© Simon Wüest, Hochschule Luzern
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Menschen, die nach längeren Krankenhausaufenthalten oder längerer Bettlägerigkeit wieder genesen sind, kennen das Problem: Sie müssen erst langsam wieder lernen zu laufen, da die Gelenke nicht mehr wie vor der Krankheit funktionieren. Ähnliches gilt für Astronauten, die längere Zeit in der Schwerelosigkeit im Weltraum verbracht haben. Bei den Gelenkknorpeln können Degenerationserscheinungen auftreten, denn die Knorpelzellen reagieren auf die Schwerkraft.

Um zu untersuchen, wie sich diese sogenannten Chondrozyten in der Schwerelosigkeit verhalten, will der Molekularbiologe Andreas Hammer vom Zero-G-Lab der Goethe-Universität Frankfurt gemeinsam mit Wissenschaftlern der Hochschule Luzern und der ESA bei Parabelflügen in Frankreich Experimente durchführen. Im Fokus stünden bestimmte Membrankanäle der Chondrozyten, “die sich womöglich in Abhängigkeit von mechanischer Belastung öffnen und schließen, um das Signalmolekül Calcium in die Chondrozyten zu lassen”, erklären die Forscher.

Untersuchungen unter verschiedenen Bedingungen

Bei Hammers Experimenten kommt es auf jede Sekunde an, denn bei einem Parabelflug geht das Flugzeug nach einem Steilflug nur für etwa 20 Sekunden in den freien Fall, während denen im Inneren der Maschine Schwerelosigkeit herrscht. Damit auch alles reibungslos klappt, wurden die Experimente bis ins kleinste Detail vorbereitet.

Die Chondrozyten wurden in kleinen Messkammern mit Nährflüssigkeit gezüchtet und werden in der Schwerelosigkeit mit UV-Licht bestrahlt. Durch dieses UV-Licht ändert ein künstlich in die Chondrozyten eingeführtes Protein, je nach der Calciumkonzentration im Inneren der Zelle, seine Farbe. Während der einzelnen Flüge will Hammer Chondrozyten in mehr als 2.300 kleinen Messkammern unter verschiedenen Bedingungen untersuchen.

Herausforderung für Gleichgewichtssinn und Magen

Die Parabelflüge starten vom Flughafen Bordeaux-Mérignac in Frankreich. Pro Flug werden 31 Parabeln geflogen. Da die Parabeln eine große Herausforderung für den Gleichgewichtssinn und den Magen der Menschen im Flugzeug darstellen und diese gleichzeitig auch noch Experimente durchführen müssen, bekommen Teilnehmer in der Regel vorab ein Medikament gegen Übelkeit.

Von den Ergebnissen der Experimente erhoffen sich die Forscher Erkenntnisse über Knorpeldegenerationen sowohl in der Schwerelosigkeit als auch auf der Erde. Diese sollen schließlich auch neue Einsichten in den Krankheitsmechanismus bei Arthrose liefern.

Titelbild: Mit einem solchen Flugzeug des Unternehmens Novespace (hier am Flughafen Paderborn) wird Doktorand Andreas Hammer in der kommenden Woche zu Parabelflügen abheben. Foto: Simon Wüest, Hochschule Luzern