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Nein, es geht mal ausnahmsweise nicht um militärische Dinge. Es geht aber um einen Kriegsschauplatz, der sich soziale Medien nennt, und auf dem die Lautesten den Eindruck erwecken, als gebe es nur noch eine Wahrheit.

Die einzige Wahrheit über die Elektromobilität

Nichts geht über die Elektromobilität. Das batterieelektrische Auto ist die einzige Lösung für die Klima- und Mobilitätsprobleme der Welt. Und auch dort muss man Mitglied im Fortschritts-Club sein. Denn wer etwas anderes kauft, als einen Tesla, der hat den Knall noch nicht gehört. Die klassischen Verbrenner-Autohersteller werden einer nach dem anderen verschwinden. Und weil wir schon dabei sind: Elon Musk kann über das Wasser wandeln.

Diesen Eindruck bekommt man, wenn man sich, so wie ich notgedrungen, auf twitter, Instagram und Facebook bewegen muss. Faktisch kann mir kein Arzt der Welt später helfen, wenn mein Gemütszustand durch das wiederholte Lesen von unterkomplexen Kommentaren nachhaltigen Schaden nimmt.

„Hate speech“

Da wäre einmal die sogenannte Hatespeech. Vor allem wenn es um Argumentationen zu Technologieoffenheit geht. Wer sich heute den Lapsus erlaubt, den Wasserstoff  als Alternative auch nur zu „denken“, dem ist die Häme einer ganzen twitter-Blase, vornehmlich aus der Elektromobilitäts-Taliban-Riege sicher. 

Das sind in der Regel wohlhabende Menschen, die sich einen Premiumstromer des kalifornischen Herstellers leisten können und natürlich im großzügigen Eigenheim die Möglichkeit haben, den Stromer dank Solardach günstig aufzuladen. 

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Dummerweise gibt es eben auch den Ottonormalfahrer, der mit einer Laternengarage Vorlieb nehmen muss und weder in der Nähe noch auf der Arbeit die Möglichkeit hat, seinen sauer verdienten Stromer mit Mickeymaus-Reichweite aufzuladen.

Elektromobilität, die den Verbrenner 1:1 ersetzen kann, muss man sich eben leisten können. 

Rückumsteiger? Kann das sein?

Dann sind da die (zugegeben, seltenen) Rückumsteiger. Wer es wagt, öffentlich zu erklären, dass er wieder vom Stromer auf einen Verbrenner zurückgeht, dem ist eine Eskalation, volgo Shitstorm, so gut wie sicher. Und der funktioniert immer nach dem gleichen Muster.

Der Rückumsteiger erklärt seine Entscheidung. Zum Beispiel, weil er häufig einen recht schweren Anhänger oder Wohnwagen über weite Strecken ziehen muss. Oder, weil er es satt hat, stundenlang an Ladeparks rumzulungern, weils mal wieder etwas länger dauert. Da hilft auch die Anstaltspackung Snickers nicht weiter. Wenn der Thread-Opener Glück hat, wird der erste Kommentator noch versuchen auf seine Argumente einzugehen. 

Dann gesellen sich die härteren Kommentatoren dazu. Der Ton wird rauer, erste Beleidigungen und ad hominem-„Argumente“ fallen. Der Rückumsteiger ist nun in der vollen Defensive. Man erklärt ihm, bisweilen recht direkt, wie dämlich er ist. Schließlich zieht sich der Rückumsteiger zurück. Hat er dies auf einem speziellen Facebook-Mitglieder-Brett gepostet, kommen die ersten Löschanträge der übrigen Mitglieder. Und schließlich wird der Troll bzw. Bot, denn mehr scheint er ja nicht zu sein, gelöscht.

Mistgabeln

Im Mittelalter waren solche Reaktionen die Norm. Dann marschierten die Lokalen mit Mistgabeln gegen die Abtrünnigen. Allerdings blieb es dann nicht beim Löschen.

Gerade wenn es um so wichtige Themen wie Mobilität, Emissionen, Technologie und Klima geht, wäre eine verbale Abrüstung wünschenswert. Denn eigentlich wollen wir unsere „Diskussionsgegner“ ja davon überzeugen, dass man mit cleveren Innovationen diesen Planeten weiter bewohnbar für alle halten kann. Dazu muss man aber erreichen, dass auch andere Standpunkte akzeptiert und gegebenenfalls nachvollzogen werden. Die Welt besteht eben nicht nur aus Schwarz und Weiß, es gibt auch Grautöne dazwischen.

Und auch die Elektromobilität ist noch lange nicht im Mainstream angekommen.

Ob das allerdings in den sozialen Medien ausdiskutiert werden kann, darf bezweifelt werden. 

Die andere Kolumne von Bern Maier-Leppla lesen Sie hier.

Zu dieser Rubrik:

In einer wöchentlichen Kolumne, abwechselnd geschrieben von Bert Overlack, Eveline van Zeeland, Eugène Franken, Helen Kardan, Katleen Gabriels, Carina Weijma, Bernd Maier-Leppla und Colinda de Beer versucht Innovation Origins herauszufinden, wie die Zukunft aussehen wird. Diese Kolumnisten, manchmal ergänzt durch Gastblogger, arbeiten alle auf ihre Weise an Lösungen für die Probleme unserer Zeit.