The nature-identical COVID-19 virus (c) BOKU Vienna
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Forschende in Wien arbeiten an einem radikal neuen Ansatz für einen Impfstoff gegen COVID-19. Sie wollen die Immunisierung über die Nasenschleimhaut erreichen. Das Forschungsprojekt wird am Institut für Synthetische Bioarchitekturen an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien durchgeführt. Forschungspartner ist das US-amerikanische Biotechnologie-Unternehmen Avalon GloboCare.

Die Idee beruht auf einem molekularen Baukastensystem, das am Department für Nanobiotechnologie an der BOKU Wien entwickelt wurde. Der Baukasten enthält ein bestimmtes Protein, das der inzwischen emeritierte Professor Dr. Uwe B. Sleytr in den 1970er-Jahren entdeckte. Er sah durch das Elektronenmikroskop, dass das Gros der Bakterien eine Oberfläche hat, die von diesem Protein gebildet wird. Sleytr nannte das Protein Surface Layer Protein oder S-Schicht. Es umhüllt die Bakterien mit einer Schutzgitterstruktur, durch welche die Bakterien mit der Umwelt kommunizieren können. Dem Forscher gelang es, das Protein zu extrahieren. Jetzt will er seine Forschung weiter vorantreiben und die kommunikative Fähigkeit der S-Schicht für einen neuartigen Impfstoff nutzen.  

Impfstoff warnt das Immunsystem

Die S-Schicht-Bausteine bilden eine leere Proteinhülle, auf welcher Material des COVID-19-Virus aufgebracht werden kann. So soll ein naturähnliches Virus entstehen, das in Oberfläche und Funktion den COVID-19-Partikeln entspricht, aber keine krankheitsbildende Information enthält. Diesen Effekt vergleicht Sleytr mit einem trojanischen Pferd ohne Krieger. Forschungsziel ist es, mit dem Impfstoff eine Immunantwort auszulösen. Das virusähnliche Nanopartikel soll das Immunsystem warnen, damit dieses auf das böse Virus vorbereitet ist. Wenn das gelänge, dann sei das eine ganz neue Strategie, die Pandemie zu bekämpfen, sagt die Co-Projektleiterin Professor Dr. Eva-Kathrin Ehmoser.

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Die Zusammenarbeit ist interdisziplinär. Ehmoser leitet das Institut für Synthetische Bioarchitekturen an der BOKU Wien. Sie kommt aus den Bereichen Molekular- und Zellbiologie und bringt ihre Forschungserkenntnisse zu den Nervenzellen in der Nasenschleimhaut in das Projekt ein. Das COVID-19 Virus tritt über die Nasenschleimhaut in den menschlichen Körper ein. Neu an dem Ansatz ist, dass der Impfstoff den gleichen Weg nehmen soll. Er soll also nicht injiziert werden, sondern über einen Spray verabreicht werden können. Die Studie werde zeigen, ob das Immunsystem mitspielt, so Ehmoser. Derzeit ist noch unklar, ob das Immunsystem ausreichend aktiviert wird.

„Im Moment ist auch noch unklar, ob Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben, tatsächlich immun sind – und somit wissen wir nicht, ob wir je eine Herdenimmunität erreichen werden.“

Professor Dr. Eva-Kathrin Ehmoser

Ein Vorteil der Methode ist, dass man flexibel auf Genmutationen reagieren kann. Die Oberflächenstruktur kann rasch angepasst werden, indem das Gen geändert wird. Auch sei es eine Methode, mit der man grundsätzlich auf SARS-COVID-ähnliche Pathogene reagieren könne. Der Impfstoff kann also auch gegen andere Krankheitserreger eingesetzt werden, so  Ehmoser: „Das ist Grundlagenforschung, aber mit einem klaren Ziel.“

Das Projekt soll innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Möglichst innerhalb dieser Zeit sollen auch schon die Vorversuche an Zellen und im Tiermodell für die erste klinische Phase erfolgen.

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