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In Wien gründete ein Konsortium aus drei Universitäten das neue Doktorats Kolleg DiLaAg – digitale Technologien in der Landwirtschaft. Mit der Vision des Smart Farming sollen Methoden entwickelt werden, die effizient und ressourcenschonend sind und gleichzeitig einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.

Beim Kick off des neuen interdisziplinären Doktorats Kolleg am 31. Oktober im Universitäts- und Forschungsgebäude Tulln war das Konsortium samt Doktoranden versammelt. Vertreter der Universitäten für Bodenkultur, Veterinärmedizin und Technische Universität (Informatik) erklärten, die Basis für den zielführenden Einsatz von digitalen Technologien in der Landwirtschaft legen zu wollen. Initiator des Programms war die Stiftung Forum Morgen in Niederösterreich (NÖ). Diese ist vom Land Niederösterreich finanziert und fördert interdisziplinäre Forschungsprojekte im europäischen Kontext.

Das Programm DiLaAG soll sich zur Innovationsplattform für Fachleute aus der landwirtschaftlichen Praxis entwickeln und die Gesellschaft informieren, so der Projektleiter DiLaAG, Andreas Gronauer, Institutsvorstand für Landtechnik am Department für Nachhaltige Agrarsysteme.

Smart Farming auf ökologischer Basis

Der Begriff Smart Farming steht für die Nutzung moderner Technologien mit dem Ziel, Quantität und Qualität von Agrarprodukten zu steigern. In Ländern mit weniger nährstoffreichen Böden ist die Forschung zumindest in Precision Farming schon weit fortgeschritten. Die Israelis etwa bauen Avocados in der Wüste Gobi an. Möglich wird dies durch die Zufuhr der genau richtigen Menge an Flüssigkeit und Nährstoffen, erklärte Professor A Min Tjoa, von der Fakultät für Informatik an der TU Wien.

Das Universitäten-Konsortium will die effizienzsteigernden Möglichkeiten von Smart Farming zusätzlich auf eine ökologische Basis stellen. Im Fokus stehen Technologien wie Sensorik, Robotik, Automation und künstliche Intelligenz.

Im Hinblick auf

  • eine rapide wachsende Weltbevölkerung, die bis 2015 um ein Viertel auf zehn Milliarden steigen wird,
  • schrumpfende Agrarflächen durch zunehmende Bodenversiegelung,
  • drohende Ernteausfälle durch extreme Wetterereignisse im Klimawandel,

„braucht es alle Dimensionen der Agrarwirtschaft“, wie es der prominente Gastredner, Club-of-RomeMitglied Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher formulierte.

Einblick in die ersten Dissertationen

Einen tieferen Einblick in das Programm DiLaAG gaben die Forschungsprojekte der Doktorierenden, die unter der Moderation von Projektleiter Gronauer präsentiert wurden:

So ist etwa die Arbeit Deep Learning in Food Production von Lukas Teufelberger neuen Methoden der Ernteprognose unter den Aspekten klimatischer Extreme und technologischer Verbesserungen gewidmet. Untersucht werden sowohl aquaponische als auch hydroponische Umgebungen.

Erhöhte Präzision im Pflanzenanbau

In der auf Robotik basierenden Arbeit von Florian Kitzler geht es um die Integration von Bestandsparametern für intelligente landwirtschaftliche Prozesse. Wobei die Bestandsparameter aus Bilddaten online erfasst werden – und mit zusätzlichen Daten wie Wetter und Leistung kombiniert. Herausforderung ist es, mit unstrukturierten Faktoren umzugehen, wie etwa Licht- und Wetterverhältnissen und Veränderungen durch das Wachstum der Pflanzen. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen eine erhöhte Präzision durch neuartige Modellierungen ermöglichen.

Monitoring der Weidehaltung von Milchkühen

Barbara Pichlbauer untersucht in ihrer Arbeit Monitoring der Weidehaltung von Milchkühen eine digitale Sensortechnik. Im Stall bereits erprobt, soll diese nun auch auf der Weide getestet werden. Das macht insofern Sinn, als die Beobachtung der Rinder durch den Landwirt auf der Weide schwieriger ist, als im Stall. Die Sensortechnik soll den gesundheitlichen Zustand der Rinder erfassen und eine sichere Nahrungsmittelproduktion mit gesunden Tieren ermöglichen.

