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Graphen gilt seit seiner Entdeckung als Wundermaterial, weil es mehrere herausragende Eigenschaften vereint. Es ist es dünn und leicht bei gleichzeitiger Stabilität und Biegsamkeit und verfügt über eine hohe elektrische Leitfähigkeit. Viele Anwendungen sind schon möglich, viele sind noch zu erforschen. Vielversprechend scheint Graphen auch für die Entwicklung von ‚Tanks’ mit denen man größere Mengen Wasserstoff speichern kann. 

Wasserstoff speichern

Graphen ist eine Modifikation des Kohlenstoffs und hat eine zweidimensionale Struktur. Auf seinen Oberflächen kann man Wasserstoffatome zwischenlagern und sie dann für verschiedene Prozesse weiterverwenden. Um möglichst große Mengen an Wasserstoff speichern zu können, braucht es allerdings große Oberflächen. Denn erst wenn sich möglichst viel aktive Oberfläche in einem begrenzten Volumen befindet, können die Eigenschaften der Graphen-Schicht optimal genützt werden.

Dreidimensionale Anordnung

Um viel Oberfläche in kompakter Form zu erhalten, muss man Graphen allerdings von einer üblichen zweidimensionalen Anordnung auf einer Substratoberfläche in eine dreidimensionale Struktur einbringen. Eine Herausforderung, vor der Dr. Stefan Heun am Istituto Nanoscienze des Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) in Pisa stand. Denn um wirtschaftliche Relevanz zu erreichen, sollte ein ‘Tank’ mindestens fünf Kilogramm Wasserstoff speichern können. Dabei sollte dieser ein Gewicht von 100 Kilogramm und ein Volumen von 100 Liter nicht überschreiten. Will man eine derartige Menge an Wasserstoff  speichern, werden mehr als zehn km2 Graphen benötigt. Eine dreidimensionale Anordnung von Graphen ist also unumgänglich.

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Poröse Struktur

Die entsprechende Expertise fand er am Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme an der TU Wien. Hier forscht die Gruppe von Professor Ulrich Schmid schon seit Jahren an Verfahren, die es ermöglichen, in dichte Materialien auf kontrollierte Weise extrem feine, poröse Strukturen zu integrieren. Denn mit einer gezielten Steuerung der Porosität lassen sich viele verschiedene Materialeigenschaften in einem weiten Bereich beeinflussen. Dabei gelang es der Forschungsgruppe einen elektrochemischen Prozess zu entwickeln, der es ermöglicht, winzig kleine Löcher und Kanälchen in bestimmte Materialien, wie zum Beispiel dem Halbleiter Siliziumcarbid zu ätzen. Das Verfahren besteht aus mehreren Schritten, in denen ganz bestimmte Lösungsmittel, elektrischer Strom und UV-Bestrahlung eingesetzt werden.

Wasserstoff speichern, Graphen, TU Wien
(c) TU Wien

 Foto: Die Vorbereitungskammer des Elektronenmikroskops, in der das Graphen hergestellt wird.

Gezielte Funktionalisierung

Was die Anwendung dieses Verfahrens in Bezug auf die Wasserstoffspeicherung bedeutet, erklärt Dr. Stefano Veronesi, Mitarbeiter in der Forschungsgruppe von Dr. Heun am Istituto Nanoscienze: “Graphen kann molekularen sowie elementaren Wasserstoff an der Oberfläche binden (speichern). Bei Raumtemperatur bindet jedoch nur elementarer Wasserstoff sehr gut an Graphen. Molekularer Wasserstoff geht hingegen nur eine sehr schwache Bindung mit der Graphen-Oberfläche ein. Durch gezielte Funktionalisierung („grafting“) der Graphen-Oberfläche lässt sich die ‚Speicher’-Fähigkeit der Graphen-Oberfläche auch bei Raumtemperatur deutlich erhöhen. Wieviel Wasserstoff gespeichert werden kann, wird durch die vorhandene Graphen-Oberfläche bestimmt – je mehr Graphen, umso mehr Wasserstoff kann gespeichert werden.“

Forschungsziel

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten um Graphen zu erzeigen. Im Forschungskonsortium mit dem Istituto Nanoscienze und der Universität Antwerpen arbeitete das Team von der TU Wien mit Siliziumcarbid (SiC) – einem Kristall aus Silizium und Kohlenstoff. Forschungsziel war es, zu zeigendass man das zwei-dimensionale Material Graphen auf einem drei-dimensionalen Untergrund erzeugen kann. Dazu wurde Silizumcarbid gezielt porös gemacht und dessen Oberfläche anschließend in Graphen umgewandelt. 

