Astronomen haben aus fast 7.500 Einzelaufnahmen des NASA/ESA-Weltraumteleskops Hubble das größte und umfassendste „Geschichtsbuch” der Galaxien zu einem einzigen Bild zusammengefügt. Die Bilder sammelten sie im Laufe von 16 Jahren und können nun mit dem sogenannten „Hubble Legacy Field“ rund 265.000 Galaxien zeigen, die sich über 13,3 Milliarden Jahre – bis nur 500 Millionen Jahre nach dem Urknall – erstrecken. Die am weitesten entfernten und somit auch schwächsten Galaxien haben nur ein Zehnmillionstel der Helligkeit dessen, was das menschliche Auge sehen kann.
„Jetzt, da wir ein breiteres Spektrum als in früheren Beobachtungen erfassen konnten, haben wir in dem größten derartigen Datensatz, der jemals von Hubble produziert wurde, viel mehr entfernte Galaxien eingefangen”, sagt Garth Illingworth von der University of California, Santa Cruz, der Leiter des Teams, das das Bild zusammengestellt hat. „Dieses eine Bild zeigt die gesamte Geschichte der Entstehung von Galaxien im Universum, von ihrer Zeit als ‚Säuglinge‘ bis zu ihrer Entwicklung zu vollwertigen ‚Erwachsenen‘.”
Kein Bild werde dieses übertreffen, bis Weltraumteleskope wie das zukünftige NASA-Teleskop James Webb gestartet würden, erklärt Illingworth. „Wir haben dieses Mosaik als Werkzeug zusammengestellt, das von uns und anderen Astronomen verwendet werden kann. Wir gehen davon aus, dass diese Studie in den kommenden Jahren zu einem noch kohärenteren, tieferen und besseren Verständnis der Evolution des Universums führen wird.”
Ein „Katalog“ entfernter Galaxien
Das Bild zeigt eine riesige Ansammlung entfernter Galaxien. „Solche ausgezeichneten, hochauflösenden Messungen der zahlreichen Galaxien in diesem Katalog ermöglichen eine sehr umfangreiche extragalaktische Forschung”, sagt Katherine Whitaker von der University of Connecticut in Storrs. „Oftmals haben diese Art von Studien zu unerwarteten Entdeckungen geführt, die den größten Einfluss auf unser Verständnis der Galaxienentwicklung hatten.”
Das Hubble Legacy Field ist eine Kombination aus mehreren Hubble-Deep-Field-Beobachtungen, darunter das eXtreme Deep Field (XDF) aus dem Jahr 2012 – eine Kombination von zehn Jahren NASA/ESA Hubble-Weltraumteleskop-Beobachtungen, die im Rahmen des ursprünglichen Hubble Ultra Deep Field aufgenommen wurden.
Bevor Hubble 1990 gestartet wurde, konnten Astronomen „nur“ Galaxien sehen, die bis zu sieben Milliarden Lichtjahre entfernt waren. Beobachtungen mit bodengebundenen Teleskopen konnten außerdem nicht feststellen, wie sich Galaxien im frühen Universum gebildet und entwickelt haben.
Empfindliche Farbkanäle von UV bis Infrarot
Im Jahr 2002 ging Hubble’s Advanced Camera for Surveys dann noch weiter und hielt 10.000 Galaxien in einem einzigen Schnappschuss fest. Astronomen verwendeten die Aufnahmen der 2009 installierten Hubble-Weitwinkelkamera 3 (WFC3), um den eXtreme Deep Field Snapshot von 2012 zusammenzustellen. Im Gegensatz zu früheren Hubble-Kameras deckt die WFC3 des Teleskops einen breiteren Wellenlängenbereich ab, von ultraviolett bis nahinfrarot.
Der neue Satz an Hubble-Bildern, der aus fast 7.500 Einzelaufnahmen erstellt wurde, sei der erste in einer Reihe von Hubble Legacy Field-Bildern, erklären die Forscher und umfasse die gemeinsame Arbeit von 31 Hubble-Programmen verschiedener Astronomenteams.
„Ein spannender Aspekt dieser neuen Bilder ist die große Anzahl empfindlicher Farbkanäle, die jetzt zur Verfügung stehen, um entfernte Galaxien zu betrachten, insbesondere im ultravioletten Teil des Spektrums”, erklärt Rychard Bouwens von der Universität Leiden. „Mit Bildern über so viele Frequenzen können wir das Licht aus Galaxien in dem Beitrag von alten und jungen Sternen sowie aktiven galaktischen Kernen unterscheiden.”
Deep-Field-Ansichten von Galaxien wie „Hubble Legacy Field“ helfen Astronomen, die Ausdehnung des Universums zu verfolgen und geben Hinweise auf die zugrunde liegende Physik des Kosmos. Galaxien zeigen außerdem, wann die chemischen Elemente und die Bedingungen entstanden sind, die schließlich zur Entstehung von Leben führten.
Die große Anzahl von Galaxien im Legacy Field Bild sind nach Aussagen der Astronomen auch entscheidend für künftige Teleskope. „Das wird wirklich die Voraussetzung für das geplante Weitwinkel-Infrarot-Messgerät (WFIRST) der NASA schaffen”, sagte Illingworth. „Das Legacy Field ist ein Wegbereiter für WFIRST, das ein Bild erfasst, das 100-mal größer ist als ein typisches Hubble-Foto. In nur drei Wochen Beobachtungszeit von WFIRST können Astronomen ein Feld sammeln, das viel tiefer und mehr als doppelt so groß ist wie das Hubble Legacy Field.”
Nächster Satz Bilder in Arbeit
Aktuell arbeiten die Forscher an einem zweiten Satz von Bildern mit insgesamt mehr als 5.200 Hubble-Aufnahmen in einem anderen Bereich des Himmels. In Zukunft wollen sie auch den Multiwellenlängenbereich in den alten Bildern erweitern, „um längerwellige Infrarotdaten und hochenergetische Röntgenbeobachtungen von zwei weiteren großen NASA-Observatorien, dem Spitzer-Weltraumteleskop und dem Chandra-Röntgenobservatorium, aufzunehmen.“
Außerdem werde das künftige James Webb Weltraumteleskop der NASA es Astronomen ermöglichen, viel tiefer in das Legacy Feld vorzudringen, um zu zeigen, wie die Säuglingsgalaxien tatsächlich gewachsen sind. Die Infrarotabdeckung von Webb werde „über die Grenzen von Hubble und Spitzer hinausgehen“, und Astronomen helfen, die ersten Galaxien im Universum zu identifizieren.
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