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Nachdem wir bereits gezeigt haben, was in der Forschung auf den Gebieten Toxikologie und Medizin Dank neuer Technologie ohne Tierversuche möglich ist, beschäftigen wir uns im letzten Teil unserer kleinen Serie mit der Grundlagenforschung und der Umwelt.

Lebende Zellen als Sensoren einzusetzen, anhand derer man bereits frühzeitig Kontaminationen erkennen und weiterer Verunreinigung vorbeugen kann, eröffnet ganz neue Möglichkeiten des Umweltschutzes. Möglich ist das bereits, denn alleine mit Algen als Signalwandler können die lab-on-a-chip-Systeme zur Überwachung der Wasserqualität eingesetzt werden.

„Wir können auf den Chip nicht nur menschliche oder tierische Zellen geben, sondern zum Beispiel auch Algen und dadurch auch Gewässermonitoring machen“, sagt Dr. Joachim Wiest, Geschäftsführer der cellasys GmbH in München. „Man kann Algen nehmen, sie mit einer Lichtquelle bestrahlen, es kommt zur Fotosynthese und die Algen produzieren Sauerstoff, den wir mit unserem Chip messen können. Dann geht es ihnen gut.“

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IMOLA-System
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Sobald das Gewässer jedoch aus irgendeinem Grund verunreinigt ist oder Herbizide eingespült werden, weil beispielsweise nebenan ein Feld nebenan gedüngt wurde und das in das Oberflächenwasser gelangt, ginge die Fotosyntheserate sofort zurück, erklärt er. „Das sieht man mit unserem System sofort.“ Leider gebe es auf diesem Gebiet jedoch keinen Markt für seine Technologie, da sie zu teuer sei. „Niemand bezahlt für eine Gewässeranalyse 2000 Euro.“

Abgesehen von Flüssen und Seen kann anhand von Wasser noch viel mehr getestet werden, nämlich – man höre und staune – die Qualität von Obst und Gemüse durch die Untersuchung des Waschwassers. „Es wurde gezeigt, dass man das Waschwasser von Früchten analysieren kann. Dort wurden Fungizide, Herbizide, Pestizide und alles mögliche gefunden“, weiß Wiest. „Es ist da ähnlich wie beim Gewässeronitoring. Wenn die Lebensmittel so lange gewaschen werden, bis nichts mehr in diesem Waschwasser ist, sind die natürlich tip top sauber. Dieses Waschwasser können wir ebenso analysieren wie Oberflächengewässer.“

Gewässerverschmutzung und die „Vergiftung“ von Nahrungsmitteln geschieht aber nicht nur direkt, wie die Kontamination durch Abwässer beziehungsweise Schädlingsbekämpfungsmittel. Alleine schon der Regen, den Äpfel, Birnen und Gemüse abbekommen, enthält sämtliche Giftstoffe, die sich auch in der Luft befinden. Genau diese Luftverschmutzung ist auch ein Grund, wieso immer mehr nach alternativen Kraftstoffen geforscht wird.

„Momentan wird viel geforscht, dass man zum Beispiel Algen einsetzt, um Kraftstoffe oder aber auch Futter herzustellen“, so Wiest. „Algen sind auch wieder „lebende Zellen“ und wir können das Medium, mit dem die Algen gefüttert werden, optimieren. Wenn wir Algen auf dem System haben, können wir sehr schnell sehen, was wir zugeben müssen, damit es ihnen richtig gut geht. Unter Laborbedingungen können diese Algen dann zum Beispiel Ethanol produzieren.“

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Wundheilsalben, die wirken

Zum Thema Ernährung gehören seit langem auch Lebensmittelzusatzstoffe oder Nahrungsergänzungsstoffe, die auf Wechselwirkungen zwischen Zellen und Zusatzstoffen überwacht werden können. „Wir hatten ein Projekt, bei dem wir untersucht haben, wie Nahrungsergänzungsstoffe auf Darmbakterien wirken“, erzähl Wiest. „Da kann ich dann auch wieder untersuchen, wie ist die Interaktion zwischen dem lebenden Modell und dem Nahrungsergänzungsmittel.“

Verfahren, wie bereits bei den Tests von Kosmetika erwähnt, werden auch bei Produkten angewendet, die im täglichen Leben immer wieder gebraucht werden und bei denen man kaum darüber nachdenkt, dass jedes einzelne erst ausführlichen Tests unterzogen werden muss, bevor es auf den Markt kommt. So muss bewiesen werden, dass Spülmittel, Seifen, Farben, Lacke und dergleichen nicht gesundheitsschädlich sind. Auch das wird im Allgemeinen an Tieren getestet, Forschung, die mit lab on a chip ebenso gut an immortalisierten Zellen betrieben werden könnte.

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© Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Ähnliches gilt für die Wirksamkeitstests neuer Medikamente. „Man kann zu Beispiel feststellen, wie gut eine Salbe wirkt. Wenn ich eine bestimmte Salbe zugebe, kann ich sehen, ob sich die Zellen schneller teilen und die Heilung bei Menschen schneller voran ginge. Ein typisches Testbeispiel, Wundheilsalben zu testen, ist, Zellen auf einer Glasplatte zu zerschneiden und unter dem Mikroskop zu beobachten, wie schnell sie wieder zusammenwachsen.“ Das gleiche gelte für Medikamententest, sagt Wiest, bei denen man schon sehr früh erkennen könne, welches Medikament ungeeignet ist, weil es beispielsweise die Leber zerstört.

„Wenn man Technologie an der Schnittstelle zwischen Elektrotechnik und dem lebenden System hat und damit lebende Zellen auslesen kann, gibt es die Möglichkeit, Grundlagenforschung zu betreiben“, erklärt Wiest und nennt als Beispiel die Untersuchungen mit den Pankreaszellen. „Es gab Wissenschaftler, die sagten, ihr könnt also Zellen auslesen, könnt ihr nicht auch Betazellen bewerten, wie vital die sind, damit wir wissen ob man die transplantieren kann oder nicht.“

Wie so viele andere Forschungsprojekte war aber auch dieses eben nur ein Forschungsprojekt und wird nicht kommerziell angewendet. „Zur Zeit werden noch keine Pankreaszellen am Menschen transplantiert. Das war ein Forschungsprojekt, bei dem wir zeigen konnten, dass es geht, dass wir vitale von weniger vitalen Zellen unterscheiden können.“ Für die Zukunft besteht also noch Hoffnung…

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