An Orten, die nicht über eine Straße zu erreichen sind und an denen auch keine Start- und Landebahnen für Flugzeuge zur Verfügung stehen, sind Senkrechtstarter unverzichtbar. So zum Beispiel bei der Bergrettung, bei Einsätzen auf Ölplattformen, zur medizinischen Versorgung abgelegener Gebiete oder nach Unfällen. Dann kommen in der Regel Hubschrauber zum Einsatz, die jedoch im Gegensatz zu Flugzeugen nicht nur mehr Energie verbrauchen, sondern auch im Vorwärtsflug geringere Geschwindigkeiten erreichen. Der Grund ist, dass der Rotor im Flug einen hohen Luftwiderstand erzeugt. Den Rotor braucht der Helikopter aber, um senkrecht starten und seine Position in der Luft stabil halten zu können.
Ein internationales Team von Wissenschaftlern will nun mit dem Airbus-Demonstrator RACER (Rapid And Cost-Effective Rotorcraft) ein Fluggerät entwickeln, das im Vorwärtsflug eine Geschwindigkeit von 400 Stundenkilometer erreichen kann und gleichzeitig leiser und umweltfreundlicher ist als herkömmliche Hubschrauber. Deshalb hat der RACER nicht nur einen Rotor, sondern auch Tragflächen wie ein Flugzeug. So kann er aerodynamisch effizient Auftrieb erzeugen und der Rotor wird entlastet.
Energie sparen durch optimale Rotorform
Bei einer Fluggeschwindigkeit von 400 km/h ist die Aerodynamik des Helikopters essentiell. Deshalb haben Forscher der TUM gemeinsam mit Airbus Helicopters (AH) im Projekt FURADO (Full Fairing Rotor Head Aerodynamic Design Optimization) eine aerodynamische Verkleidung für den Rotorkopf entwickelt. “Die Komponenten, die beim Hubschrauber im Reiseflug den meisten Widerstand verursachen, sind der Rumpf und der Rotorkopf“, sagt Patrick Pölzlbauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Aerodynamik und Strömungsmechanik.
Für den Rumpf wurden bereits Geometrien entwickelt, die möglichst wenig Luftwiderstand verursachen. Da die Aerodynamik des Rotors jedoch sehr komplex ist, ist eine aerodynamisch optimierte Vollverkleidung für den Rotorkopf eine größere Herausforderung. Die Drehbewegung des Rotors führt nämlich zu einer permanenten Änderung der Anströmbedingungen am Rotorblatt. Dabei entstehe sowohl die sogenannte anliegende Strömung, die der Kontur des Objektes folge – wie dies etwa an einem Tragflügel im Reiseflug der Fall sei –, als auch die sogenannte abgelöste Strömung, die einen besonders hohen Widerstand habe, erklären die Forscher.
“Eine abgelöste Strömung entsteht, wenn zum Beispiel die Kontur des Körpers mit einer Kante abgeschnitten wird, wie etwa bei einem stumpfen Fahrzeugheck am Auto“, sagt TUM-Professor Christian Breitsamter. “Dann löst die Strömung ab und es gibt Verwirbelungen. Das führt zum Beispiel dazu, dass Schmutzpartikel auf dem Heck landen.“ Solche stumpfe Kanten existieren im Rotorkopfbereich auch an der Schnittstelle zu den Rotorblättern.
Neuartige aerodynamische Rotorkopfverkleidung
Die Forscher führen Simulationen solcher komplexen aerodynamischer Prozesse mithilfe moderner Software und Berechnungsmethoden durch. Alleine auf die Technik verlassen sie sich dabei aber nicht. “Es gibt viele Einstellgrößen bei der Strömungssimulation, und diese müssen richtig gewählt werden, um ein verlässliches Ergebnis zu bekommen. Dafür ist Expertise und Erfahrung nötig“, sagt Breitsamter.
Patrick Pölzlbauer konnte die Form des Rotorkopfes so designen, dass nur kleine Verwirbelungen entstehen, da die Strömung dort so lange wie möglich anliegend bleibt. Außerdem hat er eine “Optimierungskette für die aerodynamische Gestaltung von Geometrien” entwickelt, die theoretisch auch für die Entwicklung von Verkleidungen anderer Rotormodelle angewendet werden können.
“Es ist geplant, die entwickelten Rotorkopfverkleidungen zu fertigen und am Flugdemonstrator zu testen“, erklärt Pölzlbauer. Bei diesen ersten Flugversuchen des RACER wird sich zeigen, ob Realität und Ergebnisse aus dem Simulator übereinstimmen.
Titelbild: Visualisierung der turbulenten Strukturen in der Umgebung des Rotorkopfs. © TUM
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