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Die Ausbreitung von COVID-19 schreitet deutlich langsamer voran, wenn man die Zahl der Mensch-zu-Mensch-Kontakte reduziert. Davon gehen die Behörden in ihren Schutzmaßnahmen aus – und das bestätigt die Berechnung von verschiedenen Szenarien zur Ausbreitung in einem Computermodell der TU Wien.

Das Computermodell kann nicht voraussagen, wie viele Menschen – an COVID-19 erkranken werden. Wichtig sei es, die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen, damit nicht zu viele Menschen gleichzeitig intensive Betreuung brauchen, erklärt Niki Popper vom Institut für Information Systems Engineering an der TU Wien. Das zeige sich derzeit auch in Italien, wo das Gesundheitssystem von der hohen Zahl an Infizierten überfordert sei: Wenn Plätze auf den Intensivstationen fehlen oder zu wenige Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen, dann sterben auch Menschen, die eigentlich geheilt werden könnten, so die Annahme der Wissenschafter.

Schutzmaßnahmen senken Todesfallrate

Ziel der Schutzmaßnahmen sei ein möglichst flacher Verlauf mit einem möglichst niedrigen Spitzenwert, bevor die Zahlen dann wieder zurückgehen. Bei einer milderen Epidemie, die länger dauert, sterben meist deutlich weniger Menschen als bei einer heftigen Ausbreitung, die rascher wieder vorbei gehe.

Grund zur Panik bestehe nicht, betonen die Forschenden. Österreichs Gesundheitssystem sei resilienter als das italienische. Trotzdem sei Vorsicht geboten. Ihr Computermodell zeigt deutlich, dass die empfohlenen Schutzmaßnahmen die Anzahl der Todesfälle durch COVID-19 reduzieren können. Deshalb sei es wichtig, auf Hygiene zu achten und auf unnötige Kontakte zu verzichten; besonders für jene, die zur Risikogruppe zählen. Das sind über 65-Jährige und gesundheitlich Vorbelastete.

Weniger Personenkontakte hemmen Ausbreitung

Das Team an der TU Wien kann schon mit sehr einfachen Rechenmodellen zeigen, dass die Reduktion der Personenkontakte die Höhe des Peaks senkt. Martin Bicher, der das Modell mit aufgebaut hat, nennt konkrete Zahlen:

  • Reduziert man die Anzahl der Kontakte um nur 25 Prozent, sinkt der Peaks auf 58 Prozent ab.
  • Reduziert man die Anzahl der Personenkontakte um 50 Prozent, sinkt der Peak auf unter 30 Prozent.
Ausbreitung COVID-19 (c) TU Wien

Foto: Wenn man die Zahl der Mensch-zu-Mensch-Kontakte reduziert, breitet sich die COVID-19 deutlich langsamer aus. Das zeigen die Abbildungen rechts.

Großer Effekt durch Schutz von Risikogruppen

Kontakt ist allerdings nicht gleich Kontakt. Das zeigt sich etwa am Beispiel von Einsatzkräften, die einem besonders hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Das Computermodell kann in unterschiedliche Kontaktnetzwerke von Menschen unterscheiden. Die Simulationen zeigen, dass der Schutz von Hochrisikopatienten und Einsatzkräften zu noch geringeren Peaks führt.

Auch Menschen, die Kontakt zu Hochrisikopersonen haben, wie etwa pflegende Angehörige, sollten so weit wie möglich aus dem System genommen werden und auf risikoreiche Kontakte verzichten.

Berechnungen zur Rolle von Veranstaltungen in der Ausbreitung von COVID-19 stehen noch aus. Aber schon vor den Ergebnissen ist klar, dass Risikopersonen Großveranstaltungen eher meiden sollten, sagt Popper.

Agentenbasiertes Computermodell

Das Computermodell der Forschenden an der TU Wien ist agentenbasiert. In der Simulation der Ausbreitung von COVID-19 werden einzelne virtuelle Personen abgebildet, die bestimmte Verhaltens- und Kontaktmuster haben. Die Datenbanken der Statistik Austria ermöglichen regionale Bevölkerungsdaten aus ganz Österreich. Dazu kommen externe Faktoren wie die topographische Situation, die regionsspezifische Mobilität und die Gesundheitsinfrastruktur. In der Topographie spielt etwa die Seehöhe eine Rolle, in der Gesundheitsinfrastruktur die Krankenhauskapazitäten. Letzteres klärt die Frage: Wo können wie viele Quarantänebetten zur Verfügung gestellt werden?

Laufende Optimierung mit neuen Erkenntnissen zu COVID-19

Das Modell wird laufend mit neuen Erkenntnissen über COVID-19 gefüttert: Von Tag zu Tag lassen sich Parameter wie Ansteckungswahrscheinlichkeit oder Inkubationszeit besser einschätzen. „Wenn das medizinische Wissen zuverlässiger wird, werden damit auch unsere Prognosen aussagekräftiger“, sagt Popper. Er vergleicht die Simulation mit dem Fahren auf Sicht auf einer nebeligen Straße. Das Computermodell ermöglicht einen Blick in die unmittelbare Zukunft und schafft ein besseres Verständnis für Auswirkungen von Maßnahmen.

Das soll bei schwierigen politischen Entscheidungen helfen, zum Beispiel in den Fragen, welche Veranstaltungen abgesagt werden sollen oder welche Schulen geschlossen werden sollen. Dabei müsse man immer eine vernünftige Balance zwischen den Vor- und Nachteilen von Maßnahmen finden, erklärt Popper. Dabei sollen die Simulationsmodelle seines Teams helfen.

Über das Projekt:

An der TU Wien forscht man seit über zehn Jahren an Computermodellen, die das Gesundheitssystem bei der Planung von Maßnahmen unterstützen können. Das Projekt basiert auf der Forschungsplattform DEXHELPP, die im Rahmen von FFG COMET gestartet wurde. Kooperationspartner sind das Modellierungs- und Simulations-Unternehmen dwh und mehrere weitere Partnerorganisationen aus dem IT- und Gesundheitsbereich. dwh ist eine Ausgründung der TU Wien.

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