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In China, Singapur, Südkorea und Israel ist sie schon in Gebrauch – jetzt soll sie auch von den europäischen Regierungen im Kampf gegen COVID-19 genutzt werden: die Tracking App! Mehrere Forscherteams arbeiten an Lösungen. Am Mittwoch wurde in Berlin das Projekt PEPP-PT präsentiert. Die Technologie soll ausgereift sein und könnte schon Mitte April eingesetzt werden.

Initiator des gemeinnützigen Forschungsprojekts PEPP-PT ist der deutsche IT-Unternehmer und Regierungsberater Hans-Christian Boos. Er entwickelte die COVID-19 Tracking App mit zahlreichen europäischen Wissenschaftern, Forschungsinstituten und Universitäten. Darunter auch die deutschen Institute Fraunhofer-Heinrich-Hertz Berlin (HHI) und Robert Koch (RKI).

Eindämmung von COVID-19

Die Erwartung an eine COVID-19 Tracking App ist die konsequente Nachverfolgung von Infektionsketten. Betroffene werden früh über eine Infektion informiert und können somit früh isoliert und behandelt werden. Positiv stimmt etwa das Beispiel Shenzhen wo innerhalb kurzer Zeit die Zahl der Neuinfizierten pro Tag von 20 bis 60 auf drei reduziert werden konnte.

Auch in Europa sucht man nach Maßnahmen, die es erlauben, rasch wieder zur Normalität zurückzukehren. Große Hürde für die Tracking App ist allerdings der Datenschutz der via DSGVO in den Grundrechten verankert ist. Die meisten deutschen Politiker drängen auf den freiwilligen Einsatz der App. Allerdings steigt die Erfolgsrate mit der Zahl der Nutzer – und der korrekten Nutzung. Deshalb werden auch steuerliche Anreize diskutiert. Das würde zu einer Scheinfreiwilligkeit führen.

Basierend auf Positionsdaten

Die Technologie basiert auf Positionsdaten von Bluetooth Low Energy. Halten  Nutzer den empfohlenen Abstand von zwei Metern nicht ein, so tauschen deren Smartphones eine Nummer zur Identifizierung (ID) aus. Nutzer, die positiv auf COVID-19 getestet wurden, geben das in ihre Tracking App ein und das System informiert alle Kontakte, die der Erkrankte in der Woche zuvor hatte.

Der Algorithmus soll übrigens auch erkennen, ob sich eine Wand oder eine Scheibe zwischen den Nutzern befindet. Das könnte in einem Gebäude oder einem Verkehrsstau der Fall sein. Grundlegend war die Vermessung der Bluetooth-Funk-Abstrahlungsprofile der gängigsten Smartphone-Modelle in Deutschland – und eine entsprechende Abgleichung der App, so Boos gegenüber welt.de.

In bestehende Apps integrierbar

Es handle sich dabei bewusst um keine App, sondern ein System, das in bestehende Apps integriert werden kann, erklärt Boos. Dadurch müsse keine extra App heruntergeladen werden. Nutzer bekommen das Trackingsystem automatisch im Update auf bestehende Apps. Aktiv werde dieses erst nach Einwilligung des Nutzers. Wenn diese erfolgt sei, generiere das Smartphone eine einmalige, regelmäßig wechselnde (ID) und sende diese über Bluetooth Low Energy aus.

Europaweiter Standard

Um die Infektionsketten über mehrere Grenzen hinweg zurückverfolgen zu können, sollen die IDs auch eine Länderkennung erhalten. Auch die PEPP-PT Technologie ist gewappnet. Den Länder sollen eine gemeinsame Softwarebasis zur Verfügung stehen. Die Software besteht aus drei Elementen:

  • das oben genannte Frontend, das per Algorithmus Kontakte analysiert und in bestehende Apps integriert werden kann;
  • ein Backend, das für Hunderte Millionen Teilnehmer skalierbar ist; es sammelt und verteilt die Daten der Apps;
  • eine sichere Schnittstelle, die es Behörden ermöglicht, die Infektion eines Nutzers zu verifizieren;

Debatte über Datenschutz

Nach erfolgreichem Abschluss der Forschung will man jetzt in Kooperation mit der Bundeswehr zum Test der Software übergehen. Gleichzeitig wird eine Debatte über Datenschutz einsetzen. Laut Fraunhofer AISEC entspreche die COVID-19 Tracking App den Richtlinien der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Ds Institut war an der Entwicklung des Sicherheitskonzepts beteiligt.

In einer Aussendung versichert das Fraunhofer AISEC, dass weder Bewegungsprofile der Nutzer erstellt, noch Bewegungsdaten gespeichert werden. Es werden lediglich Begegnungen gespeichert: anonymisiert, lokal auf den Smartphones und nur für 21 Tage. Ältere IDs werden automatisch gelöscht. Die Informationen werden dezentral zwischengespeichert. Das habe den zusätzlichen Vorteil, dass kein zentraler Angriffspunkt für Missbrauch (Hacking) entstehe.

Die Übermittlung der ID an das Backend erfolge nur im Fall einer Infektion und durch erneute Bestätigung des betroffenen Nutzers. Auch hier sei die Speicherzeit auf 21 Tage beschränkt und der Datenschutz sei zu jeder Zeit gewährleistet, so die Experten von Fraunhofer.

Frei für alle zugänglich

PEPP-PT soll in der Schweiz als gemeinnützige Organisation gegründet werden. Die Technologie und die Standards werden frei für alle zugänglich sein. Die Behörden der einzelnen Länder können eine Abwicklungsplattform nutzen. Diese ermöglicht es ihnen, europaweit harmonisierende Apps zu entwickeln, die auch mit den Anforderungen der nationalen Gesundheitssysteme übereinstimmen. Die gemeinsame Softwarebasis gewährleistet den Austausch von Warnungen über Grenzen hinweg.

PEPP-PT steht für Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing. Die gemeinnützige Initiative wird durch Spenden finanziert. Gemäß den WHO-Standards soll jegliche externe Einflussnahme vermieden werden.

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