© Jan Huertas und Vlad Cojocaru, ©MPI Münster, ©Hubrecht-Institut
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Könnte ein großer Traum der Menschheit – ewige Jugend und ewige Gesundheit – vielleicht doch noch in Erfüllung gehen? Nun, ganz soweit sind wir noch wohl noch länger nicht. Eine neue Erkenntnis in der Stammzellenforschung könnte aber durchaus einen Schritt in diese Richtung darstellen. Forscher um den Biologen Vlad Cojocaru vom niederländischen Hubrecht Institute haben gemeinsam mit Kollegen vom Max-Planck-Institut in Münster herausgefunden, wie normale menschliche Zellen in Stammzellen umgewandelt werden können.

Der Unterschied zwischen Zelltypen besteht darin, ob die DNA zu einem bestimmten Zeitpunkt „gelesen” oder „nicht gelesen” wird. Dabei senden Proteine, sogenannte Transkriptionsfaktoren, das Signal. Entweder die DNA in der Zelle zu lesen oder das Lesen zu stoppen. Identitätsveränderungen geschehen während der Entwicklung auf natürliche Weise. Dabei gehen Zellen von einer nicht bezeichneten Zelle zu einem bestimmten Zelltyp über. Allerdings können diese Übergänge auch umgekehrt werden. Japanische Forscher bekamen im Jahr 2012 den Nobelpreis, nachdem sie erstmals normale Hautzelle rückwärts zu einer Stammzelle geschoben hatten.

Künstlich hergestellte Stammzellen Teil der Lösung

Wie diese Umwandlung einer Hautzelle in eine Stammzelle auf molekularer Ebene genau abläuft, ist bisher aber nicht bekannt. „Ein vollständiges Verständnis der Prozesse mit atomaren Details ist unerlässlich, wenn wir solche Zellen für einzelne Patienten in Zukunft zuverlässig und effizient herstellen wollen”, sagt Forschungsleiter Vlad Cojocaru. „Es wird angenommen, dass solche künstlich hergestellten Zelltypen in Zukunft Teil der Lösung für Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson sein könnten, aber der Produktionsprozess müsste effizienter und vorhersehbarer werden.“

Eine Schlüsselrolle bei der Stammzellbildung spielt ein Protein namens Oct4. Es stößt die Aktivität der Proteine an, die die adulte Zelle in eine Stammzelle „zurücksetzen”. Diese Gene befinden sich in der Struktur, die die DNA im Zellkern speichert, dem Chromatin. In den adulten Zellen sind sie nicht mehr aktiv. Oct4 trägt als sogenannter Pionier-Transkriptionsfaktor dazu bei, dass sich das Chromatin öffnet und so die Expression der Gene ermöglicht.

Pionierarbeit für regenerative Medizin

Die Daten der Studie zeigen, wie die Bindung von Oct4 an die DNA auf den Nukleosomen funktioniert. „Wir haben Oct4 in verschiedenen Konfigurationen modelliert“, erklärt Cojocaru. „Das Molekül besteht aus zwei Domänen, von denen nur eine in der Lage ist, in dieser Phase des Prozesses an eine bestimmte DNA-Sequenz auf dem Nukleosom zu binden. Mit unseren Simulationen haben wir herausgefunden, welche dieser Konfigurationen stabil sind und wie die Dynamik der Nukleosomen die Oct4-Bindung beeinflusst. Die Modelle wurden durch Experimente unserer Kollegen Caitlin MacCarthy und Hans Schöler in Münster validiert.“

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Es war das erste Mal, dass Computersimulationen zeigten, wie ein Pionier-Transkriptionsfaktor an Nukleosomen bindet, um das Chromatin zu öffnen und die Genexpression zu regulieren. Dieser rechnerische Ansatz zur Gewinnung der Oct4-Modelle könne auch dazu verwendet werden, andere Transkriptionsfaktoren zu screenen und herauszufinden, wie sie an Nukleosomen binden, sagt Cojocaru.

Modelle verfeinern

Im nächsten Schritt will Cojocaru die aktuellen Oct4-Modelle verfeinern, um eine endgültige Struktur für den Oct4-Nukleosomkomplex zu finden. „Wir wissen schon seit fast 15 Jahren, dass Oct4 zusammen mit drei anderen Pionierfaktoren adulte Zellen in Stammzellen verwandelt. Allerdings wissen wir noch immer nicht, wie sie vorgehen.“ Die experimentelle Strukturbestimmung für ein solches System sei sehr kostspielig und zeitaufwendig, betont der Wissenschaftler. Daher wollen er und seine Kollegen anhand von Computersimulationen in Kombination mit verschiedenen Laborexperimenten ein endgültiges Modell für die Bindung von Oct4 an das Nukleosom erhalten. „Wir hoffen, dass unser endgültiges Modell uns die Möglichkeit gibt, Pionierarbeit bei der Entwicklung von Transkriptionsfaktoren für die effiziente und zuverlässige Produktion von Stammzellen und anderen Zellen zu leisten, die in der regenerativen Medizin benötigt werden.“

Die Ergebnisse der Studie wurden im Biophysical Journal veröffentlicht.

Titelbild: Der Pionier-Transkriptionsfaktor Oct4 (blau) bindet an das Nukleosom (ein Komplex aus Proteinen (grün) und der um diese Proteine gewickelten DNA (orange)). © Jan Huertas und Vlad Cojocaru, ©MPI Münster, ©Hubrecht-Institut.