Stefan Pflügl researches the metabolism of A. woddii (c) at the Vienna University of Technology, Austria
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Kohlendioxid ist ein natürlich auftretendes Spurengas der Erdatmosphäre und spielt eine entscheidende Rolle für das Erdklima. Die Konzentration steigt insbesondere durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und hat sich seit Beginn der Industrialisierung dramatisch erhöht. Dadurch erwärmt sich die Erde stärker, als es der Pflanzen- und Tierwelt zuträglich ist. Um die Erderwärmung bis 2050 auf +1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, reicht es nicht, die CO2-Emissionen bloß zu reduzieren. Laut Weltklimarat muss der Atmosphäre auch aktiv CO2 entzogen werden. Acetogene Bakterien könnten darüberhinaus CO2-basierte Rohstoffe hervorbringen.

CO2-basierte Technologien

Pflanzen, Algen sowie manche Bakterien und Archaeen wandeln CO2 durch Fixierung (Kohlenstoffdioxid-Assimilation) in Biomasse um. Ein Vorgang, der die Forschung inspiriert. Denn mit Technologien, die auf dem Rohstoff CO2 basieren, könnte man den Kohlenstoff wieder in den Kreislauf zurückführen – indem man erdölbasierte Stoffe wie Kraftstoff oder Plastik mit nachhaltigeren Alternativen ersetzt. „Dies wäre nicht nur im Sinne der Bioökonomie, auch könnten CO2 und Kohlenmonoxid, die bei der Verbrennung von Kraft- oder Kunststoff entstehen, wieder zum Ursprungsprodukt werden,“ sagt Dr. Stefan Pflügl vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften an der TU Wien. Er und sein Team möchten acetogene Bakterien nutzen, um CO2 aus der Luft in Kunststoff und Treibstoff  umzuwandeln. 

klimaneutraler Ansatz

Eine Rückführung von CO2 bedingt dessen Verstoffwechselung und eben das ist Gegenstand einer aktuellen Studie, die das Team kürzlich in der Fachzeitschrift Metabolic Engineering veröffentlichten. Darin beschreiben sie, wie sich verschiedene Substrate auf den Stoffwechsel des acetogenen Bakteriums A. woodii auswirkt. Weiters beschreiben sie, wie man das Bakterium gentechnisch manipulieren kann, um Stoffe zu gewinnen, mit denen sich eine umfassende Kreislaufwirtschaft für das Treibhausgas CO2 realisieren ließe. 

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CO2 Verwertungsmöglichkeiten gibt es unzählige, aber in jedem Fall wird Energie benötigt. Die Technologie ist nur nachhaltig, wenn es auch die benötigte Energie ist, sagt Pflügl. Sein Modell basiert auf  einem klimaneutralen Ansatz, bei dem man erst CO2 aus der Luft gewinnt, um es dann mithilfe erneuerbarer Energie in Salze und Ester (Formiat) umwandeln zu können. Formiat ist eine Verbindung aus Kohlen-, Sauer- und Wasserstoff, die sich leicht transportieren und flexibel für die Herstellung von Chemikalien und Treibstoffen anwenden lässt. Mit diesen Eigenschaften könnte Formiat zu einem Grundbaustein der Bioökonomie werden, so die Forscher.

CO2 Verwertungsmöglichkeiten gibt es unzählige, aber in jedem Fall wird Energie benötigt. Die Technologie ist nur nachhaltig, wenn auch die benötigte Energie nachhaltig ist.

Dr. Stefan Pflügl, Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und technische Biowissenschaften an der TU Wien

Acetogene Bakterien

Erst in Form von Formiat kann das CO2 verstoffwechselt werden – und zwar mit acetogenen Bakterien. Das ist eine sehr spezielle Art von Bakterien, die sich von Kohlenstoffverbindungen ernährt und daraus Essigsäure produziert. Konkret untersuchten die Forscher das Acetobakterium woodii (A. woodii), das schon für die Umwandlung von Formiat in Essigsäure verwendet wird. Sie nutzten den schon gut erforschten Modellorganismus um herauszufinden, wie genau sich Formiat durch A. woodii verwerten lässt. Dazu führten sie eine vergleichende Beobachtung durch und analysierten die Auswirkung verschiedener Substrate auf den Stoffwechsel von A. woodii. Neben Formiat wurden auch Substrate wie Wasserstoff, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Fruktose getestet. 

