Der Bau von Verkehrswegen in alpinen Regionen ist besonders gefordert: Bei Straßen und Schienen sind Stützbauwerke unumgänglich. Dabei gibt es viele Betonwände mit und ohne Erdanker, welche das Erdreich bei Hanglagen oder Einschnitten stützen.
Wichtige Verkehrsbauwerke wie Brücken oder Stützbauwerke müssen laufend begutachtet werden. In Österreich ist dies durch die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen geregelt. Die Inspektion gestaltet sich allerdings schwierig und erfordert die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Ingenieuren aus Bauwesen, Geodäsie und Messtechnik. Durch Hanglagen sind die Stützbauwerke oft schwer zugänglich. Zudem mangelte es bisweilen an technischen Messinstrumenten sowie Anhalts- und Grenzwerten. Auf Schäden und Mängel konnte bisher nur durch sichtbare Symptome geschlossen werden.
Messbare Methoden für Versagensankündigung
Dass der Stand der Kontrolltechnik nicht ausreichend ist, wurde zuletzt an vermehrten Schadensfällen an älteren Stützbauwerken offenbar. 2012 brach eine zehn Meter hohe Stützwand bei der Mautstation Schönberg an der Brennerautobahn ein und forderte ein Menschenleben. Das führte dazu, dass viele Wände umfassend nachgerechnet und verbessert wurden. Um neue Herangehensweisen zu finden, wurde 2015 das Forschungsprojekt SIBS – Sicherheitsbewertung bestehender Stützbauwerke, unter der Schirmherrschaft der Vereinigung Österreichischer Bohr-, Brunnenbau- und Spezialtiefbauunternehmungen (VÖBU) gestartet. Ziel war es, zuverlässige messbare Methoden für eine Versagensankündigung zu finden. Jetzt wurde das Projekt abgeschlossen. Die Ergebnisse werden am 19. September 2019 am AIT Center for Mobility Systems in Wien präsentiert.
Im folgenden Interview erläutert Alois Vorwagner vom AIT Center for Mobility Systems die Ergebnisse:
Was ist charakteristisch für die Konstruktion von Stützbauwerken an Verkehrswegen?
Zur Errichtung von Verkehrswegen im alpinen und hügeligen Bereich, werden Hanglagen mit einer Stützwand gesichert. Wenn die Hangneigung zum Beispiel 45 Grad beträgt und die Breite der Straße fünf Meter, dann braucht es eine fünf Meter hohe Stützwand. Eine Alternative wäre eine Böschung. Den erforderlichen Raum hat man aber gerade im alpinen Bereich oft nicht.
Es gibt verschiedene Typen und Arten von Stützbauwerken. In unserem Projekt ging es hauptsächlich um Stützbauwerke aus Stahlbeton, die zusätzlich mit Erdankern abgestützt werden. Der Anker ist ein Metallstab, der in die Erde gesetzt wird. Seine Funktion ist es, die Wand zusätzlich zu stützen und die Kraft auf den Boden zu übertragen. Es gibt zwei Typen von Ankern:
- Der Stabanker hat einen vollen Stahlquerschnitt.
- Der Litzenanker, besteht aus mehreren Drähten, die gebündelt den Anker bilden.
Das Konstruktionsprinzip ist bei beiden gleich: Man baut eine Stützwand und stellt nachträglich eine horizontale oder leicht geneigte Bohrung her. In diese Löcher steckt man die Stab- oder Litzenanker, befestigt sie mit Zement und spannt sie an. Der Zement dient der Befestigung des Ankers im Boden und schützt vor Korrosion. Daueranker sind zusätzlich beispielsweise in Kunststoffrohren korrosionsgeschützt.
Welche Mängel können an den Stützbauwerken auftreten?
Zum einen wurden im Projekt Korrosionsschäden am Anker untersucht. Eine mögliche Schadensquelle ist der Ankerkopf, das ist die Stelle, an welcher der Anker in den Beton eintritt. Zurückzuführen ist dies meist auf die Einwirkung von Streusalz. Eine nachträgliche Überprüfung ist hier schwer möglich.
