© J. Wollenhaupt/HZB
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Die Suche nach den passenden Wirkstoffen für Medikamente und Impfstoffe ist im Allgemeinen mühsam und oft sogar vergeblich. Wissenschaftler auf der Suche nach einem Impfstoff gegen das SARS-CoV-2 Coronavirus und Medikamenten zur Behandlung von COVID-19 könnten nun Hilfe durch eine neue Molekülbibliothek bekommen.

Am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) hat das MX-Team mit der Drug Design Gruppe der Universität Marburg eine neue Substanzbibliothek aufgebaut. Sie umfasst 1.103 organische Moleküle, die als Bausteine von neuen Wirkstoffen – nicht nur gegen COVID-19 – infrage kommen und steht Forschern weltweit zur Verfügung.

Wie ein Schlüssel im Schloss

Medikamente müssen normalerweise an Proteine im Organismus andocken, um zu wirken. Ähnlich wie ein Schlüssel genau in ein Schloss passen muss, muss bei einem Medikament ein Teil des Wirkstoffmoleküls in Vertiefungen oder Hohlräume des Zielproteins passen. Das Team der Abteilung Makromolekulare Kristallographie (MX) am HZB um Dr. Manfred Weiss und die Gruppe Drug-Design um Prof. Dr. Gerhard Klebe der Universität Marburg arbeiten seit Jahren am Aufbau von sogenannten Fragment-Bibliotheken.

Die Fragmentbibliotheken, die das MX-Team gemeinsam mit einer Gruppe der Uni Marburg aufgebaut hat, stehen auch den Nutzern an BESSY II zur Verfügung. Die Grafik zeigt den Ablauf der Untersuchung. © HZB

Diese Bibliotheken bestünden aus kleinen organischen Molekülen (Fragmenten), „mit denen sich die funktionell wichtigen Hohlräume und Vertiefungen auf der Oberfläche von Proteinen ausloten und kartieren lassen“, erklären die Wissenschaftler. „Proteinkristalle werden dafür mit den Fragmenten getränkt und anschließend mit starkem Röntgenlicht analysiert. Dadurch lassen sich 3D-Strukturinformationen mit atomarer Auflösung ermitteln. Unter anderem kann man so herausfinden, wie gut ein bestimmtes Molekülfragment am Zielprotein andockt.“

Erfolgreicher erster Test

Das Design einer solchen „F2X-Universal“- Bibliothek aus 1.103 Verbindungen hat das MX-Team nun publiziert. „Aus dieser Bibliothek wurde eine repräsentative Auswahl von 96 Verbindungen extrahiert, die als F2X-Entry-Screen bezeichnet wird“, sagen die Forscher. „Diese Auswahl ist nun im Zug dieser Publikation erfolgreich durch das MX-Team des HZB an der Röntgenquelle MAX IV in Lund, Schweden und am BESSY II getestet worden.“ Die Teams von HZB und MAX IV hätten in dieser Studie die Effizienz der F2X-Entry-Bibliothek durch Screening der Zielenzyme Endothiapepsin und des Aar2/Rnase-H-Komplexes verifiziert. Als Nächstes wollen die Forscher des MX-Teams die gesamte Universalbibliothek zum Einsatz bringen.

„Für diese Studie haben die Berliner Fragment-Screening-Experten von HZB-BESSY II sehr eng mit dem FragMAX-Projekt-Team von MAX IV zusammen gearbeitet”, sagte Dr. Uwe Müller, vom MX-Team am HZB, der sowohl die drei MX-Beamlines an BESSY II als auch die BioMAX-Beamline an MAX IV mit aufgebaut hat. „Dabei konnten beide Partner ihre eigenen Technologie-Plattformen weiterentwickeln und zur Abbildung der funktionellen Oberflächen verschiedener Proteine einsetzen. Dies ist eine hervorragende Grundlage für zukünftige Kooperationen zwischen MAX IV und dem HZB.“

Der Aufbau dieser Substanzbibliotheken wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und fand im Rahmen des Verbrundforschungsprojekts Frag4Lead statt.

Titelbild: Für die Studie wurde u.a. das Enzym Endothiapepsin (grau) mit Molekülenaus der Fragmentibliothek in Kontakt gebracht. Die Analysen zeigen nun,dass zahlreiche Substanzen (blaue und orange Moleküle) an das Enzym andocken.Jede gefundene Substanz ist einpotentieller Startpunkt für die Entwicklung größerer Moleküle. © J. Wollenhaupt/HZB