© Grafik aus Borchert, Hammerschmidt, Hentschel, Deines (2021), Trends in Microbiology
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Auf und in Plastikflaschen setzen sich gerne Bakterien ab und man sollte diese Flaschen deshalb nicht mehrmals verwenden. Das ist nichts Neues. Während die für den Menschen schädlichen, einzelligen Lebewesen ein Problem darstellen können, können bestimmte Bakterien aber dazu beitragen, Plastikmüll schneller abzubauen. Auf natürlichem Wege kann dieser Prozess, je nach Objekt, Jahrhunderte dauern. Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel sowie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel haben nun einen neuen Ansatz für einen biologischen Kunststoffabbau vorgestellt.

Bakterien zu nutzen, um die Umwelt sauber zu halten, ist auch nichts Neues. Sie werden schon seit Jahrzehnten eingesetzt, um beispielsweise Schadstoffe im Abwasser in Kläranlagen in ihre Bestandteile zu zerlegen. Mittlerweile hat jedoch die Menge an Plastikmüll immer mehr zugenommen, und Bakterien, die Kunststoffe zerlegen können, sind noch kaum bekannt. Die Kieler Forscher schlagen jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Trends in Microbiology ein Verfahren zum schnelleren und effektiveren natürlichen Abbau von Kunststoffen vor, das bisher vernachlässigt wurde. “Wir schlagen vor, dass es viel mehr Sinn machen würde, ganze Bakteriengemeinschaften auf ihre Fähigkeiten zu testen anstatt einzelne Bakterienarten zu suchen, die Enzyme produzieren, mit denen sie Kunststoffe zerlegen können“, sagt Dr. Peter Deines vom GEOMAR, Hauptautor der Studie.

Unerforschte Bakteriengemeinschaften

Bisher konzentrierten sich Forscher in diesem Zusammenhang auf die Suche nach einzelnen Arten von Bakterien. Hat man eine Art gefunden, die vielleicht eine Kunststoffsorte mit einem speziellen Enzym zerlegen kann, wird die Erbinformation des Bakteriums nach dem Code für dieses Enzym abgesucht. “Dabei besteht aber die Gefahr, dass man nur schon bekannte Informationen findet und andere wichtige Fähigkeiten übersieht“, sagt Dr. Deines.

Außerdem berge die Konzentration auf eine einzelne Bakterienart ein Risiko für die spätere Anwendung des Bakteriums und seines Enzyms, zum Beispiel in Bioreaktoren. “Aus der Ökosystembiologie wissen wir, dass Monokulturen nicht sehr widerstandsfähig sind. Tatsächlich haben Bioreaktoren mit nur einer Bakterienart eine hohe Ausfallrate“, berichtet der Kieler Mikrobiologe.

Deshalb arbeiten Deines und seine Kollegen mit ganzen Bakterienökosystemen. Die Orte, an denen Bakterien sehr wahrscheinlich mit Plastik in Berührung kommen, könnten die Mägen von Fischen sein, oder Biofilme auf Großalgen oder das Sediment des Meeresbodens. Diese bislang unerforschten Bakteriengemeinschaften werden dann im Labor auf weiteres Plastik angesetzt. Wenn die Bakteriengemeinschaft den Kunststoff abbauen kann, wird sie für den nächsten Schritt ausgewählt.

Maritime Bakteriengemeinschaften

“Wir schlagen vor, ganze Bakteriengemeinschaften im Labor für einen erhöhten Plastikabbau zu züchten”, betont Deines. Diesen Prozess könne man sich ganz ähnlich vorstellen wie die Zucht von bestimmten Merkmalen bei Haustier- oder Pflanzenrassen. “Bei dieser Methode müssen wir nicht vorher wissen, was wir suchen, sondern sind völlig ergebnisoffen. Die Gefahr, Fähigkeiten zu übersehen, ist deutlich geringer. Denn ein Bakterium, das alleine nichts mit Plastik anfangen kann, trägt in einer komplexen Gemeinschaft vielleicht doch entscheidend zu dessen Abbau bei“, erklärt er. Durch die anschließende künstliche Selektion im Labor hätten die mikrobiellen Gemeinschaften die Chance, ihre Fähigkeiten zum Plastikabbau im Laufe mehrerer Generationen zu verbessern. “Hier nutzen wir also einen Ansatz aus der Evolutionsbiologie.“

Als Nächstes wollen die Forscher die neuen Methoden in der Praxis umsetzen. Dabei wollen sie sich in erster Linie auf maritime Bakteriengemeinschaften konzentrieren. “Letztendlich ist der Ozean die große Senke, in der die meisten Abfälle und Schadstoffe landen. Im Rahmen des Projekts PLASTISEA haben wir schon viele Proben aus dem zentralen Atlantik gewonnen”, sagt Co-Autorin Prof. Dr. Hentschel Humeida, Leiterin der Forschungseinheit Marine Symbiosen am GEOMAR. “Diese nutzen wir jetzt, um sowohl auf klassischem Weg, als auch mit der neuen Methode nach Möglichkeiten zu suchen, Plastik auf biologischem Weg abzubauen. Aber natürlich kann man so auch nach Abbaumöglichkeiten für viele andere Schadstoffe suchen.“

Titelbild: Ein Konzept zur Nutzung der künstlichen Gemeinschaftsselektion für den mikrobiellen Abbau von Schadstoffen. © Grafik aus Borchert, Hammerschmidt, Hentschel, Deines (2021), Trends in Microbiology

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