Ältester Stoffwechselweg

Der größte Unterschied, der sich in der Verstoffwechselung der  unterschiedlichen Substrate zeigte, war die Energiemenge, die A. woodii daraus gewinnen konnte. Dies erklärt Pflügl wie folgt: „Acetogene sind wahre Überlebenskünstler, die auch Substrate wie CO, CO2 oder Formiat verstoffwechseln können. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Acetogene den wahrscheinlich ältesten Stoffwechselweg für die CO2-Fixierung verwenden. So gelingt es ihnen auch, unter extremen Bedingungen und aus alternativen Nahrungsquellen genug Energie zum Überleben zu erzeugen.“

Damit sind Acetogene nicht nur fähig, CO2 zu verwerten, sie gehen dabei auch sehr effizient vor. Folglich muss nur wenig Energie aufgewendet werden, um CO2 in Formiat umzuwandeln, das dann weiter in die Basis-Chemikalie Essigsäure umgewandelt wird.

Gentechnische Veränderung 

Auf Basis dieser experimentellen Daten  untersuchten die Forschenden, wie man das Bakterium gentechnisch verändern kann, um statt Essigsäure Ethanol oder Milchsäure zu produzieren. Denn mit diesen Stoffen ließe sich eine umfassende Kreislaufwirtschaft für das Treibhausgas CO2 realisieren. Aus Milchsäure könnte man biologisch abbaubaren Kunststoff herstellen und aus Ethanol Kraftstoff. 

Die Milchsäure wird fermentativ hergestellt und anschließend aus der flüssigen Brühe aufgereinigt und zu Poly-Milchsäure (poly-lactic acid (PLA)) umgesetzt. PLA hat ähnliche Eigenschaften wie die derzeit dominierenden Kunststoffe Polystyrol, Polypropylen und Polyethylen. PLA hat eine Reihe von Vorteilen. Zum Beispiel ermöglicht es beim 3D Druck eine reduzierte Drucktemperatur und verlängert beim Verpacken von frischem Gemüse die Haltbarkeit. Anwendung könnte es zum Beispiel auch im biomedizinischen Bereich finden, wo Objekte wie Stents, Platten, Schrauben, et cetera hergestellt werden könnten. 

CO2-Gewinnung aus der Luft 

Für die CO2-Gewinnung aus der Luft gibt es verschiedene Technologien. Allen gemeinsam ist das Ansaugen von Luft. Die Abtrennung von CO2 aus der Luft kann dann entweder über einen Adsorptions-Desorptionsprozess ablaufen oder über die Anströmung von Plastikoberflächen. Letztere werden zusätzlich mit Kaliumhydroxid überströmt, um CO2schlussendlich in Carbonatsalze umzuwandeln. Letzter Methode wird von Carbonengineering in Kanada eingesetzt.

Hochselektives Filtermaterial 

Ein prominentes Beispiel für einen Adsorptions-Desorptionsprozess liefert das Schweizer Institut Climeworks, das CO2-Kollektoren mit einem hochselektiven Filtermaterial einsetzt, um Kohlendioxid in einem zweistufigen Verfahren selektiv darin aufzufangen. Dabei wird die Luft mit einem Ventilator in den Kollektor gesaugt und das Kohlendioxid an der Oberfläche des Filtermaterials abgefangen. Nachdem das Filtermaterial mit Kohlendioxid gefüllt ist, wird der Kollektor geschlossen und die Temperatur auf 80 bis 100 Grad Celsius erhöht. Dadurch wird das Kohlendioxid freigesetzt und kann schließlich in hochreiner, hochkonzentrierter Form aufgefangen werden.

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Publikation:

Neuendorf, C. S., Vignolle, G. A., Derntl, C., Tomin, T., Novak, K., Mach, R. L., … & Pflügl, S. (2021). A quantitative metabolic analysis reveals Acetobacterium woodii as a flexible and robust host for formate-based bioproduction. Metabolic Engineering, 68, 68-85.