Nachhaltigkeitsbewertung der Digitalisierung in der Landwirtschaft

Last but not least wird es eine Arbeit zur Nachhaltigkeitsbewertung der Digitalisierung in der Landwirtschaft mittels Ökobilanz geben. In einem lifecycle assessment sollen die ökologischen und sozialen Auswirkungen der landwirtschaftlichen Produktion über den gesamten Lebensweg quantitativ bearbeitet werden. Die Arbeit knüpft an die Ergebnisse der anderen Arbeiten an, weshalb die Fragestellung noch nicht feststeht. Eine mögliche Fragestellung wäre jedoch: Wie effizient ist die Robotik und was sind die Umweltauswirkungen?

Die Dissertationen sind abhängig von der Datenverfügbarkeit und Projektleiter Gronauer wies darauf hin, dass Partner aus Industrie und Landwirtschaft gesucht werden, die sich aktiv beteiligen wollen.

Kausalität vs. Korrelation

Den Gastredner Franz Josef Radermacher stellte Hubert Hasenauer, der Direktor der Universität für Bodenkultur, als einen Mahner für die Nachhaltigkeit vor. Radermacher warnte eingangs vor zu viel Euphorie für künstliche Intelligenz. Diese arbeite mit Korrelation und nicht mit Kausalität. Das wirkliche Thema der Wissenschaft sei jedoch Kausalität. Um Probleme wie jene der Welternährung zu lösen, brauche es immer noch einen gesunden Hausverstand. Die revolutionäre Leistung von Maschinen bestehe lediglich in der enormen Rechenleistung, die viel Zeit und menschliche Arbeitskraft spare.

Humusmonitoring

Später ging Radermacher zu Fragen der Welternährung sowie Klima und Energie über. Die Sustainable Development Goals (SDGs) im Pariser Übereinkommen hält er für nicht umsetzbar. Schon allein wegen des rapiden Weltbevölkerungswachstums. Ausnahme sei nur die kleine Gruppe der nature based solutions, bei der es um die konsequente Verfolgung von naturnahen Lösungen geht. Alles was mit Humusverbesserung, mit Aufforstung und Regenwaldschutz zu tun hat, so Radermacher. In diesem Zusammenhang sieht er eine wichtige Aufgabe für die Zukunft kommen:

„Der Boden der Landwirtschaft ist derzeit eine Kohlenstoffquelle und trägt einige Milliarden CO2 pro Jahr und weltweit in die Atmosphäre. Wir müssen das Gegenteil erreichen und einige Milliarden CO2 aus der Atmosphäre in den Boden bekommen, so dass dieser zur Kohlenstoffsenke wird.” Franz Josef Radermacher

Ein kohlenstoffhaltiger Boden weist eine höhere Produktivität und einen besseren Wasserhaushalt auf und trägt gleichzeitig zum Schutz des Klimas und der Umwelt bei.

Das wichtigste Element der organischen Bodensubstanz ist der Humus, der zu beinahe 60 Prozent aus Kohlenstoff besteht. Wichtig für den Klimaschutz ist der langfristig stabile Humus. Radermacher plädiert daher für ein EU-Fördersystem, das auf einem Humusmonitoring basiert. Dabei bekommen jene Landwirte, die für Humusbildung sorgen, eine höhere Förderung als jene, die dies nicht tun.

Nähere Informationen zu Humusmonitoring finden Sie in dieser Veröffentlichung des Thünen Instituts.

Grüner Wasserstoff und grünes Methanol

Einen weiteren substanziellen Teil der Lösung sieht Radermacher in grünem Wasserstoff und grünem Methanol. Anders als die Anhänger der all-electric solution fordert er eine Lösung, die aus 50 Prozent Elektrik und 50 Prozent Synthetik besteht. Zitat: „Die synthetische Schiene läuft vor allem über die Sonnenwüsten der Erde, die man nutzt (…) um die Sonne zu ernten und erneuerbare Energie (…) zu produzieren. Dann produziert man mit diesem Strom über Elektrolyse den grünen Wasserstoff den man (…) mit CO2 zu Methanol verbindet. Dieses Methanol ist eine Art Benzin und (…) eine hochenergetische klimaneutrale Flüssigkeit, die wir mit 50 Prozent Elektrik verbinden.“

Radermacher arbeitet mit dem Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit im Kontext des Marshallplan mit Afrika an der Umsetzung der mit Abstand größten Produktionsstätte für grünen Wasserstoff und grünes Methanol. Die Sonnenfelder haben eine Größe von 15 mal 15 Kilometer. Radermacher: „Wollte man die Energieprobleme der ganzen Welt lösen, bräuchte man Sonnenfelder in einer Größe von 1000 mal 1000 Kilometer. Das ist die Größe der Aufgabe, die wir stemmen müssen.“

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