Ein Forschungsteam am CEMM in Wien entwickelt eine auf Virtual Reality basierende medizinische Analyse. Diese ermöglicht den Eintritt in die menschliche Zelle und zeigt mehr Informationen, als 2D-Darstellungen. Die neue Technologie verspricht eine raschere Diagnose bei seltenen Krankheiten, die von genetischen Veränderungen ausgelöst werden.
Bei Patienten mit seltenen Krankheiten vergehen oft Jahre bis zur Diagnose. Würde diese rasch erfolgen, wäre schon früh eine geeignete Therapie möglich und das Leben der Patienten deutlich besser. Die Molekularbiologin Pazmandi, welche ihr Doktorat am Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CEMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Ludwig Boltzmann Institut für seltene und undiagnostizierte Krankheiten in Wien, absolviert, sucht die Problemlösung in der unzureichenden Darstellung von Patientendaten: 2D und auf kleinen Computerbildschirmen gehen Informationen verloren und komplexe Zusammenhänge lassen sich nur schwer erschließen.
Verbesserte Darstellung
Pazmandi entwickelte in einem interdisziplinären Team ein Labor, das den Eintritt in die menschliche Zelle ermöglicht – mittels Virtual Reality-Brille, Ohrhörern und zwei Joysticks. Dort bietet sich dem Betrachter ein Netzwerk aus Proteinen in 3D. Eine Aussage über eventuell vorhandene Zellmutationen erhält die Darstellung erst in Verbindung mit zusätzlichen Patienteninformationen wie Gewebs- und Blutproben. Auffällige Stellen können sich dann zum Beispiel rot verfärben.
Beschleunigte Diagnose
Die Position der auffälligen Stelle und der Grad ihrer Vernetzung mit anderen Proteinen lassen erkennen:
- welche Körperfunktionen von den betreffenden Proteinen gesteuert werden;
- wie gefährlich eine Veränderung in einem bestimmten Protein ist;
- mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Mutation für eine seltene Erkrankung verantwortlich ist;
„Gene, Proteine, Enzyme und Moleküle funktionieren nicht isoliert für sich alleine, sondern interagieren und kommunizieren ständig miteinander.“ Julia Pazmandi
Analysen in Echtzeit
Der Forscher kann sich im virtuellen Netzwerk bewegen und mit der Darstellung interagieren. Er kann die Darstellung verkleinern und vergrößern und einzelne Proteine im Detail ansehen. Der molekulare Kontext erschließt sich und Analysen können in Echtzeit durchgeführt werden. Zur Analyse der Netzwerke werden Computercodes angewendet.
Datenanalyse auf Basis von Netzwerken
Ursprünglich auf eine rasche Diagnose bei seltenen Erkrankungen angelegt, eignet sich die Technologie auch für die Erforschung anderer Krankheiten, die durch genetische Veränderungen ausgelöst werden. Das kann zum Beispiel bei Krebs der Fall sein. Selbst eine Anwendung außerhalb der Medizin ist denkbar: Das System eignet sich für jede Art von Datenanalyse auf Basis von Netzwerken. Theoretisch könnte man es auch für die Analyse sozialer Netzwerke einsetzen.
Ehe die Virtual Reality Plattform im klinischen Alltag eingesetzt werden kann, bedarf es allerdings noch weiterer Forschung und Entwicklung.
Julia Pazmandi, die am CEMM im Team von Jörg Menche forscht, gewann mit ihrem Projekt den Falling Walls Lab Austria. Am 8. November wird sie ihr Projekt beim großen Falling Walls Lab Finale in Berlin präsentieren.
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