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Im Allgemeinen dauert es Jahrzehnte bis Jahrhunderte, bis Plastik verrottet. Eine Plastiktüte braucht etwas zehn bis zwanzig Jahre, eine PET-Flasche vermutlich sogar rund 450 Jahre. Mittlerweile beschäftigen sich Forscher aber immer mehr damit, Wege zu finden, diesen Prozess zu beschleunigen. So haben britische Forscher das Enzym PETase entwickelt, das PET zwanzigmal schneller zersetzen kann. (Neuer Enzym-Cocktail zerlegt Kunststoffabfälle sechsmal schneller). Andere bekämpfen Plastikmüll mit einer „molekularen Schere“. (Mit „Molekularer Schere“ dem Plastikmüll an den Kragen).

Forscherinnen rund um Dr. Başak Öztürk vom Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig haben nun in einer Studie untersucht, wie marine Mikroorganismen biologisch abbaubares Plastik zersetzen und verwerten. Dabei konnten die Wissenschaftlerinnen neben den am Abbau beteiligten Bakteriengruppen auch einen potentiellen Mechanismus für die Zersetzung des Kunststoffs aufdecken.

Plastik als Umweltproblem

Aufgrund des immer weiter steigenden Bedarfs an Plastik hat die Industrie seit einiger Zeit mit der Entwicklung von biologisch abbaubarem Kunststoff auf diese zunehmende Umweltverschmutzung reagiert. Im Jahr 2017 wurden weltweit 350 Millionen Tonnen Plastik produziert. Davon sind mehr als 70 Prozent als Abfall in den Ozeanen wiederaufgetaucht. Zur Herstellung des Plastiks wird oft Polybutylenadipat-terephthalat (PBAT) genutzt. Es ist dem konventionellen Kunststoff Polyethylen (LD-PE) in seinen Eigenschaften sehr ähnlich, ist aber gleichzeitig auch gut abbaubar. PBAT wird zum Beispiel für Verpackungen, Müllbeutel, oder auch in der Landwirtschaft für Mulchfolien eingesetzt. Wie PBAT durch Mikroorganismen im Erdreich abgebaut wird, ist bereits gut erforscht. Wie der Abbau in der aquatischen Umgebung abläuft und ob beispielsweise marine Bakterien die Abbauprodukte als Nahrungsquelle nutzen können, war bisher aber noch weitgehend unklar.

Zusammenarbeit verschiedener Bakterien bei der Zersetzung von Kunststoff

Die Forscherinnen des DSMZ konnten in ihrer Studie jetzt nachweisen, dass verschiedene Bakterien aus den Gruppen Alphaproteobakterien, Gammaproteobakterien, Flavobakterien und Actinobakterien einen Anteil am Abbau von PBAT haben. „In unseren Experimenten bildete sich bereits nach drei Tagen auf dem Plastik ein Biofilm. Erste Löcher traten nach sechs Tagen auf.“, erklärt Dr. Ingid Meyer Cifuentes, PostDoc am Leibniz-Institut DSMZ und Erstautorin der Publikation. Die Bakteriengemeinschaft habe den Kunststoff innerhalb von 15 bis 20 Tagen zersetzt. Dabei hätten die verschiedenen Bakterien die Abbauprodukte des PBAT als Kohlenstoffquelle für ihren Stoffwechsel genutzt. Insgesamt haben die Bakterien rund 60 Prozent des vorhandenen Kohlenstoffs aus dem Plastik in CO2 umgewandelt.

Die weiteren Ergebnisse der Experimente zeigten, dass die initiale Zersetzung des Kunststoffs innerhalb des Biofilms durchgeführt wird. Die entstandenen Abbauprodukte würden dann sowohl von der Bakteriengemeinschaft des Biofilms als auch von den freischwimmenden Bakterien in der näheren Umgebung weiter zersetzt, sagen die Wissenschaftlerinnen. Der Abbau des Plastiks sei also eine synergistische Leistung. „Der von uns untersuchte Abbauprozess im Labor unterscheidet sich wahrscheinlich etwas von dem im Ozean.“, stellt Mikrobiologin und Studienleiterin Başak Öztürk fest, „Unsere Ergebnisse zeigen aber, dass die Zersetzung von Kunststoff in der marinen Umgebung sehr ähnlich abläuft wie die im Erdboden. Dieses Wissen kann der Forschung helfen, langfristig besser biologisch abbaubare Kunststoff zu entwickeln. Das trägt einen bedeutenden Fortschritt zum Umweltschutz bei.“

Die Ergebnisse ihrer Forschung publizierte das Team jetzt im international renommierten Fachmagazin Nature Communications (https://www.nature.com/articles/s41467-020-19583-2).

Titelbild: Elektronenmikroskopische Aufnahme von durch bakteriellem Abbau entstandenen Löchern (schwarz) im Plastik. © HZI/Rohde