Weltweit gibt es täglich ein paar Hundert Erdbeben, jedes Jahr mehr als eine Million. Die meisten sind mit einer Stärke von 1 bis 2 auf der Richterskala jedoch so schwach, dass sie nur durch empfindliche Instrumente wahrgenommen werden können. Erst Beben der Stärke 4 verursachen merkliche Erschütterungen, bei Stärke 5 kann es Schäden an Gebäuden geben. Auch Beben dieser Stärke gibt es mehr als 10.000 in einem Jahr.
Sogar Beben mit einer Stärke von mehr als 7 passieren mehr als ein Mal pro Monat, Beben stärker als 8 etwa ein Mal pro Jahr. Das stärkste, jemals gemessene Erdbeben war das Valdivia Beben und fand am 22. Mai 1960 in Chile statt. Es hatte eine Stärke von 9,5 und löste einen 25 Meter hohen Tsunami aus. Übrigens bebt die Erde auch in Deutschland beinahe täglich. Zwischen dem 1. Januar und dem 30. Mai 2019 wurden bereits 114 Beben mit einer Stärke zwischen 1 und 2,8 registriert.
Während die Beben in Deutschland aber keine Schäden verursachen, kosten sie Menschen in vielen Ländern der Erde nicht nur ihr Zuhause und Hab und Gut, sondern viel zu oft auch ihr Leben. Dabei sind es aber nicht immer die Hauptbeben, die am stärksten sind und die größten Schäden auslösen, oft sind es die eigentlich schwächeren Nachbeben, die weit katastrophalere Auswirkungen haben. Dabei könnten viele Schäden sicher abgemildert und Leben gerettet werden, wenn man diese Beben vorhersagen könnte.
Neuronales Netz zur Lokalisierung des Epizentrums
Bei Erdbeben unterscheidet man grundsätzlich zwei Arten: tektonische und vulkanische Beben. Die tektonischen Beben kommen viel häufiger vor als die vulkanischen und sind auch weit stärker. Dabei breiten sich seismische Wellen durch die Erde aus, hauptsächlich Kompressions- oder Primärwellen (P-Wellen) und Scher- oder Sekundärwellen (S-Wellen). Die schnelleren P-Wellen treffen zuerst an einer seismologischen Station ein, erst dann die langsameren S-Wellen. Beide können in Seismogrammen aufgezeichnet werden.
Die Vorhersage von Erdbeben ist trotz immer besserer Technik auch heute noch nicht zuverlässig machbar. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben Forscher nun eine Möglichkeit gefunden, Erdbebenzentren genau zu lokalisieren. Dazu bestimmen sie mit einem neuronalen Netz die Ankunftszeit von seismischen Wellen. Im Fachjournal Seismological Research Letters, erklären sie, dass Künstliche Intelligenz die Daten ebenso genau auswerten könne wie ein erfahrener Seismologe.
Die Ankunft der vielen Erdbebenwellen an der Seismometerstation – den sogenannten Phaseneinsatz – genau zu bestimmen, sei wichtig für das präzise Lokalisieren der Erdbebenereignisse, erklären die Wissenschaftler. Erst dadurch könnten weitere exakte seismologische Auswertungen vorgenommen werden. Weiter könnte es auch möglich sein, Nachbeben vorherzusagen, die manchmal schwerere Schäden verursachen können als das erste Beben. Durch eine genaue Lokalisation von Erdbebenzentren ließen sich auch physikalische Prozesse in der Tiefe besser unterscheiden, was wiederum Rückschlüsse auf den Aufbau des Erdinnern erlaube.
Auswertung durch KI genauer als durch Seismologen
Die Auswertung der Seismogramme, das sogenannte Picken, geschieht traditionell von Hand. Das ist nicht nur sehr zeitaufwändig, eine gewisse Subjektivität des jeweiligen Seismologen kann auch die Genauigkeit beeinträchtigen. Die bisher entwickelten Pickeralgorithmen für eine automatische Auswertung erreichten jedoch nicht die Genauigkeit des manuellen Pickens durch einen erfahrenen Seismologen, da verschiedene physikalische Prozesse das seismische Wellenfeld beeinflussen.
Wissenschaftler am Geophysikalischen Institut (GPI) des KIT, an der University of Liverpool und an der University of Granada haben jetzt aber gezeigt, dass Künstliche Intelligenz die Daten ebenso genau auswerten kann wie der Mensch. Sie setzten dazu ein faltendes neuronales Netz (Convolutional Neural Network – CNN) ein und trainierten es mit einem relativ kleinen Datensatz zu 411 Erdbebenereignissen im Norden von Chile. Das CNN bestimmte daraufhin die Einsatzzeiten von unbekannten P-Phasen und S-Phasen mindestens so genau wie ein erfahrener Seismologe beim manuellen Picken – und es war weit genauer als ein klassischer Pickeralgorithmus.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Künstliche Intelligenz die Erdbebenanalyse wesentlich verbessern kann – nicht nur bei großen Datenmengen, sondern auch bei begrenzter Datenlage“, erklärt Professor Andreas Rietbrock vom GPI.
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