© IMBA/Hagelkrüys
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Antikörper spielen in unserem Leben eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit. So baut der Körper nach einer durchgemachten Virusinfektion im Allgemeinen von selbst diese Antikörper auf, um vor einer weiteren Ansteckung geschützt zu sein. Das Gleiche gilt für Impfungen. Sie zielen auf eine Entwicklung von Antikörpern ab, ohne dass der Körper jedoch die jeweilige Krankheit durchmachen muss.  Daher spielen diese Proteine insbesondere in der Medizin eine entscheidende Rolle – was sich aktuell bei der weltweiten Suche nach einem Impfstoff gegen COVID-19 zeigt.

Diese sogenannten Immunoglobuline sind vielseitig gegen Krankheitserreger einsetzbar, weil sie körperfremde Substanzen erkennen und markieren. So können unsere Immunzellen diese Substanzen dann langfristig erkennen und bekämpfen. Andererseits helfen die Immunoglobuline auch gezielt dabei, Eindringlinge mit Hilfe anderer Immunzellen zu zerstören. Produziert werden die Antikörper in speziellen Produktionsanlagen, in den so genannten Plasmazellen – mehrere Tausend pro Sekunde.

JAGN1 als Player für das Immunsystem

Ein Forschungsteam rund um Dr. Josef Penninger vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) konzentrierte sich nun auf die Rolle eines spezifischen Proteins bei der Herstellung von Antikörpern: das Gen JAGN1. Dieses Protein konnte Penninger zuvor in Zusammenarbeit mit Forschern um Christoph Klein am Haunerschen Kinderspital in München bei Patienten mit schwerer angeborener Neutropenie (SCN) als Akteur im Immunsystem des Körpers identifizieren. Die Krankheit SCN wird durch eine Mutation im JAGN1-Gen verursacht und führt dazu, dass die Betroffenen anormal niedrige Werte an weißen Blutkörperchen haben. Aufgrund dieser Neutrophile leiden sie an schweren Infektionen, weil ihr Immunsystem sich nicht ausreichend gegen Bakterien- und Pilzinfektionen wehren kann.

In der aktuellen Studie untersuchten die Forscher die Rolle von JAGN1 bezüglich der sogenannten B-Zellen. Das sind weiße Blutkörperchen, die sich zu Plasmazellen entwickeln können, wenn sie fremde Substanzen (Antigene) wie Chemikalien, Bakterien, Viren und Pollen erkennen. Jede der Plasmazellen kann dann pro Sekunde Tausende von spezifischen Antikörpern produzieren, die gegen ein bestimmtes Antigen gerichtet sind.

Diese Massenproduktion findet an einem bestimmten Ort in der Zelle statt, dem endoplasmatischen Retikulum. Danach werden die fertigen Antikörper auf ihrer Fc-Region, einem Bereich, der mit anderen Teilen des Immunsystems interagiert, mit Zuckermolekülen „dekoriert”. Dieser Prozess der sogenannten Glykosylierung erleichtert es dem Antikörper, an andere Immunzellen zu binden, was die Abwehrreaktion des Körpers verstärkt.  Charakteristische Zuckerstrukturen, die an Proteine angeheftet werden, haben bekanntermaßen Auswirkungen auf die Proteinstabilität und die Kommunikation zwischen Zellen und deren Umgebung.

Grundlegendes Wissen über Antikörper durch seltenen Gendefekt

„Als wir JAGN1 in B-Zellen von Mäusen auschalteten, konnten wir eine drastische Reduktion der Antikörper messen. Auch die typischen Zuckersignaturen, die auf den Antikörpern sitzen, hatten sich verändert. JAGN1 beeinflusst die Antikörper-Fabriken in den Zellen”, erklärt die Wissenschaftlerin Dr. Astrid Hagelkrüys, Erstautorin der aktuellen Publikation, die im Journal of Experimental Medicine veröffentlicht wurde. „Darüber hinaus wurde ihre Glykosylierungsmuster – die Zugabe von spezifischen Zuckermolekülen – bei Antikörpern mit JAGN1-defizienten B-Zellen verändert.“

JAGN1 scheine die Antikörperfabriken in den Zellen zu beeinflussen, sagt Dr. Penninger. „Zu unserer Überraschung führt diese Veränderung in der Zuckerstruktur auch zu einer besseren Bindungsfähigkeit der Antikörper an andere Immunzellen und verstärkt die Abwehrreaktion.”

Den gleichen Mechanismus konnten die Wissenschaftler auch in menschlichen Proben nachweisen. „Seltene Gendefekte betreffen zwar nur wenige Menschen, aber manchmal lassen sich daraus grundlegende Prinzipien der Biologie ableiten“, so Penninger. „In diesem Fall konnten wir nachweisen, dass ein bestimmtes Gen das Endoplasmatische Retikulum beeinflusst und daher für die Massenproduktion von Antikörpern essentiell ist.“ Gleichzeitig haben die Forscher auch herausgefunden, dass die „Zuckerhülle“ von Antikörpern verändert wird, „was eine wichtige Auswirkung darauf hat, wie solche Antikörper im Körper tatsächlich wirken“.

Originalpublikation: A crucial role for Jagunal homolog 1 in humoral immunity and antibody glycosylation in mice and humans, Hagelkruys et al, Journal of Experimental Medicine, 2020. doi: 10.1084/jem.20200559

Titelbild: Gestainter Kachel-Scan MOMA1 (rot) und CD23 (blau) © IMBA/Hagelkrüys