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Die Software Hotmaps Toolbox ermöglicht die einfache Planung von Heiz- und Kühlenergie in Gebäuden und soll den Ausstieg aus der fossilen Energie unterstützen.

Die Heiz- und Kühlenergie im Wohn- und Industriebereich macht die Hälfte des Energieverbrauchs in der Europäischen Union aus. Das liegt einerseits an energieintensiven Heiz- und Kühlanlagen und andererseits an Wärmeverlusten, die aus alter Bausubstanz mit hoher Wärmedurchlässigkeit entstehen. Der hohe Energieverbrauch ist umso problematischer, als noch immer mehr als 80 Prozent der Wärme und Kälte aus fossilen Brennstoffen erzeugt werden.

Daten und Software

Für den Ausstieg aus der fossilen Heiz- und Kühlenergie bei Gebäuden, brauchen Energiemanager und Verwaltungen umfassende Daten, die bislang auf viele verschiedene Datenbanken verteilt waren. Diese Daten hat jetzt ein von der Europäischen Union gefördertes Forschungskonsortium gesammelt, koordiniert und in der Open Source Software Hotmaps Toolbox frei zugänglich gemacht. Die Technologie basiert auf dem Geoinformationssystem (GIS), das genutzt wurde, um die Informationen zu kartieren. Die Informationen betreffen vor allem Heiz- und Kühlsysteme. Wobei auch das Abwärmepotenzial von Industrieanlagen berücksichtigt wurde. Dieses kann durch Heizsysteme der nächsten Generation genutzt werden.

Funktionen und Kalkulationsmodule

In der Betaversion ist Hotmaps Toolbox bereits online – mit Basisfunktionen zur Kartierung von Heiz- und Kühlenergie in Gebäuden sowie ersten Kalkulationsmodulen. Weitere Funktionen und Kalkulationsmodule sowie die Möglichkeit, den Arbeitsstatus zu laden und zu speichern, sind in der Endversion zu erwarten. Das Projekt endet im Oktober 2020. Dann kann in wenigen Minuten der regionsspezifische Energiebedarf, dessen Deckung mit erneuerbaren Energiequellen sowie die dabei entstehenden Kosten abgerufen werden.

Eine weitere Funktion erlaubt es, die Kosten einer spezifischen Heizung – wie etwa Heizkessel versus Wärmepumpe – in einem definierten Gebiet abzuschätzen. Durch den Vergleich dieser Daten mit Hilfe der Hotmaps Toolbox ist es möglich, die umweltfreundlichsten und kosteneffektivsten Entscheidungen zu treffen.

Gebäudebestandsanalyse

„Die Vollständigkeit der Daten ist für eine genaue Kartierung notwendig,“ sagt Simon Pezzutto vom Institut für Erneuerbare Energie am EURAC Research in Bozen. Er und sein Team haben die Daten gesammelt und koordiniert. Insgesamt sind es mehr als 150.000 Daten, welche die Gebäudebestandsanalyse in den EU-28-Ländern ermöglichen. Neben dem Wohn-, Service- und Industriebereich wurden auch Daten zu Schulen, Krankenhäusern, Hotels und Restaurants erfasst.

Die Gebäudekategorien werden sechs Errichtungszeiträumen zugeordnet: Beginnend bei Vorkriegsbauten und endend bei Bauweisen nach 2010. Gebäude, die bis in die frühen 1960er Jahre errichtet wurden, weisen eine hohe Wärmedurchlässigkeit auf. Später gab es die ersten Vorschreibungen für die Dämmung von Gebäuden, erklärt Pezzutto: „Die Kategorien haben einen bestimmten Sinn, der teilweise durch Gesetze und teilweise durch Gebrauchsdaten gegeben ist.“

Potenzial erneuerbare Energieträger

Die Daten zum Potenzial für erneuerbare Energieträger wurden teilweise regional und teilweise EU-weit auf Hektarebene abgeschätzt. Das Energiepotenzial aus Waldbiomasse, Sonne und Wind konnte EU-übergreifend abgeschätzt werden. Das Energiepotenzial für Siedlungsabfälle, landwirtschaftliche Biomasse etcetera konnte auf regionaler Ebene abgeschätzt werden.

Genauigkeit eines Hektometers

Bei Öffnen der Hotmaps Toolbox zeigt sich eine Europakarte, auf der die einzelnen Länder, Regionen, Städte und Stadtviertel zu identifizieren sind. Nach Eingrenzung des Gebiets können die Informationen zu Heiz- und Kühlenergie in Gebäuden schnell und mit der Genauigkeit eines Hektometers (Fläche von 100 mal 100 Meter) berechnet werden, so Pezzutto. „Zum Beispiel kann die zentrale Positionierung eines Fernwärmewerks bestimmt werden und die Kapazität, die es haben muss, um den Bedarf zu decken.“

Kommunen können die vorhandenen Daten nutzen, aber auch ihre eigenen Daten zum Gebäudebestand hochladen. Wobei sie ihre eigenen Daten nicht teilen müssen.

Die Anwendung der Software wird in einem Tutorial und einem Wikihow vermittelt – beides ist bereits verfügbar. Außerdem werden bereits lokale Schulungen für Verwaltungen, Planer und Interessenvertreter abgehalten.

Fallstudien

Neben den Forschungsinstitutionen sind auch verschiedenen europäische Gemeinden am Projekt beteiligt, die Daten für die ersten Fallstudien geliefert haben. Pezzutto: “Die Datensammlung wurde auf Staatsebene durchgeführt, das heißt, für die Niederlande, Deutschland, Italien, etcetera. Aber in einzelnen Gemeinden kann man sehen, ob auch auf geringer Oberfläche glaubwürdige Daten generierbar sind. Die Ergebnisse haben uns verblüfft, weil die Berechnungen mit den Daten der Hotmaps Toolbox und jenen der Pilotgemeinden nur ungefähr zehn Prozent differieren; und das ist sehr gering. Deshalb sind wir sehr zuversichtlich, dass Hotmaps Toolbox auch für andere Gemeinden glaubwürdige Daten hervorbringt.“

Die Open Source Software Hotmaps Toolbox steht auch anderen Entwicklern offen. Wer zusätzliche Berechnungsmodule oder Datensätze integrieren möchte, ist aufgerufen, sich mit den Forschern in Verbindung zu setzen.

Das Forschungskonsortium:

Die Entwicklung der Software wird im Rahmen des europäischen EnerMaps-Projekts durchgeführt und durch das H2020-Programm finanziert. Projektleiter ist Lukas Kranzl von der Technischen Universität Wien. Die Forschungspartner:

Die Pilotgemeinden:

Aalborg Kommune, Bistrita Municipality, Donostia Sustapena Fomento Sansebastián, Stadt Frankfurt am Main, Kerry County Council, Milton Keynes Counci, Ville de Geneve;

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