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Wissenschaftlern der TU Wien gelang ein neues Kunststück: Sie entwickelten eine Methode, mit der sie bestimmte Materialschichten präzise perforieren und andere völlig unangetastet lassen können. Nur Kunst? Nein: Sie könnte zur Produktion von Datenspeichern interessant sein.

Eigentlich klar: Man kann keine Pistolenkugel durch eine Banane schießen, dabei die Schale durchlöchern und die Banane unbeschädigt lassen. Doch auf Ebene von ultradünnen atomaren Schichten ist dies nun möglich. Das bewiesen kürzlich Wissenschaftler der TU Wien. Sie entwickelten eine Nano-Strukturierungs-Methode, mit der sie eine Materialschicht präzise perforieren und die andere Schicht, völlig unangetastet lassen können, obwohl das „Projektil“ alle Schichten durchdringt.

Möglich wird das mit Hilfe hochgeladener Ionen. Mit ihnen kann man die Oberflächen neuartiger, ultradünner 2D-Materialsysteme gezielt bearbeiten. So können bestimmte Metalle, die dann als Katalysatoren dienen, auf ihnen verankert werden. „Wir untersuchten eine Kombination aus Graphen und Molybdän-Disulfid,“ beschreibt Dr. Janine Schwestka vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien und Erstautorin der aktuellen Publikation das neue Kunststück, „die beiden Materialschichten werden in Kontakt gebracht und haften dann durch schwache van der Waals-Kräfte aneinander.“

Ultradünnen Schichten

Dazu muss man wissen: Materialien, die aus mehreren ultradünnen Schichten zusammengesetzt sind, gelten als großes Hoffnungsgebiet der Materialforschung. Seit das Hochleistungsmaterial Graphen − das nur aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen besteht −, erstmals hergestellt wurde, werden immer wieder neue Dünnschicht-Materialien entwickelt. Und diese haben oft vielversprechende neue Eigenschaften inne.

Hinzu kommt: Für bestimmte Anwendungen möchte man die Geometrie des Materials auf einer Skala von Nanometern gezielt bearbeiten – etwa um danach durch zusätzlich aufgebrachte Atomsorten die chemischen Eigenschaften zu verändern. Oder auch um die optischen Eigenschaften der Oberfläche zu kontrollieren. „Dafür gibt es unterschiedliche Methoden“, erklärt Janine Schwestka, „man kann die Oberflächen mit einem Elektronenstrahl verändern oder auch mit einem herkömmlichen Ionenstrahl. Bei einem Zweischicht-System hat man jedoch immer das Problem, dass der Strahl beide Schichten gleichzeitig verändert, auch wenn man eigentlich nur eine davon bearbeiten möchte.“

Zwei Sorten Energie

Wird eine Oberfläche mit einem Ionenstrahl bearbeitet, verändert normalerweise die Wucht des Aufpralls der Ionen das Material. An der TU Wien hingegen verwendete man relativ langsame Ionen, die dafür aber gleich mehrfach elektrisch geladen waren. „Man muss hier zwei unterschiedliche Formen von Energie unterscheiden“, erklärt Prof. Richard Wilhelm, der übrigens 2019 für den Aufbau der ersten ultraschnellen Ionenquelle der Welt mit dem START-Preis des FWF ausgezeichnet wurde. „Einerseits die kinetische Energie, die von der Geschwindigkeit abhängt, mit der die Ionen auf der Oberfläche einschlagen. Andererseits aber auch die potenzielle Energie, die durch die elektrische Ladung der Ionen bestimmt wird. Bei herkömmlichen Methoden war die kinetische Energie entscheidend, uns hingegen ist die potenzielle Energie besonders wichtig.“

Der wesentliche Unterschied: Während die kinetische Energie beim Durchdringen des Schichtsystems in beiden Materialschichten abgegeben wird, kann die potenzielle Energie sehr ungleich auf die Schichten verteilt werden: „Das Molybdän-Disulfid reagiert sehr stark auf die hochgeladenen Ionen“, sagt Richard Wilhelm. „Ein einzelnes Ion, das auf dieser Schicht eintrifft, kann dutzende oder hunderte Atome aus der Schicht entfernen. Zurück bleibt ein Loch, das man unter dem Elektronenmikroskop sehr gut sehen kann.“ Die Graphenschicht hingegen, auf die das Projektil unmittelbar danach trifft, bleibt unversehrt: Der Großteil der Potentialenergie ist dann bereits abgeben worden.

Neue Datenspeicher denkbar

Schwestka beschreibt auch schon mögliche Anwendungsbereiche: „Graphen ist ein sehr guter Leiter, Molybdän-Disulfid ist ein Halbleiter, die Kombination könnte etwa zur Herstellung neuartiger Datenspeicher interessant sein.“

Dasselbe Experiment kann man übrigens auch umkehren, sodass das hochgeladene Ion zuerst auf das Graphen und dann erst auf die Molybdän-Disulfid-Schicht trifft. In diesem Fall bleiben beide Schichten unversehrt: Das Graphen liefert dem Ion in winzigen Sekundenbruchteilen die nötigen Elektronen, um es elektrisch zu neutralisieren. Die Beweglichkeit der Elektronen im Graphen ist dabei derart hoch, dass auch der Einschlagsort sofort „abkühlt“. Das Ion durchquert die Graphenschicht, ohne eine bleibende Spur zu hinterlassen. Danach kann es auch in der Molybdän-Disulfid-Schicht keinen großen Schaden mehr anrichten.

„Das liefert uns nun eine wunderbare neue Methode, Oberflächen gezielt zu manipulieren“, sagt Richard Wilhelm. „Wir können die Oberfläche mit Nano-Poren in die Oberflächen versehen, ohne das Trägermaterial darunter zu verletzen. Somit können wir geometrische Strukturen erzeugen, die bisher unmöglich waren.“ Man könnte auf diese Weise „Masken“ aus genau nach Wunsch perforiertem Molybdän-Disulfid herstellen, auf dem sich dann genau in den Löchern bestimmte Metallatome einlagern. Für die Kontrolle der chemischen, elektronischen und optischen Eigenschaften der Oberfläche ergeben sich dadurch völlig neue Möglichkeiten.

Die neue Methode wurde kürzlich im Fachjournal „ACS Nano“ publiziert.