Siliziumcarbid

Erhitzt man die Oberfläche von Siliziumcarbid bei hohen Temperaturen und ultraniedrigem Umgebungsdruck, dann verdampft das Silizium und der Kohlenstoff bleibt übrig. Um anschließend eine Graphen-Schicht auf einer 3D-Oberfläche zu erhalten, entwickelten die Forscher einen elektrochemischen Ätzprozess, der aus dem soliden Siliziumcarbid die gewünschte poröse Nanostruktur macht. Bei diesem Prozess werden ungefähr 42 Prozent des Volumens entfernt. Die verbleibende Nanostruktur wurde dann von den Forschern in Pisa in Hochvakuum erhitzt, um an der Oberfläche die Bildung von Graphen auszulösen. 

Wasserstoff speichern, Graphen
Graphen in dreidimensionaler Anordnung (c) TU Wien

Foto: Im Bild rechts findet sich eine schematische Darstellung der Struktur. Die gelben Bereiche zeigen die poröse Struktur. Die schwarzen hexagonalen Gitter zeigen die Ausbildung von Graphen an der Oberfläche der porösen Struktur. 

Erkenntnis

Der Erfolg des Experiments wurde von den Experten vom Institut für Electron Microscopy for Material Science (EMAT) an der Universität Antwerpen untersucht. Dort zeigte sich, dass sich auf der kompliziert geformten Oberfläche der 3D-Nanostruktur tatsächlich eine Vielzahl von Graphen-Abschnitten gebildet hatte. Somit konnte der Beweis erbracht werden, dass Graphen auch in einer 3D-Struktur erzeugt werden kann. Diese Erkenntnis ist wegweisend für die Entwicklung eines Wasserstoff-‚Tanks’, der in der Lage ist, wenige Kilogramm Wasserstoff bei geringem Druck und bei Raumtemperatur zu speichern. Funktionalisiertes Graphen sei für diese Anwendung äußerst vielversprechend, so Professor Schmid. 

Chemische Sensoren

Ein weiteres Anwendungsfeld für große Graphen-Oberflächen sind chemische Sensoren, mit denen etwa seltene Inhaltsstoffe von Gasen nachgewiesen werden können. “Wenn Gasmoleküle an der Oberfläche von Graphen-basierten Gas-Sensoren andocken, dann detektieren diese die Veränderungen in der elektrischen Leitfähigkeit der Graphen-Schicht. Abhängig vom Gasmolekül gibt dieses dann entweder Elektronen an die Graphen-Schicht ab (Donator) oder es nimmt Elektronen aus der Graphen-Schicht auf (Akzeptor). Dieser Austausch von Elektronen verändert die Leitfähigkeit der Graphenschicht. Aufgrund der ultra-dünnen Graphen-Schicht ist dieses Messprinzip äußerst sensitiv und ermöglicht die Detektion einzelner Moleküle, erklärt Dr. Georg Pfusterschmied, Mitarbeiter in Professor Schmids Forschungsgruppe und Co-Autor der Studie.

Anwendung finden Gas-Sensoren in verschiedenen Branchen. Beispiele dafür sind Brandmeldung, Leckage-Ortung, Emissionsmessung, Detektion von Kampfstoffen wie Sprengstoff oder Giftgas sowie Luftgütebestimmung in Innenräumen.

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Zur Publikation: 

S. Veronesi et al., 3D arrangement of epitaxial graphene conformally grown on porousified crystalline SiC, Carbon 189, 210 (2022). https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S000862232101201X?via%3Dihub