Roboter und KI bewegen die Gesellschaft. Das zeigte sich beim Vortrag des bekannten Robotikforschers Sami Haddadin in Wien. Er war am 22. November der Einladung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) gefolgt und sprach vor dem zahlreich erschienen Publikum über die Zukunft des Verhältnisses von Mensch und Maschine.
Die überspitzte Diskurs vermittelt den Eindruck, dass der Mensch bald vom Roboter ersetzt werden würde. Haddadin schien einer verunsicherten Gesellschaft auf diese Kardinalfrage antworten zu wollen – und gab Entwarnung. Sein Mantra: Roboter werden Menschen in physisch oder psychisch anspruchsvollen Tätigkeiten unterstützen, aber sicherlich nicht ersetzen. Gleichzeitig deutete er die Verantwortung von Politik, Forschung und Industrie an.
Unerreichte menschliche Fähigkeiten
Haddadin unterscheidet zwischen körperloser KI und verkörperter KI und bezeichnet Robotik als Paradedisziplin der verkörperten KI. Diese stehe noch ganz am Anfang. Insbesondere die Fähigkeit des menschlichen Hand-Arm-Systems im Wechselspiel mit dem zentralen Nervensystem sei noch unerreicht. Der Roboter besitze bestenfalls die Fertigkeiten eines sehr ungeschickten Kleinkindes. Ein Großteil der Komplexität liege in der vielfältigen Schnittstelle zur Umwelt und vor allem zum Menschen.
Eine Aussage, die Haddadin mit dem Video seiner kleinen Tochter unterlegte, die mehrere Versuche benötigt, um einen Schlüssel ins Türschloss zu bringen. Im Vergleich scheitert der Roboter schon an der Annäherung an das Schloss und fällt um.
Reduziert auf hochtechnisierte Branchen
Noch problematischer sei die Situation beim Roboter für den Haushalt, der vor der Hürde einer mangelnden Spracherkennung stehe. Diese sei jedoch für eine funktionierende intuitive Interaktion grundlegend.
Weshalb der universelle Roboter eher am Arbeitsplatz als im Haushalt zu erwarten sei. Derzeit sei dieser noch eine rein mechanische Positioniermaschine, die hochtechnisierten Branchen wie dem Automobilsektor vorbehalten sei. Neue Einsatzfelder bedürfen neuartiger Systeme für Roboter, die feinfühlig, leistungsfähig, leicht bedienbar, sicher und vor allem erschwinglich sind, so Haddadin.
Roboter mit menschenähnlicher Kinematik
Mittlerweile seien diese neuartigen Systeme für Roboter auch verfügbar – und die Technologie so simpel, dass Laien ins Spiel kommen, die Produkte und Geschäftsideen entwickeln, an die Experten zuvor nicht gedacht haben.
Aber auch der mit einem hochentwickelten Tastsinn ausgestattete Roboter sei nicht mehr als ein lernfähiges und intelligentes Werkzeug für Facharbeiter. Kennzeichnend ist der Arm, der in seiner Nachgiebigkeit, Feinfühligkeit und Agilität einem menschlichen Arm gleichkomme – und dennoch über industrielle Präzision verfügt. Der hochentwickelte Tastsinn befähigt den Roboter auch kollisionsfrei an der Seite des Menschen zu arbeiten – ein Schutzzaun ist nicht mehr notwendig. Die durchgehende Softrobotik ist gewährleistet durch
- integrierte, feinfühlige Drehmomentsensoren in sämtlichen Gelenken;
- eine menschenähnliche Kinematik;
Menschenzentrierte Technologie-Entwicklung
An dieser Stelle betont Haddadin die Bedeutung einer menschenzentrierten Technologie-Entwicklung, die sich von der Grundlagenforschung ausgehend über alle Stufen des Entwicklungszyklus ziehen müsse. Andernfalls drohe die Überforderung der Menschen und damit eine mangelnde Akzeptanz der Technologie. Richtig eingesetzt könne Technologie jedoch zu Chancengleichheit beitragen – und besserer Erfüllung menschlicher Grundbedürfnisse wie medizinischer Versorgung oder Ernährung.
Bevor es dazu komme, müssen allerdings noch rechtliche und ethische Probleme gelöst werden. Hier verweist Haddadin auf den Ansatz Privacy by Design. Dabei geht es nicht nur um den Status Quo der Technik. Vielmehr sind es Aspekte der Datensicherheit, die von Beginn an in Technologie und Systeme einfließen.
Prof. Dr.-Ing. Sami Haddadin ist Direktor der Munich School of Robotics and Machine Intelligence der Technischen Universität München und hat den Lehrstuhl für Robotik und Systemintelligenz inne.
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