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Entgegen dem Sprichwort „the sky is the limit“, scheint der Himmel schon seit einiger Zeit ganz und gar nicht mehr das Limit zu sein. Es vergeht gefühlt kaum ein Tag, ohne dass Wissenschaftler neue Phänomene, Sterne oder Galaxien entdecken, von deren Existenz bisher niemand wusste. Dank immer besserer und genauerer Instrumente, die immer weiter „sehen“ können, sind auch Galaxien, die Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind, nicht mehr außer Reichweite.

Ein internationales Team von mehr als 200 Astronomen aus 18 Ländern hat nun mithilfe von Daten des europäisches Netzwerks von Radioteleskopen, LOFAR („Low Frequency Array”), eine neue Himmelskarte veröffentlicht. Diese enthüllt Hunderttausende bisher unbekannter Galaxien und wirft ein ganz neues Licht auf Forschungsgebiete wie Schwarze Löcher, interstellare Magnetfelder und Galaxienhaufen. LOFAR gilt als das weltweit führende Teleskop seiner Art und arbeitet in den bisher weitgehend unerforschten Frequenzbereichen zwischen etwa 10 bis 80 MHz und 110 bis 240 MHz.

„Diese Himmelskarte ermöglicht eine unglaubliche Zahl von wissenschaftlichen Entdeckungen von bleibendem Wert. Der hohe Aufwand und die eingegangenen Risiken bei der Entwicklung von LOFAR werden durch diese Ergebnisse reichlich belohnt”, sagt Dr. Carole Jackson, Generaldirektorin von der Forschungseinrichtung ASTRON in den Niederlanden, die LOFAR steuert. In Deutschland befinden sich sechs, von verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen betriebene, Messstationen. Eine davon liegt südöstlich vom Forschungszentrum Jülich und wird vom Forschungszentrum und der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam betreut.

Die neue Himmelskarte

Zahlreiche der auf der neuen Himmelskarte abgebildeten Galaxien waren bisher unbekannt, da sie extrem weit entfernt sind und ihre Radiosignale Milliarden von Lichtjahren zurücklegen müssen, um die Erde zu erreichen. Radiowellen ermöglichen es, kosmische Phänomene zu erforschen, die jenseits des für den Menschen sichtbaren Wellenlängenbereich liegen. Wie groß die Entfernungen tatsächlich sind, kann man aktuell trotzdem noch nicht sagen.

„Die Entfernungen sind noch nicht bestimmt und werden jetzt erst in Folgeprojekten gemessen“, sagt Prof. Dr. Ralf-Juergen Dettmar vom Lehrstuhl für Astronomie an der Ruhr Universität Bochum. „Typisch aber ist, dass die meisten dieser Objekte so weit entfernt sind, dass das Licht 10-11 Milliarden Jahre gebraucht hat, um zu uns zu kommen.“

Eine neue Sicht auf das Universum: Das Bild zeigt das Galaxiencluster Abell 1314. In Grautönen ist ein Stück vom Himmel zu sehen, wie wir ihn im sichtbaren Licht wahrnehmen. Die orangefarbenen Farbtöne zeigen die radioemittierende Strahlung im gleichen Teil des Himmels. Das Radiobild sieht gänzlich verschieden aus und ändert unsere Annahmen darüber, wie Galaxien entstehen und sich entwickeln. Diese Objekte befinden sich in einer Entfernung von etwa 460 Millionen Lichtjahren von der Erde. In der Mitte jeder Galaxie befindet sich ein schwarzes Loch. Fällt Materie in die schwarzen Löcher, wird eine gigantische Menge an Energie freigesetzt und Elektronen werden wie ein Wasserstrahl ausgestoßen. Diese beschleunigten Elektronen erzeugen eine Radioemission, die sich über riesige Entfernungen erstrecken kann und bei optischen Wellenlängen nicht sichtbar ist. ©: Rafaël Mostert/LOFAR Surveys Team/Sloan Digital Sky Survey DR13

Schwarze Löcher

Die neuen Entdeckungen durch LOFAR helfen den Wissenschaftlern auch, einigen Rätseln auf den Grund zu gehen, die es um Schwarze Löcher gibt, die Millionen Mal schwerer sind als die Sonne. „Mit LOFAR wollen wir herausfinden, welchen Einfluss die Schwarzen Löcher auf die Galaxien haben, in denen sie sitzen”, sagt Prof. Dr. Marcus Brüggen, Astrophysiker von der Universität Hamburg. Nicht zuletzt, ist es auch noch immer unklar, woher sie überhaupt kommen.

Weiterhin konnten die Wissenschaftler zeigen, dass Schwarze Löcher ständig wachsen und, dass in jeder riesigen Galaxie Jets vorhanden sind. Diese Jets entstehen, wenn Gas auf Schwarze Löcher fällt und sie Materialstrahlen ausstoßen, die bei Radiowellenlängen sichtbar sind. Mit Jets wie dem vor Kurzem von MUSE entdeckten Herbig-Haro 1177 haben diese jetzt entdeckten Jets aber wenig gemeinsam. „Physikalisch sind es schon grundsätzlich andere Phänomene: in den Jets von jungen Sternen wird Gas beschleunigt und ausgeschleudert, im Fall der supermassiven schwarzen Löcher sind es sogenannte relativistische Plasmen: auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte Elementarteilchen gemeinsam mit einem großskaligen Magnetfeld“, erklärt Professor Dettmar.

