© Weizmann Institute
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Bei dem Wort Kolibakterien denken die meiste Menschen als erstes an mangelnde Hygiene und Krankheiten. Und auf pathogenen Bakterienstämme trifft das auch durchaus zu. Sie sind oft verantwortlich für schwere Infektionen verantwortlich. Andererseits sind harmlose Varianten der Kolibakterien aber ein notwendiger Teil unserer Darmflora und sorgen dafür, dass unser Körper mit den notwendigen Vitaminen versorgt wird. Diese Bakterien ernähren sich vom Zucker, den wir mit unserer Nahrung zu uns nehmen.

Die Bakterien im Labor von Prof. Ron Milo vom Weizmann Institute of Science in Rehovot, Israel, brauchen keinen Zucker zum leben. Sie brauchen noch nicht einmal feste Nahrung und ernähren sich vom Kohlendioxid (CO2) in ihrer Umgebung. Das heißt, sie bauen ihre gesamte Biomasse Luft. Ein ähnliches Prinzip nutzt auch das finnische Start-up Solar Foods Ltd., über das IO bereits im Juli berichtete, und das mit Hilfe von Bakterien Nahrungsmittel aus CO2 herstellt. Allerdings brauchen die Bakterien der Finnen Licht als Energiequelle. Weizmanns Bakterien, die durch Gentechnik und einer beschleunigten Evolution im Labor geschaffen wurden, können dagegen im Dunkeln operieren.

Entwöhnung von Zucker

Die Wissenschaftler begannen ihre Studie damit, den Baktrien Gene zuzuführen, die Pflanzen verwenden, um Kohlenstoff aus CO2 aufnehmen, und es in biologische Moleküle wie Protein, DNA usw. umzuwandeln. Außerdem setzten sie auch ein Gen ein, das es den Bakterien ermöglichte, Energie aus einer Substanz namens Formiat zu gewinnen, die direkt aus Strom und Luft erzeugt werden kann und die dazu geeignet ist, Elektronen an die Bakterien „abzugeben”.

Anschließend wurden die Bakterien langsam vom Zucker, den sie als Nahrung gewöhnt waren, entwöhnt. Die kultivierten Bakterien bekamen in jeder Phase gerade so viel Zucker, dass sie nicht völlig verhungerten und dazu viel CO2 und Formiat. Als einige lernten, sich mehr und mehr von CO2 zu ernähren – was ihnen einen evolutionären Vorteil gegenüber denen verschaffte, die an Zucker klebten – bekamen ihre Nachkommen immer weniger Zucker. Nach etwa einem Jahr der Anpassung hatten sie sich an die neue Ernährung gewöhnt und konnten in einer Umgebung leben und sich vermehren, die reines CO2 beinhaltete.

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Um zu überprüfen, ob die Bakterien nicht irgendwie andere Nährstoffe „naschen”, sei einigen der entwickelten E. coli CO2 mit einem schweren Isotop – C13 – zugeführt worden, schreiben die Forscher im Fachmagazin Cell. Um das Gewicht zu überprüfe, das das sie zugenommen hatten, wogen sie die bakteriellen Körperteile und verglichen das Gewicht, das sie zugenommen hatten, mit der Masse der schwereren Version von Kohlenstoff, die sie zu sich genommen hatten. Das Ergebnis zeigte, dass die Kohlenstoffatome in den Bakterien alle direkt aus CO2 aufgenommen wurden.

Klimaneutrale Kraftstoffe

Als nächstes charakterisierte das Team die neu entwickelten Bakterien und erforschte, welche Änderungen für die Anpassung an diese neue Ernährung unerlässlich waren. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass einige der von ihnen identifizierten genetischen Veränderungen damit zusammenhängen könnten, dass die Bakterien einfach ihren Hunger stillen wollten, schienen andere die Anpassung zu vollziehen, indem CO2 sammelten und daraus Bausteine bildeten. Die Zellen müssen nach Aussagen der Wissenschaftler „ein Gleichgewicht zwischen toxischer Überlastung und Konkurs herstellen. Weitere Änderungen, die das Team feststellte, betrafen die Regelung, wie bestehende Gene ein- und ausgeschaltet werden. Um herauszufinden, wie diese Gene ihre Aktivitäten angepasst haben, sind jedoch noch weitere Forschungen nötig.

Nach Ansicht der Forscher könnte dieser neue „Gesundheitskick” der Bakterien letztlich auch für den Planeten gesund sein, solche Zellen – Hefe oder Bakterien – dazu gebracht werden, sich von CO2 und erneuerbarer Energie zu ernähren anstatt von Maissirup, von dem sie heute leben. Sie könnten außerdem auch soweit angepasst werden, dass sie ihre Energie nicht aus einer Substanz wie Formiat beziehen, sondern direkt aus Elektronen, z.B. aus einem Sonnenkollektor. Diese Energie könnten sie dann für eine spätere Verwendung als Brennstoff in Form von Kohlenstoff in ihren Zellen speichern. Wenn der Kohlenstoff für einen solchen Kraftstoff atmosphärisches CO2 wäre, wäre der Kraftstoff komplett klimaneutral.

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