Zum anderen wurde Bewehrungskorrosion bei Stahlbetonwänden untersucht. In der Herstellung von Winkelstützmauern wird beim Übergang vom Fundament auf den vertikalen Wandteil in der Betonkonstruktion eine Arbeitsfuge erstellt. Diese ist hochbelastet und kann eine Schwachstelle sein. Der maßgebende Bereich befindet sich auf der Rückseite, wo die Wand gegen die Erde trägt und ist von vorne nicht ersichtlich.
Ein Gerät, das aus dem Forschungsprojekt hervorging, war ein Laserscanner, der an einem Fahrzeug montiert, im Vorbeifahren die Wandneignung misst. Diese Messung kann im Fließverkehr erfolgen. So ist es möglich, eine Vielzahl an Bauwerken rasch und ohne Verkehrsbehinderung zu überprüfen. Welche Technologie wurde eingesetzt?
Gemessen werden Winkeländerungen. Wenn es Korrosionen oder Laständerungen gibt, ändert sich der Winkel der Neigung. Die Wandneigung ist ein Parameter, der genau erfassbar ist. Der Laserscanner arbeitetet mit einer Million Pixel pro Sekunde. Im Projekt wurden zwei Scanner am Fahrzeug montiert und Tests mit einer Fahrgeschwindigkeit von bis zu hundert Kilometern in der Stunde durchgeführt. Bei der Messung entsteht eine Punktwolke, aus der die Neigung zu schließen ist – mithilfe eines neu entwickelten Algorithmus. Die Technologie wurde von Kollegen an der TU Graz entwickelt.
Weiters wurde eine Ultraschalltechnik entwickelt, um die Korrosion bei Bodenankern zu entdecken – und zuverlässige Kenndaten über den Zustand der Korrosion von vorgespannten Litzenankern zu identifizieren. Wie wird der Ultraschall angewendet?
Man schallt mit dem Ultraschallkopf in den Anker hinein. Aus der Rückantwort lässt sich bestimmen, ob und wenn dann wo eine Korrosion vorhanden ist. Dazu sind viele Referenzmessungen und Auswerteroutinen notwendig. Diese wurden von unserem Projektpartner Burtscher Consulting entwickelt.
Bei Winkelstützmauern ist die Detektion von Korrosionsschäden besonders schwierig. Welche Probleme konnten mit dem neuartigen Monitoring-Konzept für korrodierende Winkelstützmauern gelöst werden?
Es handelt sich um ein Monitoring-Konzept zur nachträglichen Untersuchung von Stützbauwerken, bei denen sich Schäden durch Änderung von Wandneigung und Dehnung ankündigen. Wir haben im Großversuch Korrosionsvorgänge nachempfunden – verschiedene Wandszenarien mit Beschädigungen geschaffen und berechnet, welche Parameter wesentlich für die Erkennung von Korrosion sind. Aber erst in der Kombination von unterschiedlichen Sensordaten und mit wahrscheinlichkeitstheorischen Ansätzen können wichtige Entscheidungsparameter gefunden werden.
Im Projekt wollen wir herausfinden, wie ein Stützbauwerks-Monitoring zielführend eingesetzt werden kann. Wir versuchten, Anhalts- und Grenzwerte abzutesten. Bei Winkelstützmauern kann man aber noch keinen definitiven Grenzwert sagen. Wenn wir eine Wand, die vierzig Jahre alt ist, mit hochsensiblen Sensoren ausstatten, können wir nur messen, wie sich die Wand relativ verformt – also ihre Neigungen und Stauchungen ab dem Zeitpunkt der Sensorinstallation.
Allerdings können wir mit dem Monitoring-Konzept zwischen zwei verschiedenen Ursachen von Wandneigungen bei Winkelstützwänden unterscheiden:
- Erddruckänderung (durch äußere Einflüsse wie zum Beispiel bei Regen);
- Korrosionsvorgängen in der Arbeitsfuge;
Die beiden Ursachen beeinflussen sich gegenseitig. Darum ist die Identifikation schwierig.
Danke für das Gespräch.
Das Forschungsprojekt SIBS wurde von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) als Branchenprojekt gefördert.
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