„Auch energetisch sind es völlig unterschiedliche Skalen, die Energie in den Jets von supermassiven schwarzen Löchern sind viele Größenordnungen höher“, sagt er weiter. „Das macht sich dann z.B. in der Länge dieser Jets bemerkbar. Die Länge stellarer Jets misst man in Bruchteilen von Lichtjahren bis zu Lichtjahren, die Jets von den schwarzen Löchern in Galaxien sind bis zu Millionen von Lichtjahren lang. Gemeinsam ist den beiden Phänomenen aber, dass die Drehbewegung der einfallenden Materie in einen Ausfluss über den Polen umgelenkt wird.“

Magnetfelder

Forscher aus Deutschland haben mit der Radiostrahlung, die LOFAR empfängt, auch die Magnetfelder innerhalb von Galaxien und zwischen diesen vermessen und nachgewiesen. Dabei wurde deutlich, dass sich zwischen Galaxien „enorme magnetische Strukturen“ befinden, wobei „enorm“ in diesem Fall allerdings relativ ist. „Typische Magnetfeldstärken, die wir in Galaxien messen, sind 100.000 mal kleiner als im Erdmagnetfeld“, stellt Dettmar klar. „Wirksam werden diese aber durch die großen Entfernungen im interstellaren und intergalaktischen Raum.“ Bisher hatte man lediglich vermutet, dass es solche Strukturen gibt, es gab aber keine Beweise dafür.

Galaxienhaufen

Wenn zwei Galaxienhaufen verschmelzen, werden Radioemissionen ‒ sogenannte Radiohalos ‒ mit einer Größe von Millionen von Lichtjahren erzeugt. „Radiohalos werden von extrem schnellen Elementarteilchen hervorgerufen“, erläutert Dr. Amanda Wilber von der Sternwarte der Universität Hamburg. „Mit LOFAR können wir erforschen, welche kosmischen Beschleuniger diese Teilchen erzeugen und was diese antreibt.“ Dr. Matthias Hoeft von der Thüringer Landessternwarte Tautenburg fügt hinzu: “Wenn Galaxienhaufen verschmelzen, entstehen riesige Stoßwellen. Mit LOFAR können wir deren Radioemission aufspüren und lernen dadurch viel über das Gas am Rand der gigantischen Galaxienhaufen.”

Gemeinschaftsprojekt

Um Radiohimmelskarten mit niedriger Frequenz zu erstellen, müssen Unmengen von Daten verarbeitet und analysiert werden, laut Prof. Dr. Dominik Schwarz von der Universität Bielefeld „das Äquivalent von zehn Millionen DVDs“. Das ist natürlich nur mit einem sehr großen Team und viel Einsatz überhaupt machbar.

Die nahegelegene Spiralgalaxie M106 in einem optischen Bild, mit LOFAR-Radioemission überlagert. Die hellen Funkstrukturen im Zentrum der Galaxie sind keine echten Spiralarme, sondern vermutlich auf die Aktivität aus dem zentralen supermassiven Schwarzen Loch der Galaxie zurückzuführen. ©: Cyril Tasse/LOFAR Surveys Team

„Wir haben in Deutschland mit dem Forschungszentrum Jülich zusammengearbeitet, um die riesigen Datenmengen effizient in qualitativ hochwertige Bilder umzuwandeln“, sagt Prof. Dettmar. „Diese Bilder sind nun öffentlich und werden Astronominnen und Astronomen die Möglichkeit geben, die Entwicklung von Galaxien in bisher unerreichter Detailgenauigkeit zu untersuchen.“

Im Forschungszentrum Jülich sind mehr als 15 Petabyte an LOFAR-Daten gespeichert. „Dies ist fast die Hälfte aller LOFAR-Daten, eine der größten astronomischen Datensammlung der Welt. Die Verarbeitung dieser gigantischen Datensätze stellt eine große Herausforderung dar“, sagt Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert, Institutsleiter vom Jülich Supercomputing Centre. „Jülich ist eins der drei Datenzentren des LOFAR-Projekts. Was normalerweise auf herkömmlichen Computern Jahrhunderte gebraucht hätte, konnte durch die Verwendung von innovativen Algorithmen und extrem leistungsfähiger Computer auf ein Jahr reduziert werden.”

Nächste Schritte

Die ersten 26 veröffentlichten Forschungsarbeiten der „LOFAR Surveys” sind ein einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift „Astronomy and Astrophysics“ zu finden. Als nächstes wollen die Wissenschaftler die gesamte nördliche Himmelskugel kartieren und erwarten schließlich rund 15 Millionen Radioquellen zu finden.

Titelbild: Die Radiogalaxie 3C31, die von Heesen et al (2018) mit LOFAR beobachtet wurde, ist rot über einem optischen Bild dargestellt. LOFAR konnte zeigen, dass die Radiogalaxie mehr als 3 Millionen Lichtjahre groß ist. ©: Volker Heesen/LOFAR-Surveys-Team

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