Lara Systeme (c) Blue Planet Ecosystems
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Der Klimawandel und schrumpfende agrarische Flächen sind eine große Herausforderung für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion. Besonders problematisch ist die Versorgung mit tierischem Protein.

Das Start-up Blue Planet Ecosystems mit Sitz in San Francisco und Wien möchte die Fischzucht in ein Computer- und Containersystem verlagern. Das Ökosystem soll so simuliert werden, dass die Natur in autarken LARA (Land-based Automated Recirculating Aquaculture) Systemen nachgebildet werden kann.

„Wir haben alles selbstgebaut, auch die Hardware“, sagt Paul Schmitzberger, CEO und Co-Gründer von Blue Planet Ecosystems. Wir, das ist ein Team aus Ingenieuren, Biologen und Computerwissenschaftern. Hardware, das sind LARA Systeme, in denen die drei Stufen eines aquatischen Ökosystems nachgebaut werden – von der Alge (Phytoplankton) über den Zooplankton bis hin zum Endprodukt Fisch.

Phytoplankton sind phytosynthetische Organismen, die ihre eigene Nahrung aus der Energie des Sonnenlichts herstellen. Ein weiteres Merkmal ist deren hohe Wachstumsrate: Bei idealen Licht – und Temperaturverhältnissen können diese innerhalb von vier bis sieben Tagen geerntet werden. Das ist eine Produktivität, die weit über jener der traditionellen Landwirtschaft liegt.

Zooplankton sind mikroskopische und semimikroskopische wirbellose Tiere, die in Gewässern vorkommen. Zooplankton wie Daphnien haben kurze Lebenszyklen, die innerhalb weniger Tage vom Ei zur Reife führen. In der Natur explodiert deren Population, wenn die Umweltbedingungen stimmen. Ein Merkmal, das Blue Planet Ecosystems nutzt. Die Umweltparameter werden mit einer ausreichenden Versorgung mit Lebensmitteln (Mikroalgen) optimiert. Bei der Umwandlung pflanzlicher Biomasse in wertvolles tierisches Eiweiß sind Daphnien noch effizienter als Insekten. Diese Effizienz reduziert die Umweltbelastung im Vergleich zur Haltung von warmblütigen Tieren wie Rindern deutlich.

Natürlich ernährte Fische

Die gesundheitsfördernden Nährstoffe die von den Algen synthetisiert werden, werden über die natürliche Nahrungskette im Endprodukt Fisch bioakkumuliert. In den gängigen Aquakulturen ist diese Nahrungskette unterbrochen. Das Wasserprotein wird durch pflanzliches (Fischmehl) und tierisches (Blutmehl) ersetzt. Mikroplastik und andere Umweltgifte aus Industrie und Landwirtschaft werden durch diese Futtermittel unweigerlich an Nutztiere verfüttert. Dadurch verliert das Fischfleisch seine gesundheitsfördernden Eigenschaften weitgehend. Bei Blue Planet Ecosystems entspricht das Futter den physiologischen Anforderungen der Organismen.

Das LARA-System, an dem das Start-up forscht, basiert auf erneuerbarer Energie und ist vereinfacht gesagt, ein Prozess, in dem Sonnenlicht in Fische verwandelt wird. Die Algeneinheit, die CTO Georg Schmitzberger entwickelte, hat die Fähigkeit Licht optimal zu „ernten“ und für die Algen zur Verfügung zu stellen.

Das System ermöglicht die Herstellung von Lebensmitteln weitgehend unabhängig von klimawandelbedingten Umweltfaktoren und damit verbundenen Preisschwankungen von Futtermitteln wie Fischmehl. Durch die stark reduzierte Abhängigkeit vom Wasser sollen LARA-Systeme auch in Wüstengebieten eingesetzt werden.

Paul Schmitzberger in Interview:

Was ist eure Motivation? Welches Problem löst ihr und warum ist das wichtig?

