Die Architektur hat den Baustoff Holz für den urbanen Raum entdeckt: In den vergangenen Monaten entstanden in Wien und Brumunddal die zwei höchsten Holzhäuser der Welt. In Tokyo plant man sogar einen Wolkenkratzer. Es spricht viel für den Baustoff, betont Professor Johannes Konnerth von der Universität für Bodenkultur in Wien. Mit Holz kann man schneller und besser bauen – und auch umweltschonender.
Der derzeit gängigste Baustoff ist Zement – und somit Beton. Dessen Herstellung verbraucht große Mengen an fossilen Rohstoffen und setzt große Mengen an CO2 frei. Holz wird hingegen durch CO2 aus der Atmosphäre, Sonnenlicht und Regen erzeugt. Erst die Umwandlung vom Stamm zum Brett und dann weiter zum Werkstoff benötigt Energie aus fossilen Rohstoffen. Holz wäre also ein effizienterer Baustoff und könnte viel CO2 einsparen, erklärt Konnerth. Bis zum Durchbruch brauche es aber noch Forschungsarbeit. Er unterrichtet am Institut für Holztechnologie und ist gerade dabei, zwei neue Forschungsschwerpunkte zu etablieren. Sein Fokus liegt auf neuen Herstellungstechnologien und intelligenten Eigenschaften von Holz. Der Forscher im Interview mit Innovation Origins:
Wenn Holz für den Bau von mehrgeschossigen Gebäuden im urbanen Raum eingesetzt wird – worauf kommt es an?
Als lasttragende Werkstoffe werden in Europa derzeit hauptsächlich Brettschichtholz (BSH) und Brettsperrholz (BSB) verwendet. Beide Werkstoffe sind sehr sicher, vielseitig und gut berechenbar. Vor allem bei großen Objekten wie Stadien, Hallen und Schwimmbädern ist der Baustoff Holz schon jetzt wirtschaftlich konkurrenzfähig. Der Vorteil gegenüber Beton und Stahl liegt in der Leichtigkeit bei gleichzeitig hoher Festigkeit und Steifigkeit. Das Eigengewicht eines Trägers muss auch getragen werden.
Im klassischen mehrgeschossigen Wohnbau liegen die Kosten für den Rohbau aktuell bei circa zehn Prozent über jenen des klassischen Betonbaus. Dieser Nachteil kann teilweise durch deutlich schnellere Bauzeiten aufgewogen werden. Zusätzlich hat Holz durch seine relative Leichtigkeit auch einen geringeren Transportaufwand. Dennoch ist der wirtschaftliche Nachteil oft entscheidend.
Die Herstellung der oben genannten Holzwerkstoffe birgt noch Verbesserungspotenzial, das sich potenziell massiv auf deren Kostenstruktur auswirken kann. Hauptproblem ist die geringe Ausbeute aus dem Stamm. Aus kegelstumpfförmigen und gekrümmten Stämmen müssen im Sägeprozess quaderförmige Bretter erzeugt werden – nach dem Prinzip aus rund mach eckig. Der Verschnitt macht etwa 50 Prozent aus und geht in andere Wertschöpfungsketten wie Papier, Möbelplatten oder Pellets. Die Bretter werden anschließend getrocknet und gehobelt, wodurch es zu weiteren Verlusten kommt. Am Ende bleibt von einem Stamm nur etwa 25 bis 45 Prozent wertvoller Baustoff übrig. Das große Potenzial und auch die Herausforderung liegen in alternativen Herstellungsprozessen. Diese sollen einerseits die Eigenschaften von BSH und BSB haben und andererseits die Verluste deutlich reduzieren. So könnten ressourceneffiziente Werkstoffe aus Holz mit attraktiver Kostenstruktur entstehen.
In den vergangenen Monaten sind Leuchtturmprojekte entstanden – welche waren das?
Für Objektbauten gäbe es unzählige Beispiele. Im mehrgeschossigen Bau waren es das Hoho in Wien mit 84 Meter Höhe und das Mjøstårnet in Brumunddal in Norwegen, das mit 85,4 Meter das derzeit höchste Holzgebäude der Welt ist. Eines der ersten mehrstöckigen Gebäude war das Stadthaus in London das 2009 fertiggestellt wurde.
