Manchmal gibt es auch unter den Mitarbeitern von Innovation Origins Meinungsverschiedenheiten. Hier die Antwort auf den Kommentar von Floris Beemster.
Wer über Deutschland spricht, kritisiert schnell. Das Land sei innovationslos. Wir hinken bei der Digitalisierung, dem 5G-Ausbau, der flächenübergreifenden WLAN-Abdeckung und, und, und hinterher. Zudem lassen wir uns beim Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektroautos Zeit. Andere Länder, wie etwa die Niederlande sind viel schneller, innovativer, überziehen, das Land mit einem Meer an Ladestationen. Und überhaupt, ist alles viel besser. Deutschland, dagegen, ein Land mit knapp 83 Millionen Einwohnern wird oft als manövrierunfähiger Riese in Europa dargestellt.
Die Tücken der Zahlen
Und ja, es stimmt. Die Niederlande sind schnell. Schnell dabei, das Land mit Ladestationen zu bepflastern. Knapp 44.000 Stück sind es bereits. Das reicht locker, um die knapp 17 Millionen Einwohner mit E-Autos zu bestücken. Demnach könnte jeder Niederländer mindestens zwei Elektroautos sein Eigen nennen. Klingt gut, oder? Der Trend geht ja eindeutig hin zum Zweitwagen …
Allerdings, wer sich anschaut, wie in den Niederlanden Strom erzeugt wird, kommt schnell ins Grübeln. Nur 7,4 Prozent der Stromerzeugung in unserem Nachbarland stammt aus erneuerbaren Ressourcen. Gepaart mit Elektromobilität gerät das Bild des innovativen Landes schnell ins Wanken. Elektromobilität ja – doch um welchen Preis? In Deutschland dagegen beläuft sich der Stromanteil aus erneuerbaren Ressourcen auf 46,7 Prozent. Nicht schlecht, für ein Land, das als innovationslos verschrieen wird.
Mobil in der Stadt
Apropos Elektromobilität. Während E-Scooter inzwischen auch in Deutschland verfügbar sind – wir waren zwar nicht die Ersten, aber immerhin – kann man sie in den Niederlanden noch immer suchen. Da heißt es, entweder zu Fuß unterwegs sein oder rauf aufs Rad. Aber was Sharing-Angebote angeht, stehen sich beide Länder gefühlt in nichts nach. Ausleihen lässt sich, was Spaß macht und Nutzen bringt – vom E-Auto bis hin zum E-Bike. All die anderen herkömmlichen vier- und zweirädrigen Vehikel sind in den Städten ebenfalls leihweise zu haben. Prima. Nur hat sich dadurch das Verkehrsaufkommen in beiden Ländern verringert?
Bezahlen in Deutschland
Wie viele Bezahlmöglichkeiten brauchen wir eigentlich? Apple Pay, Google Pay, Samsung Pay, also Bezahlen per App, Debit- und Kreditkarte oder bar. Hinzu kommen noch die vielen Online-Bezahlmethoden: Paypal, per Rechnung, Vorauskasse, Ratenzahlung und so weiter. Die Auswahl sollte doch für jeden auch in Deutschland reichen? Kritiker werden sagen: „Ja, aber in manchen Restaurants wird nur Bargeld akzeptiert.“ Stimmt, das ist richtig. Das ist aber eben genauso wie beispielsweise im innovativen Schweden: Da wird in manchen Restaurants kein Bargeld mehr akzeptiert. Das könnte auch den einen oder anderen nerven.
Sperrige Regierung
Wer in Deutschland mit mittelständischen Unternehmen spricht, wird schnell feststellen, dass diese alles andere als glücklich über den mangelnden Ausbau der Infrastruktur sind. Zu langsam geht es vielen voran. Das ist eine unumstößliche Tatsache. Ja, hier wurde zu lange (auf was auch immer) gewartet. Ähnlich verhält es sich beispielsweise in der Automobilindustrie. Entwicklungen wurden verschlafen – andere Nationen reagierten früher. Nun herrscht in der Branche operative Hektik. Besser spät als nie. Doch schon ereilt Deutschland ein sich eintrübendes Wirtschaftsklima. Ist der Anflug von Innovation schon wieder dahin?
Agile Start-up-Branche
Mitnichten. In Berlin, München, Frankfurt, Stuttgart, Leipzig und vielen weiteren Städten zeigen umtriebige Start-ups wo der Hammer hängt. Nicht umsonst bezieht der Fraktionsvorsitzende der liberalen Regierungspartei der Niederlande, Rob Jetten, seine Inspirationen aus der deutschen Hauptstadt und erhofft sich für die Zukunft ein „Berlin am Rhein”.
Die Ideenschmieden liefern nicht nur zukunftsfähige, hochtechnologisierte Lösungen für die Welt von morgen. Vielmehr beißen sie sich zielstrebig durch den deutschen Regulatorien-Dschungel erfolgreich durch. Andere Jungunternehmer lassen sich viel eher entmutigen und geben auf. Start-up-Awards in Deutschland boomen wie Investoren-Veranstaltungen oder entsprechende TV-Formate. Tendenz steigend. Die Start-up-Branche zeigt, dass es in Deutschland nicht an Ideen und deren Umsetzung mangelt.
Und was ist mit dem Mittelstand?
Kritiker könnten nun behaupten: Verglichen mit der Unternehmensdichte in Deutschland mache die Gründerszene nur einen geringen Anteil aus. Aber auch der Mittelstand schläft nicht. Viele Unternehmen halten Ausschau nach neuen Ideen, setzen auf Digitalisierung und entwickeln vielversprechende Lösungen. Nicht umsonst ist Deutschland seit Jahren Exportweltmeister. Offensichtlich gibt es viele Interessenten auf der Welt, die deutsches Know-how und Produkte schätzen. Wie könnte es sonst sein, dass Deutschland laut Ifo-Institut Anfang dieses Jahres zum dritten Mal in Folge weltweit den größten Leistungsüberschuss erzielt hat.
Es gibt viel zu tun
Trotzdem, es gibt noch viel zu tun in Deutschland. Aber nicht nur hier. In jedem europäischen Land werden sich gute wie schlechte Punkte finden lassen. Sich auszutauschen, Know how sharing und Coworking sind die Stichworte – nicht Besserwisserei. Zusammen Weltmeister werden, wie du dir das erhoffst, lieber Floris, geht vor allem, wenn man gemeinsam Lösungen findet, statt ewig hin und her zu vergleichen.
Mit innovativen Grüßen
Christiane