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Strom und insbesondere die immer weiter steigenden Preise für Verbraucher sind momentan ein Riesenthema. Als Grund, dass Elektrizität immer teurer wird, geben die Versorger unter anderem den Umstieg auf erneuerbare Energien an. Genau diese neuen Stromquellen bringen aber auch Probleme mit sich, die auf den ersten Blick nicht offensichtlich sind.

Bis vor nicht allzu langer Zeit wurde Strom ausschließlich über große Kraftwerke erzeugt, mittlerweile sind zahlreiche dezentrale Stromquellen wie Windräder, Wasserkraft, Photovoltaikzellen und dergleichen hinzugekommen, die sich auf die Stromnetze auswirken. Vor allem die Betreiber von Übertragungsnetzen stehen dadurch vor ganz neuen Herausforderungen und Fragen. Laufen relevante Netzparameter wie Phase oder Winkel aus dem Ruder? Gibt es Anomalien, also Abweichungen vom regulären Netzbetrieb? Oder sind Leitungen oder Kraftwerke sogar ausgefallen?

Derartige Fragen können mit der üblichen Messtechnik nicht immer beantwortet werden. Deshalb wird diese Technik immer mehr um Phasormessungen, kurz PMU, und Digitalisierungstechnologien ergänzt. So kann man die Amplitude von Strom und Spannung bis zu 50-mal pro Sekunde erfassen. Aus den so gewonnen Daten lassen sich verschiedene relevante Parameter wie Frequenz, Spannung oder Phasenwinkel ermitteln. Pro Tag kommen da schnell mal mehrere Gigabyte an Daten zusammen.

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Datenkompression: 80 Prozent der Daten einsparen

Wissenschaftler des Institutsteils Angewandte Systemtechnik AST des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB in Ilmenau arbeiten derzeit daran, die Datenauswertung durch Künstliche Intelligenz zu optimieren, gleichzeitig die Netzsicherheit zu erhöhen und die Stromübertragung für die Zukunft fit zu machen.

„Wir können bis zu 4,3 Millionen Datensätze pro Tag automatisiert erfassen, komprimieren und über Verfahren der Künstlichen Intelligenz auswerten“, sagt Prof. Peter Bretschneider, Leiter der Abteilung Energie am Fraunhofer IOSB-AST. Bisher waren die Forscher in der Lage, durch Komprimierungsverfahren 80 Prozent der Daten einzusparen. Die Daten können so einfacher gespeichert und auch schneller und effizienter ausgewertet werden.

Datenauswertung: Automatisch und in Echtzeit

Mit den Phasormessdaten konnten die Wissenschaftler dann in einem zweiten Schritt neuronale Netze – die Basis der Künstlichen Intelligenz – anlernen, indem sie sie mit Beispielen typischer Betriebsstörungen „fütterten“. Auf diese Weise lernten die Algorithmen, normale Betriebsdaten von bestimmten Betriebsstörungen zu unterscheiden und exakt zu kategorisieren. Nach Abschluss der Trainingsphase konnten die neuronalen Netze bei den aktuellen Daten aus den Phasormessungen eingesetzt werden.

Dank des Algorithmus werden die Daten nun in Echtzeit und automatisch ausgewertet, während eine Auswertung bisher nur im Nachhinein und manuell möglich war. Der Algorithmus erkennt innerhalb von Millisekunden, ob eine Anomalie oder ein Fehler vorliegt und gibt zusätzliche Auskunft über Ort und Art der Betriebsstörung.

Was nützt es, wenn die Autobahnen frei sind, doch die regionalen Straßen permanent verstopft?

So steigt bei Ausfall eines Kraftwerks zum Beispiel automatisch die Last für die anderen Kraftwerke abrupt an. Durch die gestiegene Last werden die Generatoren langsamer und die Frequenz des Wechselstroms sinkt. Sinkt sie unter einen vorgegebenen Grenzwert, müssen aus Gründen der Systemstabilität gegebenenfalls umgehend – in weniger als 500 Millisekunden – Netzabschnitte abgeschaltet werden. Da der Algorithmus seine Entscheidung innerhalb von 20 bis 50 Millisekunden trifft, bleibt genügend Zeit, um vollautomatische Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Nachdem der Algorithmus bereits einsatzbereit ist, arbeiten die Forscher aktuell an der Steuerung und Regelung der Gegenmaßnahmen. Die Entwicklung sei nicht nur für Betreiber großer, sogenannter Übertragungsnetze interessant, sondern auch für die der regionalen Verteilernetze, heißt es in Ilmenau. „Um eine Analogie zum Verkehr zu ziehen: Was nützt es, wenn die Autobahnen frei sind, doch die regionalen Straßen permanent verstopft?“, erläutert Bretschneider.

Vorhersage noch unbekannter Probleme

Die Forscher wollen jedoch nicht nur bereits bekannten Probleme berücksichtigen, sondern auch Anomalien, die bisher noch gar nicht auftreten und setzen auch hier auf KI. Sie arbeiten an der Kategorisierund derartier Phänomene und daran, die erforderlichen Algorithmen anhand digitaler Netzabbildungen zu entwickeln. „Gehen wir den Weg der erneuerbaren Energien weiter, kann dies künftig zu Phänomenen führen, die wir derzeit noch nicht kennen“, sagt Bretschneider.

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