Uns interessiert das Thema auf intellektueller Ebene – und wir bauen gern Dinge. Erst haben wir aus Neugierde an der Funktion von biologischen Ökosystemen geforscht und dann herausgefunden, dass wir damit ein großes Problem lösen.

Durch die wachsende Weltbevölkerung müssen wir die Produktion von tierischem Protein in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln. Das führt dazu, dass die Menschheit ökologische Juwelen in landwirtschaftliche Nutzfläche umwidmet. Wir lösen das Problem, indem wir die Produktion von tierischem Protein von typischen agrarischen Wertschöpfungsketten entkoppeln. Wir brauchen keine Futtermittel aus pflanzlichen oder tierischen Proteinen, deren Produktion vom Klimawandel betroffen ist.

Ein weiterer Aspekt ist die Verschmutzung der Weltmeere durch Mikroplastik und Umweltgifte wie Blei oder Fertilizer, die sich in der Nahrungskette sammeln und potenziell negative Auswirkungen auf sensible und gesundheitlich vorbelastete Menschen haben.

Was war das größte Hindernis, das ihr überwinden musstet? Gab es einen Moment in dem ihr aufgeben wolltet?

Nein diesen Moment gab es glücklicherweise noch nicht.

Was waren die bisher schönsten Momente?

Wir hatten ein Pre-Seed-Investment von IndieBio in San Francisco, dem bedeutendsten Life Science-Accelerator weltweit. Als wir am Demo Day vor 1200 Menschen unseren Laboratory Scale Prototype präsentierten, war das schon toll.

Welche Leistungen haben euch wirklich stolz gemacht?

Dass wir es innerhalb kürzester Zeit geschafft haben, von einer Powerpoint-Präsentation zu einem Prototyp zu kommen, ein gutes Team aufzubauen – und Unterstützung für eine technisch anspruchsvolle Idee zu finden.

Wie schwer war es, eine Finanzierung zu bekommen?

Die Finanzierung ist für jedes Start-up sicher das schwierigste Teilprojekt. Im Silicon Valley sagt man, dass man 120 Kontakte mit Risikokapitalgebern für fünf Term-Sheets und fünf Termsheets für ein Investment braucht. Wir haben auch viele Gespräche geführt und haben es geschafft.

Wie sind die Bedingungen am Standort Wien. Könnt ihr euch einen besseren/idealen Ort für euer Start-up vorstellen?

Nach fünf Monaten im IndieBio in San Francisco sind wir seit August wieder in Wien – allerdings mit einer Niederlassung in San Francisco. Silicon Valley bietet sicher extreme Standortvorteile. Aber wir haben auch in Europa gute Wissenschafter und gute Bedingungen. Vor allem ist der Standort Wien leistbar. Silicon Valley ist extrem teuer.

Wo möchtet ihr mit Ihrem Unternehmen in fünf Jahren sein?

Ein funktionierendes Produkt, das gut am Markt angenommen wird und ein stabiles, florierendes Unternehmen.

Was macht eure Innovation besser/anders als existierende Dinge?

Wir glauben, dass der Wert zukünftiger Industrien eher in der Software als in der Hardware liegt. Aber es muss eine Abstimmung zwischen Hard- und Software geben – und in unserem Projekt zusätzlich noch mit der Biologie.

Was uns hervorhebt, ist die Software. Wir bauen ein System, welches das natürliche Ökosystem simuliert und streben nach einer Lösung, die immer schneller und selbstständiger lernt. Unser Head of Data Science ist eine Teilchenphysikerin. Sie hat zehn Jahre am Cern an Machine Learning Systemen für Atlas Experimente gearbeitet – mit extrem hohen Datenmengen und sophisticated Modellen. Bei uns simuliert sie nicht das Universum, sondern das Ökosystem. Unser Experte in Agrokultur hat unter anderem in Sri Lanka Fischfarmen designt.

Danke für das Gespräch

Unter diesem Link finden Sie ein Video über das Projekt Blue Planet Ecosystem.

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