Ein japanisches Konsortium plant ein 350 Meter hohes Holzgebäude mitten in Tokyo – einem Erdbebengebiet. Dahinter stecken das älteste japanische Architekturbüro Nikken Sekkei und das japanische Holzverarbeitungsunternehmen Sumitomo Forestry Co., Ltd. Es muss aber nicht zwangsläufig so weit in den Himmel gehen. Die breite Masse der Menschen wohnt in Gebäuden mit drei bis zehn Stockwerken.
“Wenn wir es schaffen, bei drei- bis zehnstöckigen Gebäuden vernünftige und kostenattraktive Alternativen anzubieten, dann wird der Holzbau auch im urbanen Bereich einen Durchbruch erleben.” Professor Johannes Konnerth
Wie kann die wirtschaftliche Effizienz von Holz als Baustoff verbessert werden?
Wie oben beschrieben, durch neue Herstellungsprozesse und durch die Vermeidung der massiven Verluste an Wertschöpfungspotenzial in diesen Prozessen. Man muss nicht zwangsläufig quaderförmige Bretter erzeugen, um ein massives Holzprodukt zu produzieren. Wobei die Industrie diese Nebenprodukte im Bereich der Bioenergie derzeit durchaus gut vermarkten kann.
Aber es gibt noch ein weiteres Problem: Derzeit basieren die meisten dieser Produkte auf Nadelholz und dabei meist auf Fichte. Der Nadelwald gerät aber durch den Klimawandel und die zunehmende Trockenheit unter Druck. In Mitteleuropa ist schon ein massiver Umbau der Wälder im Gange. Zukünftig müssen für die Produktion also auch andere Holzarten eingesetzt werden und das ist derzeit nur bedingt möglich. Es braucht neue Herstellungsprozesse, die auch hinsichtlich der verfügbaren Ressourcen flexibler sein müssen.
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Was macht die Fichte so attraktiv – und welche Alternativen braucht es?
Die Fichte hat viele Vorteile. Unter anderem ist oder war sie sehr gut verfügbar und hat einen geraden Wuchs. Das ist für die Ausbeute relevant. Außerdem ist sie leicht zu verarbeiten und leicht zu verkleben und besitzt ein sehr gutes Eigenschaftsprofil.
Alternativen müssen zumindest zwei Anforderungen erfüllen: sie müssen den sich ändernden klimatischen Anforderungen standhalten und ihr Stamm sollte einen bestimmten Durchmesser erreichen, um nutzbar zu sein. Gleichzeitig muss es Technologien zu deren Verarbeitung geben, damit wir leistungsfähige Endprodukte herstellen können. Die Fichte war hier extrem flexibel. Nachfolgende alternative Holzarten werden möglicherweise viel spezifischer eingesetzt werden.
Aus einem der neuen Forschungsschwerpunkte soll intelligentes Holz hervorgehen. Wie können wir uns das vorstellen?
Wir werden Grundlagenforschung zu nanotechnologischen Konzepten für Werkstoffe auf Basis von lignozellulosischen Materialien betreiben. Zellulose ist ein Hauptbestandteil von Holz (Lignum). Das heißt es handelt sich dabei um Materialien, die aus Holz gewonnen werden. Zu deren Gewinnung werden sowohl mechanische als auch chemische Prozesse zum Einsatz kommen. Die chemischen Hauptbestandteile von Holz sind Zellulose, Lignin und Hemizellulose. Sie können in Endprodukten in unterschiedlichen Anteilen vorhanden sein und müssen nicht zwangsläufig der natürlichen Zusammensetzung entsprechen. Mitunter können Eigenschaften schon durch die Veränderung der Zusammensetzung verändert werden. Zusätzlich können Modifikationen eingebracht werden, um spezifische Eigenschaften zu erreichen.
Wenn es um neue Funktionen von Holz geht – welche Eigenschaftsprofile gilt es zu entwickeln?
Wir müssen zeigen, dass Holz ein Hightech-Material ist oder sein kann und vielfach zu schade ist, um verbrannt zu werden. Intelligentes Holz kann zum Beispiel die Funktion eines Sensors übernehmen und für die Klimaregulierung im Wohnraum sorgen. Beispiele dazu wurden in der Vergangenheit von der Gruppe Professor Ingo Burgert an der ETH Zürich gezeigt, mit dem ich in diesem Bereich kooperiere.
Danke für das Gespräch.
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