutzen von den Bergrettern genauer analysiert.
In die Kategorie Elektromobilität fallen Geräte wie E-Bike, elektronische Trage und unterschiedliche Drohnentypen wie zum Beispiel die Defibrillator-Drohne, erklärt Wankmüller.
E-Bikes sind in E-Parks bereits im Einsatz. Dort werden sie von ärztlichen Ersthelfern genutzt, um die Rettungsaktion zu beschleunigen. Die Informationen für die Rettungskette sollen noch vor Eintreffen der Rettungsmannschaft ermittelt werden.
Bergretter bewegen sich oft stundenlang im unwegsamen Gebiet. Elektronisch zu bedienende Tragen können den Kraftaufwand reduzieren.
Einsatz-Szenario
Anhand der Defibrillator-Drohne erklärt Wankmüller ein Beispiel zur Optimierung von Bergrettungsaktionen:
Die Defibrillator-Drohne ist dem Hubschrauber in zwei entscheidenden Aspekten überlegen:
- ihr Einsatz ist wetterunabhängig;
- sie kann durch eine entsprechende Verteilung im Gebiet schneller als der Hubschrauber am Unfallort sein;
Wankmüller: „Herzinfarkt stellt mit einem Anteil von dreißig Prozent die häufigste Todesursache im Hochgebirge dar. Aus Studien weiß man, dass die Überlebens-Chance nach sechs Minuten sinkt. Der Hubschrauber braucht in entlegene Regionen fünfzehn bis zwanzig Minuten.“
Im Falle eines Herzinfarkts kann der Anrufer das GPS-Signal entweder über eine App mittels Push-Nachricht senden oder das Signal über die Leitstelle tracken lassen.
Bei Defibrillator-Drohnen-Einsätzen gibt es zwei verschiedene Systeme. Der Einsatz der Drohne kann entweder autonom erfolgen oder unter Anleitung eines Arztes, der das Geschehen am Unfallort auf dem Bildschirm mitverfolgt.
Logistische Planung
„Unser Ziel ist die optimale Verteilung der Basis-Stationen im Gebiet. Je weniger Zeit zwischen Notruf und Einsatz des Defibrillators vergeht, desto höher ist die Chance auf Lebensrettung“, erklärt Wankmüller.
Die Logistiker sind auch in die Planung von zwei Pilotgebieten involviert. Diese sollen in Cortina d’Ampezzo und einem noch nicht feststehenden Ort in Kärnten entstehen und den Test neuer Technologien ermöglichen. „Um subjektive Meinungen zu gewinnen, die auch wertvoll sind“, erklärt Wankmüller. In weiterer Folge geht es um die langfristige Implementierung von sinnvollen Technologien.
Synergie-Effekte
Das Projekt läuft noch bis 2020. Die institutionelle Zusammenarbeit soll jedoch langfristig etabliert werden. Ziel ist es, die Ausbildung der Bergretter zu harmonisieren und das grenzüberschreitende Notfalls-Management weiter zu vertiefen.
Leadpartner ist der Österreichischer Bergrettungsdienst Land Tirol. Die Projektpartner sind Südtiroler Berg- und Höhlenrettung, Bergrettungsdienst im Alpenverein Südtirol, Azienda ULSS n.1 Dolomiti, IDM Südtirol, Universität Klagenfurt und Eurac Research. Der Österreichische Bergrettungsdienst Landesorganisation Kärnten ist als assoziierter Partner beteiligt.
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